Zyto-Ausschreibung

Retax-Rätsel in Hessen

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Berlin -

Seit einigen Tagen läuft in Hessen die erste Zyto-Ausschreibung der AOK.

Bundesweit wird das Geschehen mit großem Interesse verfolgt: Wenn die zeitnahe

Versorgung mit patientenindividuellen Sterilrezepturen auch auch in

ländlichen Regionen reibungslos funktioniert, könnten schnell Kassen in

anderen Ländern nachziehen. Doch wie vor anderthalb Jahren die Barmer in

Nordrhein-Westfalen muss auch die AOK in Hessen mit handfestem

Widerstand seitens der Leistungserbringer rechnen.

Der Hessische Apothekerverband (HAV) weist darauf hin, dass nach den Ausschreibungsunterlagen der AOK das Recht der Versicherten auf freie Apothekenwahl nicht berührt wird. Dass die Kasse trotzdem angekündigt hat, Lieferungen aus anderen Apotheken nicht zu vergüten, kann man in Offenbach nicht verstehen: Nach Ansicht der Apotheker besteht kein Rechtsgrund für eine Verweigerung der Vergütung. Der Verband hat die AOK daher um Klarstellung gebeten.

Laut Kasse sind ausschließlich Zuschlagsgewinner zur Belieferung und Abrechnung von Sterilrezepturen berechtigt. „Sollten wir dennoch im Einzelfall Sachverhalte feststellen, dass wir zu unrecht eine Belieferung durch eine Apotheke, die nicht Ausschreibungsgewinner ist, retaxiert haben, wird das natürlich durch unser Haus geheilt werden“, heißt es relativierend im Antwortschreiben.

Einen Widerspruch kann die Fachabteilung nicht erkennen: „Wir gehen davon aus, dass es sich, wenn, dann tatsächlich lediglich um Einzelfälle handeln dürfte.“

Dass Ausschreibungen für Dienstleistungen von Apotheken auf wackeligen Beinen stehen, findet man auch beim Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA). Im Bereich der Arzneimittelversorgung durch Apotheken seien Einschränkung im Leistungsrecht für die Versicherten nicht zulässig, so der Verband.

Im Gegensatz zum Bereich der Hilfsmittelversorgung werde die Apothekenwahlfreiheit im Sozialgesetzbuch V gerade nicht in Frage gestellt, argumentieren die Zytoapotheker. Demnach können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag gilt, frei wählen.

Dieser Grundsatz gelte auch für die onkologische Versorgung, bestehend aus behandelndem Arzt und der die Zubereitung herstellenden Apotheke. Der Verband verweist auf entsprechende Gerichtsurteile der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf, von dem es allerdings auch eine gegenteilige Entscheidung gibt.

„Gerade im Bereich der onkologischen Versorgung haben die Versicherten ein hohes Interesse daran zu wissen, dass die Kooperation zwischen ihrem Onkologen und der sie in Absprache mit dem Onkologen versorgenden Apotheke funktioniert und auf verlässlicher Basis erfolgt“, argumentieren die Zytoapotheker.

Im Grunde bestehe daher immer ein berechtigtes Interesse an der entsprechenden Wahlfreiheit der Versicherten. Auch die AOK Hessen habe in ihren Ausschreibungsunterlagen klar zu verstehen gegeben, dass sie dieses anerkenne, so der VZA.

Auch die Ärzte hatten sich schon vor Vertragsbeginn gegen die Ausschreibung positioniert: Patienten hätten das Recht auf die notwendige Therapie, hieß es in einer Mitteilung des hessischen Landesverbands des Hartmannbundes und der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP). Entscheidend sei hierbei die effektive Nutzung der Qualifikationen der Mediziner – „ohne übergeordnete einseitige wirtschaftliche Beeinflussung durch die Kassen.“

Bei ihrem Modellprojekt in NRW musste die Barmer ähnliche Erfahrungen machen. Im Sommer 2012 waren die Exklusivverträge nach nur wenigen Monaten von den Apothekern gekündigt worden. Aufgrund mangelnder Akzeptanz bei den 19 beteiligten Ärzten habe die Ausschreibung nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt, erklärte damals ein Barmer-Sprecher. „Die Umsteuerung der Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Zytostatika auf Apotheken der Bietergemeinschaft gelingt aus diesem Grunde nicht in einem zufriedenstellenden Maße.“

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