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Nullretax: Kinder müssen Fiebersaft zurückgeben

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Berlin -

Es klingelt. Oh nein, hoffentlich wacht der Kleine jetzt nicht wieder auf, denkt die junge Mutter und schleicht zur Haustür. Draußen steht ein Herr im Anzug und legt unvermittelt los: „Wir müssen uns über Fiebersaft unterhalten.“

Der Herr ist von der Krankenkasse. Die junge Mutter findet das zwar fürsorglich, kann aber beruhigen: „Wir haben noch eine Flasche bekommen, die Apotheke hat sich total reingehängt und uns extra Saft hergestellt.“ Das sei ja allerliebst, sagt der Herr von der Kasse. Leider habe aber sich die Apotheke bei der Rezeptkontrolle aber nicht hinreichend bemüht. „Es fehlte die Dosierung.“

„Ja, aber ich bin Krankenschwester und habe drei Kinder, außerdem hat unsere Ärztin mir das auch noch mal erklärt“, kontert die Mutter. „Das ist ja allerliebst. Aber das ist keine Frage der Versorgung, sondern der Verordnung – und die war fehlerhaft.“

„Und was heißt das bitte?“ „Das bedeutet, dass die Apotheke ihren Anspruch auf Erstattung verwirkt hat und Sie – beziehungsweise ihr kostenlos mitversicherter Sohn – keinen Anspruch auf den Fiebersaft hat. Bitte händigen Sie mir die Flasche aus, sie wird einretaxiert.

Vollkommen verwirrt holt die Mutter die Flasche und überreicht sie dem Herrn. „Die ist ja angebrochen“, sagt dieser angewidert. „Äh ja, mein Sohn hatte ja auch Fieber?!“ „Das werden wir bei der Taxierung zu berücksichtigen haben und ihren Beitragssatz entsprechend einmalig erhöhen. „Ich werde retaxiert?!“ „Ihr Sohn hat einen nicht korrekt verordneten Fiebersaft eingenommen und Rechtsanspruch. Wir sind zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet, davon profitieren Sie als Versicherte letztlich doch auch.“ Der Mann nimmt den Saft mit spitzen Fingern und geht.

Jetzt mal im Ernst: Noch holen die Kassen keine Arzneimittel bei den Versicherten zurück, aber wundern würde einen das auch schon nicht mehr. Denn retaxiert werden die Apotheken. Dafür, dass sie in einer echten Notlage eingesprungen sind zu niemals kostendeckenden Konditionen dringend benötigte Arzneimittel für Kinder hergestellt haben.

Wie kaltherzig muss man eigentlich sein, um in dieser Situation wie der allerletzte Technokrat auf die achte Nachkommastelle im Rahmenvertrag zu pochen? Und da ist es auch egal, wenn laut IKK Classic nur 0,002 Prozent aller Verordnungen betroffen sein sollen. Als ob nicht jeder Einzelfall beschämend genug wäre. Ein Gutes könnte dieses unsägliche Vorgehen aber haben: Alle können es sehen.

Und erste Einsicht hat die Politik auch schon gezeigt: Die Ampel-Fraktionen planen mit ihrem Änderungsantrag zum ALBVVG eine massive Beschränkung der Null-Retaxationen. Ersatz- und Betriebskassen jaulen schon auf, aber es kommt noch „schlimmer“ für sie: Auch die erleichterten Abgabevorschriften sollen verstetigt werden. Und: Apotheken müssen sich künftig nur noch für die Abgabe von Blindenhunden präqualifizieren.

Ob das Lieferengpassbekämpfungsgesetz seinem Namen jemals gerecht wird, daran gibt es in der Branche erheblich Zweifel. Die Hersteller sollen sich künftig Arzneimittel an Lager lagen, die sie nicht haben – Problem gelöst.

Doch Gesundheitsminister Lauterbach ist längst an anderen Großprojekten. Mit dem Digitalgesetz soll das E-Rezept verbindlich eingeführt werden, am Murmeltiertag. Die KBV ist dagegen. Erstmal muss allerdings die technische Umstellung und der eGK-Start am 1. Juli geschmeidig laufen.

Und dann hat Minister Lauterbach noch sein Kiosk-Gesetz vorgelegt. Das heißt in Wirklichkeit anders, aber da ohnehin keine Kommune und keine Kasse Geld (400.000 Euro!) für diesen Quatsch ausgeben wird, brauchen wir uns vielleicht auch nicht länger als nötig damit zu befassen. Der Irrsinn geht schon damit los, dass die Gesundheits-Spätis von Pflegefachkräften geleitet werden sollen – von denen es ja bekanntlich einen vergleichbar großen Überschuss gibt wie an PTA und Approbierten.

Doch manchmal blitzt die Vernunft auf: Die Großhändler müssen jetzt doch nicht jede vergebliche Abfrage von Apotheken aufwändig dokumentieren, um vielleicht 50 Cent zu bekommen. Stattdessen soll das Honorar um 3 Cent pro Packung angehoben werden. Ein Hoffnungsschimmer für die Apotheken? Wie wäre es damit: Keine Engpassprämie, dafür das Packungshonorar um 3 Euro anheben. Schönes Wochenende!

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