Hilfsmittel

Zuweisungsverdacht: Gericht glaubt Apotheker nicht

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Berlin -

Ein Apotheker aus Essen hatte Verdacht geschöpft: Immer wieder waren Patienten aus der phlebologischen Praxis im selben Haus gekommen – und bereits mit Kompressionsstrümpfen aus einem Sanitätshaus versorgt. Er schaltete die Ärztekammer ein, die eine Rüge gegen den Arzt aussprach. Allerdings zu Unrecht, wie inzwischen das Verwaltungsgericht Köln (VG) entschieden hat. Die Richter glaubten nicht, dass der Arzt seine Patienten an das Sanitätshaus verwiesen hat.

Die Geschichte begann bereits 2009, als sich der Mediziner an die Ärztekammer wandte. Er bat damals um Prüfung eines Kooperations- und Beratervertrags mit einem Sanitätshaus: In der Arztpraxis sollte ein Notfalldepot mit Hilfsmitteln eingerichtet werden und für Beratungsleistungen sollte der Arzt knapp 3000 Euro im Monat erhalten. Die Ärztekammer erteilte dem Beratervertrag eine Absage und betonte, dass die Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln nur in Notfällen erlaubt sei.

Zur gleichen Zeit, im Herbst 2009, soll für einige Monate ein Werbeplakat des Sanitätshauses neben dem Arztschild vor der Praxis gehangen haben. Der Apotheker erklärte außerdem, dass Mitarbeiter des Sanitätshauses fast täglich die Praxis aufsuchten, um Messungen für die Kompressionsstrumpfanpassung vorzunehmen.

Für die Ärztekammer schien die Sache klar: Gegen den Arzt wurde 2012 eine Rüge ausgesprochen, weil er ohne hinreichenden Grund Patienten an einen bestimmten Anbieter verwiesen haben soll. Durch die Größe und Platzierung des Werbeplakats seien Patienten in unzulässiger Weise beeinflusst worden. Schließlich dürften Empfehlungen nur dann ausgesprochen werden, wenn sich aufgrund der speziellen Bedürfnisse eines einzelnen Patienten besondere Vorteile böten. Generelle Erwägungen würden nicht anerkannt.

Doch der Arzt wehrte sich gegen die Rüge: Das Schild habe das Sanitätshaus aufgehängt, um die eigenen Räume in dem Gebäude mit einer Wegbeschreibung zu bewerben. Außerdem habe er das Sanitätshaus lediglich einzelnen Patienten „aufgrund besonderer Qualifikationen im Bereich der Kompressionsstrumpfversorgung“ empfohlen – und dem liege ein spezielles Bedürfnis der Patienten zugrunde.

Der Arzt bestritt, dass „fast täglich“ Mitarbeiter des Sanitätshauses in seiner Praxis waren. Die Vermutung, dass die Angestellten des Sanitätshauses das Alltagsgeschäft bedienten, beruhe nur auf den Aussagen des Apothekers, seiner Frau und einer ehemaligen Auszubildenden der beiden. Es sei aber fraglich, wie belastbar diese Schilderungen seien: Die Glaubwürdigkeit der Zeugen sei zweifelhaft, so der Arzt.

Im August 2013 hatte das Berufsgericht noch der Ärztekammer recht gegeben und den Antrag auf Nachprüfung zurückgewiesen. Doch der Arzt legte Beschwerde ein. Mit Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) entschied im August 2015, dass das VG Zeugen und Sachverständige hätte anhören müssen, und verwies den Fall zurück.

Das Berufsgericht schenkte den Ausführungen des Apothekers keinen Glauben: Er und seine Frau widersprachen sich bei der Angabe, wie oft Patienten bereits Kompressionsstrümpfe erhalten hatten. Während sie von vier bis fünf Fällen pro Woche sprach, ging er von einem Fall in einer Woche bis zehn Tagen aus. Bei 45 bis 50 Patienten pro Tag ist es aus Sicht des Gerichts aber „bereits rein statistisch“ nachvollziehbar, dass es sich bei einem pro Woche um einen Notfall oder um besonders komplexe Einzelfälle gehandelt haben kann.

Das Argument der Apothekerin, es habe sich bei den vermeintlichen Notfällen keineswegs um frisch operierte Patienten gehandelt, ließen die Richter nicht gelten. Ihr Verständnis von einem Notfall sei offenbar zu eng, befanden sie. Der Arzt habe erläutert, dass Patienten mit einem Ödem zunächst mit einem Zinkleimverband und anschließend im Liegen mit Kompressionsstrümpfen versorgt würden. Auch dabei handele es sich um eine notfallmäßige Versorgung.

Die Apothekerin hatte noch vorgebracht, dass Patienten in der Apotheke erschienen und bereits mit einem Jahresbedarf an Strümpfen ausgestattet gewesen seien. Allerdings habe sie keine Angaben zu der Häufigkeit machen können, monierten die Richter. Zudem sei es denkbar, dass Patienten früher im Rahmen einer Notfallversorgung mit der Firma in Kontakt gekommen seien und nun eine Versorgung erbeten hätten.

Insgesamt stellten die Richter fest, dass „nicht mit hinreichender Sicherheit“ festgestellt werden könne, dass der Arzt Patienten ohne hinreichenden Grund an das Sanitätshaus verwiesen habe. Dagegen spricht aus ihrer Sicht auch nicht das Schild am Praxiseingang. Es sei nicht auszuschließen, dass die Notfallversorgung und die Versorgung besonders komplexer Fälle einen Umfang habe, der die Firma veranlasst habe, das Schild anzubringen. Ein zwingender Rückschluss auf einen unzulässigen Umfang der Verweisung sei nicht möglich.

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