Schlagabtausch mit Piechotta

Phagro: Gegen Versender und dm

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Berlin -

Mit nur drei Forderungen geht der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) in den Wahlkampf – doch diese prägnant formulierten Punkte decken einen großen Bereich der Herausforderungen ab. Auch die Interessen der Apotheken werden stark vertreten. Denn insbesondere beim Thema ausländische Versender haben beide Partner dieselben Probleme.

Wie die Apotheken stehe auch der Großhandel vor wirtschaftlichen Herausforderungen erklärte der Phagro-Vorsitzende Marcus Freitag. Zwar wachse der Arzneimittelmarkt, doch das hauptsächlich im Bereich der hochpreisigen Arzneimittel. Das führe zu einer Margenverschlechterung und stelle sowohl den Großhandel als auch die Apotheken vor große Herausforderungen. Klar kritisierte Freitag die „Rosinenpickerei“ im Markt: So müssten Großhandel und Apotheken in Deutschland zahlreiche Vorschriften beachten, während ausländische Versender nicht kontrolliert würden. Als Beispiel nannte er die ununterbrochene Kühlung bei der Auslieferung von Medikamenten. Ungerecht, findet Freitag.

Die Folgen seien in der Apotheke klar an der Ertragsverteilung zu sehen: „Früher gaben die Apotheken 70 Prozent Rx und 30 Prozent Non-Rx ab. Heute liegt das Verhältnis bei 90 Prozent Rx und nur noch 10 Prozent Non-Rx. Gerade die teureren lukrativen Non-Rx-Produkte verschwinden zunehmend aus der Apotheke und landen bei den niederländischen Versendern oder demnächst vielleicht bei Drogerieketten wie dm – dem „Endgegner“, wie Freitag sagte. „Das ist ein großes Problem für den Großhandel und die Apotheken vor Ort“, so Freitag. Daher sei es die Aufgabe der Politik alles zu tun, um die Vor-Ort-Apotheken zu stärken.

Doch das sieht Gesundheitspolitikerin Dr. Paula Piechotta (Grüne) anders: „Man kann den Wettbewerbern nicht einfach die Grundlage entziehen“, erwiderte sie. Auch die geforderte Gleichbehandlung, was die Anforderungen an den Transport angeht, sieht Piechotta kritisch: Das nämlich würde viel neue Bürokratie erzeugen, warnte sie. Und was dm angehe: Die Diskussion finde sie spannend, aber aus der Apothekerschaft habe sie dazu bislang wenig gehört.

Er hätte mit den Versendern auch keine Probleme, wenn man sich im Bereich in einem freien Markt befände, betont Freitag. Doch das tue man nicht: Apotheken und der Großhandel agierten in einem staatlich stark regulierten Markt: „Wenn die Apotheken wirtschaftliche Probleme haben, sollte man sie stärken, indem man auch die lukrativen Produkte in der Apotheke hält.“ Verbraucher könnten vor allem deswegen günstiger in den Niederlanden bestellen, weil man dort die GDP-Vorgaben schlichtweg nicht beachten müssen.

„Wir können nicht beliebig Geld in ein System stecken“, räumte Freitag ein. „Warum lassen wir es politisch zu, dass Rosinenpickerei betrieben wird? In den Niederlanden gibt es Versandhändler, die den Apotheken hier Marktanteile abnehmen.“ Er fügte hinzu: „GDP-konforme Transporte sind teurer, und wenn sie verpflichtend werden, geht der Versandhandel automatisch zurück.“

Diskussion seit 2016 eingeschlafen

„Die Diskussion um ein Verbot des Versandhandels ist seit 2016 in der Politik eingeschlafen“, gestand Dr. Georg Kippels (CDU). Damals habe man angenommen, der Versandhandel werden die Apotheken nur peripher treffen, außerdem habe er als modern gegolten. „Diese Annahmen müssen neu geprüft werden. Es wird Konkurrenz mit Rx-Produkten geschaffen – das muss auch auf EU-Ebene geregelt werden.“

