Wann kommen die versprochenen 9,50 Euro? Noch vor der Sommerpause oder doch erst im Herbst? Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU, verspricht eine zeitnahe Lösung – allerdings in einem Zug mit Skonto und Retax. Für sie gibt es noch ein anderes Thema, das Priorität hat, nämlich die Lieferbedingungen im Versandhandel. Hier müssten ganz klare Regularien geschaffen werden, es gehe nicht nur um Medikamentensicherheit, sondern auch um Versorgungs- und Qualitätsverbesserung, betont sie im Interview mit APOTHEKE ADHOC.
Laut Borchardt sind alle Themen, die im Koalitionsvertrag festgehalten wurden, realistisch. „Sonst hätten wir sie nicht aufgenommen.“ Jetzt schon sei man in Gesprächen, was die Apotheken angehe, das stehe auch auf der Tagesordnung von Ministerin Nina Warken (CDU).
Einen konkreten Termin, wann das Honorar angepasst werden könnte, wollte sie nicht nennen. Das Thema vorab schon einmal über die Arzneimittelpreisverordnung zu regeln, findet sie nicht gut: Sie sei kein Freund davon, einzelne Stellschrauben anzupassen, sondern das Thema systemisch und ganzheitlich zu beantworten. Es gehe hier nicht schließlich nicht nur um das Honorar, sondern auch um Skonto und Regresse.
„Wir brauchen da wirklich eine Lösung aus einem Guss“, betont sie. Man sei aber auch mit dem Wirtschaftsministerium im Gespräch. Sie sei zuversichtlich, dass man eine gute, vor allem zeitnahe Lösung finden werde.
ADHOC: Was ist aus Ihrer Sicht realistisch umsetzbar von den im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen?
BORCHARDT: Wir haben die Maßnahmen in den Koalitionsvertrag eingebracht, weil wir sie alle für realistisch halten. Sonst könnte man uns unterstellen, wir verhandeln ins Blaue hinein. Es gibt natürlich die eine oder andere Maßnahme, die man jetzt vorziehen könnte. Und ich könnte mir vorstellen, dass man das Thema Versandhandel vorzieht, weil das erst einmal kostenneutral ist, wir aber den Apotheken da genug Freiheit verschaffen würden, damit sie wirtschaftlich ein bisschen besser durchatmen können.
Und es ist wirklich ein Riesenproblem, weil der Versandhandel und die Apotheken vor Ort mit ungleichen Schwertern kämpfen. Alleine wenn wir uns das Thema Lieferung anschauen: Wie wird so ein Medikament geliefert – mit Kühlkette und Ähnlichem? Wenn ich sehe, was unsere Apotheken für Restriktion haben...
Der Apotheker greift zum Hörer, bespricht das mit dem Arzt, kümmert sich um alles.
Wenn Patienten die Rezepte zu ihrer Versandapotheke schicken, dann haben die das Medikament nicht, dann kriegen sie es ein paar Tage später zurück. Dann gehen sie zu der Hausapotheke vor Ort, möchten beraten werden. Der Apotheker greift zum Hörer, bespricht das mit dem Arzt, kümmert sich um alles. Und das kann es unseres Erachtens nach nicht sein. Hier müssen wir politisch ganz klare Regularien schaffen. Da haben wir nicht nur Medikamentensicherheit, sondern auch Versorgungs- und Qualitätsverbesserung, denn das Medikament unterliegt ganz starken Lieferregularien. Und die Menschen werden natürlich besser versorgt.
Es ist jetzt Aufgabe der Politik, das vernünftig glatt zu ziehen. Nur sieben Länder innerhalb der EU lassen diesen Versandhandel so zu, alle anderen haben das unterbunden. Da sehe ich hier wirklich einen sehr großen Ansatz, die Apotheken vor Ort zu unterstützen. Die sind Infrastruktur, wir brauchen sie. Sie beraten die Patienten, sie beraten sie niederschwellig und das vergessen und blenden wir oft aus.
ADHOC: Wenn Sie sagen, dass man diese Maßnahmen vorziehen könnte: Wann könnten die Apotheken damit ersten konkreten Maßnahmen rechnen?
BORCHARDT: Wichtig ist: Wir sind jetzt schon im Gespräch, und die Ministerin hat das Thema jetzt schon auch auf der Tagesordnung. Und jetzt geht es darum, das vernünftig alles abzustimmen innerhalb der Koalition, damit wir dann möglichst schnell die PS auf die Straße bringen.
Und da sind wir im Gespräch und da werden wir auch eine gute und vor allem zeitnahe Lösung finden.
ADHOC: Ein anderes Thema, was bei den Apotheken jetzt natürlich auch sehr in den Vordergrund gebracht wird, ist die angekündigte Honorarerhöhung. Die könnte nämlich eigentlich in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium, denn das Apothekerhonorar liegt, auch per Verordnung vorgezogen werden. Wäre das auch etwas, was separat von den anderen komplexeren Maßnahmen frühzeitig in Angriff genommen werden könnte?
