Hessen

Grüttner will Apotheken digitalisieren

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Berlin -

Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) besuchte die Beyl’sche Apotheke Bad Emstal, um sich über die Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum zu informieren. Die Landapotheke stellt mit Botendienst, Rezeptsammelstelle, Bürgerbus und ausgeprägter Kundenorientierung die Versorgung der Bevölkerung sicher. Grüttner lobte zwar das Engagement der Apotheke. Konkrete Versprechen, wie der Fortbestand von Landapotheken gesichert werden soll, gab es aber nicht. Nur so viel: Bewährte Wege der Arzneimittelversorgung auf dem Land sollen in Zukunft um Telemedizin erweitert werden.

In Bad Emstal bekam Grüttner einen Eindruck, wie gut die Versorgung im ländlichen Raum funktionieren kann. Zwar macht der Versandhandel auch der alteingesessenen Apotheke Konkurrenz, kann ihr aber im Servicebereich nicht das Wasser reichen. Im Notfall böten die Versandapotheken keine Hilfe, Rezepturen auf ärztliche Anweisung erhielten die Patienten nur beim Pharmazeuten in der Heimat, führte Hella Beyl dem Landesgesundheitsminister vor Augen. Die Beratung sei eben die besondere Stärke der Vor-Ort-Apotheken. Gemeinsam mit ihrer Mutter führt die Apothekerin zwei Apotheken in Bad Emstal und in Naumburg.

Die Apothekerin präsentierte Grüttner das umfassende Angebot der Apotheke für die Menschen in und um Bad Emstal. So habe man in Balhorn eine genehmigte Rezeptsammelstelle, die mittags und um 17 Uhr geleert werde. Medikamente, die nicht vorrätig seien, würden bestellt, alle zwei Stunden werde die Apotheke beliefert. Zum Service gehöre auch, dass die Medikamente den Kunden auf Wunsch nach Hause geliefert werden.

Was gerade für die älteren und nicht mobilen Leute wichtig ist: In Bad Emstal gibt es einen Bürgerbus, ein kostenloses Angebot der Gemeinde, mit dem auch Arztbesuche und ein Besuch in der Apotheke ermöglicht werden. Auch in der ärztlichen Versorgung geht man in Bad Emstal neue Wege. Mediziner Ralf Wittwer präsentierte sein Modell mit mehreren Praxisstandorten und angestellten Ärzten. „Junge Mediziner wollen ein regelmäßiges Einkommen, ausreichend Urlaubstage und eine sichere Anstellung“, sagte er. Damit bekomme man auch künftig Ärzte in die Praxen auf dem Land.

„Ärzte und Apotheker sind zentral für die medizinische Versorgung von Menschen, und zwar beide gleichermaßen“, sagt Beyl. Dass die Gesundheitsversorgung in Bad Emstal so gut funktioniere, verdanke man der ausgezeichneten Kommunikation zwischen allen Akteuren. Man begegne sich eben auf Augenhöhe. „Der kollegiale Austausch läuft hier reibungslos. Wir vertrauen uns und schätzen uns sehr“, so die Apothekerin.

Das gelte auch für die Patienten und Kunden der Gesundheitseinrichtungen. „Wir kümmern uns um die Menschen und sie kommen gern zu uns, weil sie sich hier gut aufgehoben fühlen und es zu schätzen wissen, dass es hier im Ort noch eine Apotheke und Ärzte gibt“, sagt Beyl. Die Apothekerin ist stolz auf ihren großen und treuen Kundenstamm. „Wir leisten und geben viel und bekommen auch etwas zurück“, sagt sie und nimmt die Apothekerschaft in die Pflicht: „Neben der Politik müssen auch wir, Apotheker, etwas für unseren Erfolg tun.“

Obwohl sich Grüttner sehr interessiert und aufgeschlossen gezeigt habe, habe er erwartungsgemäß keine konkreten Versprechen gemacht, räumt die Apothekerin ein. Der Besuch habe vielmehr der Ideensammlung gedient. „Er wollte sich informieren, wie Apotheken und medizinische Versorgung vor Ort gestärkt werden können“, berichtet Beyl.

Dabei will Hessen in Zukunft offenbar zunehmend auf Telemedizin setzen. „Wir werden die Digitalisierung des Gesundheitswesens intensiv voranbringen, um auch in ländlichen Regionen die medizinische Versorgung sicherzustellen“, kündigte Grüttner an. Das hessische Ministerium für Soziales und Integration verweist dabei auf ein Projekt des Hessischen Apothekerverbands (HAV) und Rechenzentrums ARZ Darmstadt.

Gemeinsam haben diese einen digitalen Bestellservice per App eingerichtet, bei der der Patient sein Rezept per Smartphone einscannt und an eine Apotheke seiner Wahl schicken kann. Dort kann es abgeholt oder per Bote geschickt werden. Ab dem dritten Quartal sollen interessierte Apotheken diesen Service in Hessen anbieten können. Wichtig sei hierbei, dass zwischen Patient und Apotheke eine gesicherte Verbindung aufgebaut beziehungsweise verschlüsselt kommuniziert werde, um die Datensicherheit zu gewährleisten.

Auch Beyl ist eine datenschutzrechtlich einwandfreie Verbindung wichtig. Deshalb sei für sie eine Vorbestellung per Whatsapp, wie sie in vielen deutschen Apotheken mittlerweile üblich sei, nicht in Frage gekommen. Stattdessen können Kunden der Beyl’sche Apotheke ihre Medikamente über eine App vorbestellen. „Die App wird immer mehr genutzt“, berichtet die Apothekerin. „Vor allem jüngere Kunden, die nicht mehr in Bad Emstal, sondern in Kassel arbeiten, nutzen solche sicheren Kommunikationskanäle gern.“

„Moderne Kommunikationstechnologien werden eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer weiterhin wohnortnahen, medizinisch hochwertigen Versorgung der Zukunft spielen“, ist sich Grüttner sicher. Auch für weitere Projekte zur Digitalisierung stehe die Landesregierung in regem Austausch mit HAV und der Landesapothekerkammer, so der Mediziner.

Dass es selbst die pfiffigsten Zukunftsmodelle nicht leicht haben, wenn sie auf eine schnelle Datenübertragung angewiesen sind, habe der Minister schon auf dem Weg nach Bad Emstal feststellen müssen, berichtet indes die Hessische Niedersächsische Allgemeine Zeitung. Mobiles Telefonieren, so die Erfahrung des Ministers, sei angesichts von Funklöchern auf dem Weg bis in die Thermalbad-Gemeinde jedenfalls nur sporadisch möglich gewesen.

Wenn also in Zukunft nicht nur der Kontakt zwischen der Stammapotheke und dem Kunden über bereits nutzbare Mobilfunk-Apps enger und noch reibungsloser gestaltet und über die Telemedizin auch die ärztliche Versorgung in der Fläche gestärkt werden sollen, müsse die digitale Infrastruktur massiv verbessert werden, betonte der Minister bei seinem Besuch in der Beyl’schen Apotheke.

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