Dispensierrecht

Das Tier im Patienten

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Berlin -

Manche Menschen behandeln ihr Tier wie ein Kind. Da gibt es Anoraks gegen die Kälte, Leckerli aus dem Delikatessenladen und nach dem Ableben eine Beerdigung inklusive Grabstein. Auf der anderen Seite stehen Massentierhaltung und mit Antibiotika vollgepumpte Masthähnchen. Und irgendwo dazwischen stehen Tierärzte mit ihrem Dispensierrecht, über das zum Jahresende noch einmal intensiv diskutiert wurde. Die Veterinärmediziner führen fleißig Argumente für ihr Sonderrecht an – doch nicht alle sind stichhaltig.

Grundsätzlich sollte es um die Frage gehen: Was ist am besten für das Tier? Die Tierärzte finden, eine schnelle Behandlung durch einen Experten – also sie selbst. Wenn die Tierärzte selbst das Arzneimittel verkaufen, hat das natürlich Vorteile für den Tierhalter: Er muss nicht extra in die Apotheke fahren und kann sich direkt beim Arzt erklären lassen, wie er das Präparat seiner geliebten Tarantel verabreichen soll.

Und die Apotheker bemühen sich derzeit nicht unbedingt um das Marktsegment. Bei der ABDA glaubt man an das Gute im Tierarzt und ist überzeugt, dass die meisten Medikamente sachgerecht verschrieben werden. Also kann man sich den ganzen Stress getrost ersparen, zumal am Ende wohl ohnehin nur wenige Spezialisten profitieren.

In der Jägerstraße sieht vor allem die Probleme, die Tierarzneimittel für die Apotheker mitbringen würden: Da wäre zum einen die Logistik – gerade Mastbetriebe versorgt man nicht eben nebenbei. Zumal es bei einer Infektion von Tieren in großen Herden auch einmal schnell gehen muss. Da ist es unpraktikabel, wenn der Bauer erst in die Apotheke drei Dörfer weiter fahren und sich dort erklären lassen muss, dass man mehrere Kilogramm Antibiotika nicht vorrätig habe, aber bestellen könne.

Zum anderen ist da das Problem mit der Ausbildung. Die bereitet Apotheker derzeit nicht unbedingt darauf vor, Fragen zur Dosierung bei Hunden, Schlangen oder Zwergponys oder zur Wirkweise von Arzneimitteln unter verschiedenen Temperatur- und Luftfeuchtigkeiten oder als Bestandteil von Futtermitteln zu beantworten. Schließlich sollen Apotheker auch nicht die Experten für Terrarien oder Wiederkäuer sein, sondern für Arzneimittel.

Genau darin liegt aber auch eine Gefahr, wenn die ABDA die Tierarzneimittel widerstandslos den Tierärzten überlässt. Dann sind die Apotheker nämlich doch nicht mehr DIE Experten für Arzneimittel, sondern nur Experten für die meisten Arzneimittel.

Terrainverluste sind derzeit an vielen Fronten zu beobachten, etwa bei Medizinprodukten oder Zytostatika, die nicht mehr nur in der Verantwortung der Apotheker liegen. Bei den Tierarzneimitteln droht ähnliches: Auf EU-Ebene werden Tierarzneimittel bereits nicht mehr unter dem Dach der Humanmedizin diskutiert.

Zugegeben: Tierarzneimittel sind schon seit fast 800 Jahren nicht mehr primär Sache der Apotheker sind – so regelt es ein Nachtrag zum Edikt von Salerno. Doch die ABDA vergibt nun zumindest die Chance, neue Aufgabenfelder zu erschließen und die Trennung von Arzt und Apotheke grundsätzlich zu stärken. Schließlich stellt sich schon die Frage, warum Menschen auf die vermeintlichen Vorteile der Selbstdispensation verzichten sollen, die Tierärzte derzeit anbringen.

Aus einem einfachen Grund: Weil man eben nicht davon ausgehen kann, dass der Tierarzt nicht doch die Chance nutzt und ein paar Pillen mehr als unbedingt notwendig an den Hund bringt. Den Eindruck hat zumindest mancher Tierhalter, der grundsätzlich nicht ohne ein Antibiotikum in der Tasche, dafür mit deutlich weniger Geld im Portemonnaie nach Hause geht. Auch prinzipiell spricht daher einiges dafür, dass der Arzt an seiner Verordnung nicht verdienen soll – auch wenn die Versorgung dadurch womöglich umständlicher wird.

Zumindest deshalb könnten sich Apotheker um das Thema Tierarzneimittel etwas mehr bemühen. Immerhin geht es um einen Markt, auf dem 2013 rund 750 Millionen Euro umgesetzt wurden.

Die Debatte um das Dispensierrecht hat mit dem Wunsch begonnen, Antibiotikaresistenzen zu verhindern – das gelingt zugegebenermaßen auch in der Humanmedizin mit ihrer Trennung von Abgabe und Verordnung nicht. Wenn Tierärzte nicht mehr an ihrer Verordnung verdienen, könnte das aber ein Schritt in die richtige Richtung sein.

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