Laut Kippels nutzt der Versandhandel GKV-Mittel, um den Apotheken Konkurrenz zu machen. „Die Rabatte werden immer noch gewährt!“ Auf EU-Ebene finde aber keine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema statt, weil alles unter dem Aspekt des Binnenmarktes gesehen werde. Alles andere werde automatisch als europafeindlich abgestempelt. „Aber als leidenschaftlicher Europäer muss ich mich doch auch kritisch mit der EU auseinander setzen.“

Umgehendes Veto von Piechotta: Natürlich müsse man sich Europa fügen und der EU alles unterordnen, denn sie sei der einzige Trumpf, den man noch habe. „Wir können den Binnenmarkt doch nicht in Frage stellen.“ In der aktuellen geopolitischen Situation können man keinen deutschen Sonderweg einschlagen, von dem nur einzelne Branchen oder Teile davon profitierten. „Ich erkenne die Probleme im Bereich der Versandapotheken an, aber ich bin nicht dafür, den Versandhandel abzuschaffen.“

Verbot vereinbar mit EU-Recht?

Freitag konterte: „Es gibt EU-Mitgliedstaaten, in denen der Versandhandel nicht erlaubt ist. Offenbar kann das auf nationaler Ebene geregelt werden.“ Aber seiner Meinung nach ist die Regierung in Berlin gefragt: „Wenn wir das Thema auf eine europäische Bühne heben, dauert es viel zu lange, bis Entscheidungen getroffen werden“, warnte er.

Man akzeptiere, dass der Versandhandel nicht gänzlich verboten werde. „Aber dann sorgen Sie doch wenigstens dafür, dass wir mit gleichen Voraussetzungen agieren können“, betont Freitag. „Das wäre schließlich das Minimum.“

Kleine Apotheken stärken

Auf die Frage, wie die Apotheken konkret gestärkt werden könnten, antwortete Piechotta vage. „Die Einkommensschere wird immer größer – insbesondere durch hochpreisige Medikamente, bei denen Apotheken ganz andere Margen haben. Gleichzeitig gibt es immer mehr kleine, arme Apotheken, besonders im ländlichen Raum.“

Sie könne sich eine bessere Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) vorstellen, um die Einkommensschere zu schließen und diejenigen Apotheken zu stärken, die stärker in die Versorgung eingebunden seien. Und man wolle das Honorar auch „ein kleines bisschen“ umverteilen. Konkrete Vorschläge machte die Abgeordnete jedoch nicht.

Skontoregelung

Auch das Skonto-Verbot wurde thematisiert worden. „Die Situation hat sich für den Großhandel etwas verbessert, während sie sich für die Apotheken verschlechtert hat“, erklärte Freitag. Das müsse man lösen, aber: „Der Großhandel ist nicht dafür da, die wirtschaftliche Situation der Apotheken zu sichern. Das ist die Aufgabe des Staates“, stellte er klar.

Dr. Georg Kippels (CDU) würde auch noch einmal über das Thema Versandhandel sprechen wollen.Foto: APOTHEKE ADHOC

Schließlich ging es noch um die Rabattverträge, die laut Freitag unglaublichen Mehraufwand bei Großhandel und Apotheken erzeugten. Nirgends in Europa gebe es so viele Anbieter eines bestimmten Wirkstoffs wie hierzulande. Und sie alle müssten wegen der Ausschreibungen vorrätig gehalten werden. Abgesehen davon seien Generika gar nicht das Problem, vielmehr seien es die Hochpreise, die das System sprengten.

Piechotta sprach sich dafür aus, noch größere Konsortien seitens der Kassen bei den Ausschreibungen zuzulassen. Dann sinke der logistische Aufwand für die Beteiligten, während die Kassen noch mehr Geld sparen könnten.

Kippels konterte, dass es schon jetzt eine Marktverengung auf der Seite der Anbieter gebe. Die ursprüngliche Idee, bessere Preise zu generieren, sei ad absurdum geführt. „Arzneimittel sind ein wertvolles Produkt, da muss sich die Herstellung doch wenigstens lohnen.“

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