Statt Panthenol verwendet

Emla-Creme: Säugling erhält Überdosierung

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Berlin -

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) informiert mit einer Bekanntgabe über eine aufgetretene Überdosierung von Emla-Creme (Lidocain/ Prilocain, Aspen) bei einem Säugling. Diese ging mit einem Sauerstoffmangel einher und machte eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig. Die AkdÄ informiert daher erneut über Anwendung und Risiken von LP-Cremes.

Der AkdÄ wurde der Fall eines sieben Monate alten Jungen gemeldet. Bei ihm war vier Wochen zuvor ambulant eine Beschneidung vorgenommen worden. Im Zuge dessen wurde Emla-Creme zur Lokalanästhesie verordnet. Nach dem Eingriff wurde die Wunde zunächst mit einer panthenolhaltigen Zubereitung gepflegt. Als diese aufgebraucht war, trugen die Eltern bei jedem Windelwechsel die noch übrig gebliebene Emla-Creme auf. Diese enthält ein eutektisches Gemisch aus den beiden Lokalanästhetika Lidocain und Prilocain. Sie wird eigentlich zur Oberflächenanästhesie der Haut bei verschiedenen Eingriffen verwendet.

Sauerstoffmangel durch Überdosierung

Innerhalb der nächsten zwei Tage zeigte sich bei dem Jungen eine blaurote Verfärbung der Haut und Schleimhäute – diese trat infolge eines Sauerstoffmangels im Blut auf. Ursache war eine sogenannte „Methämoglobinämie“. Diese wird in der Fachinformation als seltene Nebenwirkung aufgeführt und kann Ausdruck einer Überdosierung sein. Der Methämoglobin-Anteil (Met-Hb) im Blut beträgt normalerweise bis zu 1,5 Prozent – bei dem Säugling lag er bei 25,2 Prozent, die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 73 Prozent. Auf einer Intensivstation wurde die Sättigung mittels Sauerstoffgabe wieder normalisiert. Der Patient konnte am Folgetag entlassen werden.

Met-Hb entsteht bei der Oxidation von zwei- zu dreiwertigem Eisen im Hämoglobin (Hb). Es kann jedoch keinen Sauerstoff binden und transportieren. Die Methämoglobin-Reduktase reduziert Met-Hb normalerweise wieder zu Hb. Durch verschiedene oxidierende Arzneistoffe, wie beispielsweise Prilocain kann die Met-Hb-Bildung jedoch erhöht werden: Wird die Kapazität der Methämoglobin-Reduktase schließlich überschritten, droht eine Methämoglobinömie, welche mit einer Erhöhung des Met-Hb-Konzentration einhergeht.

Die Folgen hoher Methämoglobin-Konzentrationen

Ab Met-Hb-Konzentrationen von 10–20 Prozent kommt es zu einer sogenannten „Zyanose“ – einer Blau- oder Braunfärbung der Haut und Schleimhäute. Auch das Blut nimmt eine schokobraune Farbe an. Bei steigenden Werten kann es außerdem zu Atemnot, Verwirrung, Benommenheit, Azidose mit Krampfanfällen oder sogar Koma kommen. Werte ab 70 Prozent gelten als tödlich. Typisch bei der Methämoglobinämie ist eine beeinträchtigte Messung der Sauerstoffsättigung durch Pulsoxymetrie: Durch Sauerstoffgabe erfolgt typischerweise kein Effekt auf die Werte, denn diese werden bei der Pulsoxymetrie durch Met-Hb verfälscht. Bei der laborchemisch durchgeführten Blutgasanalyse sind die Werte typischerweise anders, daher sollte die Sauerstoff-Bestimmung immer per Blutgasanalyse oder CO-Oxymeter erfolgen.

Der erste Schritt der Behandlung ist das Beenden der auslösenden Therapie – in diesem Fall die Behandlung mit Emla-Creme. Die Patienten werden mit Sauerstoff versorgt, um die Umwandlung von Met-Hb zu Hb zu beschleunigen. Bei schweren Verläufen wird Toluidinblau oder Methylenblau intravenös verabreicht. Diese Substanzen beschleunigen ebenfalls die Reduktion. Bei weiterhin erhöhten Met-Hb-Werten kann eine Transfusion notwendig sein.

Säuglinge besonders gefährdet

Bei Säuglingen kann eine Methämoglobinämie besonders kritisch werden: Zum einen wird fetales Hb leichter zu Met-Hb oxidiert als adultes Hb, zum anderen ist das für die Reduktion notwendige Enzym bei Säuglingen noch nicht vollständig ausgebildet und aktiv. Daher kann es bei der Applikation von lidocain- oder prilocainhaltigen Cremes schneller zu einem solchen Zwischenfall kommen.

Risikofaktoren für eine Methämoglobinämie

Obwohl das Risiko bei älteren Kindern und Erwachsenen abnimmt, wurden Fälle dokumentiert, bei denen es nach Anwendung exzessiver Dosen, auf einem großen Hautareal oder bei längerer als der empfohlenen Einwirkzeit zur Entwicklung einer Methämoglobinämie kam. Die gleichzeitige Einnahme Met-Hb-induzierender Arzneimittel kann ebenfalls dazu führen: Metoclopramid, Nitrofurantoin oder Sulfonamide zählen ebenfalls zu dieser Gruppe. Auch Hauterkrankungen, die mit einer erhöhten Resorption einhergehen wie Ekzeme, Psoriasis oder Kontaktdermatitis erhöhen das Risiko einer Methämoglobinämie.

Aufgrund des erhöhten Risikos sollten LP-Cremes bei Säuglingen unter drei Monaten nur als Einzeldosis bis zu einem Gramm und einer Fläche von zehn Quadratzentimetern für maximal eine Stunde pro Tag angewendet werden. Ab einem Alter von drei Monaten können im Abstand von zwölf Stunden maximal zwei Dosen innerhalb von 24 Stunden aufgetragen werden. Die Empfehlungen zur Dosierung sollten – insbesondere bei Kindern – eingehalten werden.

Beratung in Apotheken ist wichtig

Nach Möglichkeit sollte immer die kleinste, medizinisch sinnvolle Packungsgröße verordnet beziehungsweise abgegeben werden. Häufig werden die rezeptfreien Cremes auch durch nicht medizinisch ausgebildetes Personal – beispielsweise im Rahmen kosmetischer Behandlungen oder beim Tätowieren – angewendet. Hier ist die Aufklärung in den Apotheken beim Beratungsgespräch von besonderer Bedeutung.

 

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