BORCHARDT: Dazu müssen wir natürlich jetzt mit dem Wirtschaftsministerium kurzfristig ins Gespräch gehen. Es sind viele Sachen im Koalitionsvertrag – es ist nicht nur das Fixum, es ist auch das Thema Skonto, auch das Thema Regress, wo die Apotheker ein sehr großes Risiko finanziell eingehen. Und das müssen wir als Gesamtheit sehen. Ich bin kein Freund davon, einzelne Stellschrauben anzugehen, sondern das systemisch zu beantworten.
Wie gesagt, beim Thema Versandhandel sage ich, das ist relativ unkritisch. Aber ansonsten brauchen wir wirklich eine Lösung aus einem Guss. Da müssen wir schnell sein, auch mit dem Wirtschaftsministerium. Und da sind wir im Gespräch und da werden wir auch eine gute und vor allem zeitnahe Lösung finden. Wir haben es im Koalitionsvertrag, weil wir es umsetzen möchten. Ich sehe die Apotheken nicht nur als sehr große Stellschraube im Gesundheitssystem, sondern auch, dass wir sie noch stärker in die systemische Versorgung mit einbeziehen können. Und das halte ich für einen sehr großen Hebel, den wir nutzen können.
ADHOC: Wie müssten die Apotheken denn Ihrer Meinung nach noch weiter langfristig Teil des Gesundheitssystems werden? Also wo wären noch Kompetenzen, die Sie jetzt erweitern würden?
BORCHARDT: Apotheken können und dürfen auch schon impfen. Das ist natürlich ein Riesenthema, was wir natürlich weiter bespielen müssen. Aber Apotheken könnten auch bei der Versorgung von Bagatellsachen herangezogen werden – bei Chronikern zum Beispiel. Da ist für mich die Frage: Muss jeder Chroniker unbedingt quartalsweise zum Arzt? Wenn sich der Blutdruck oder der Zucker nicht verändern, kann der Apotheker das Medikament nach Beratung sofort ausgeben und die Daten im Rahmen der Telemedizin an den Arzt weiterleiten. Die sind ständig im Gespräch mit den Ärzten und könnten einen großen Teil der Versorgung, der Bagatellversorgung und der Chronikerversorgung, ein Stück weit mit abfedern.
Und ich bin mir sicher, wir müssen auch darüber nachdenken, dass wir eben solche Bereiche aus der hausärztlichen Versorgung ein Stückweit entlasten, damit wir eben in Zukunft wirklich eine Versorgungsqualität für die Menschen, die wirklich richtig krank sind, auch sicherstellen können.
ADHOC: Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, die Rahmenbedingungen und die Honorierung unter anderem für Telepharmazie zu verbessern. Was genau verstehen Sie unter dem Begriff Telepharmazie und wie sieht aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Umsetzung dieser Praxis aus?
BORCHARDT: Wir haben auch im Bereich der Telepharmazie gute Ideen. Telepharmazie ist dazu da, dass wir auch den Kontakt zu den Ärzten halten, über die telemedizinische Verschreibungspflicht. Wir können Daten übermitteln, der Apotheker kann Medikamente austauschen. Das können die Mitarbeitenden, denn sie sind richtig gut qualifiziert. Und wir müssen ihnen auch zugestehen, dass wir ihnen diese Kompetenzen überlassen.
Natürlich muss man da mit anderen Akteuren am Markt noch reden, aber ich finde es wichtig. Jeder sollte das im Rahmen seiner Kompetenzen Mögliche auch möglich machen. Und da ist Telemedizin beziehungsweise Telepharmazie ein Riesenthema. Aber wir haben das natürlich auch in anderen Bereichen, wo Telemedizin und Telepharmazie zu Verwerfungen führen, wenn ich nur an das Thema Krankschreibung oder Cannabis-Verschreibung, denke. Auch da müssen wir mal genauer hinschauen, ob das so wie es jetzt ist, richtig ist – und das ist es nicht. Da müssen das wieder in reguläre Bahnen zurückführen.
ADHOC: Wie kann gewährleistet werden, dass Telepharmazie nicht primär dem Versandhandel zugute kommt, sondern eben die Vor-Ort-Apotheken stärkt?
BORCHARDT: Das ist ganz einfach, indem wir Telepharmazie nur möglich machen, wenn eine ortsansässige Apotheke angedockt ist. In Deutschland ist es so, dass unsere Apotheken immer einem Apotheker gehören müssen, die Kompetenz da ist. Das können wir beim Versandhandel nicht sicherstellen, was da verpackt wird, wer es verpackt, was da ankommt. Und wenn wir das berücksichtigen – diese Regularien, die ein Stück Qualitätssicherung sind – und sie als Notwendigkeit ansehen, dann haben wir da eine automatische Qualitätssicherung und würden damit die Apotheken vor Ort stärken.