Staatsanwaltschaft fordert Sicherungsverwahrung

PTA-Mörder soll den Rest seines Lebens hinter Gitter

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Berlin -

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Doppelmörder Frank N. steht kurz vor dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft Göttingen fordert für ihn das höchste in Deutschland mögliche Strafmaß: lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung inklusive Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Verteidigung hingegen plädiert auf besonders schweren Totschlag. Der 53-Jährige hatte im vergangenen September seine ehemalige Lebensgefährtin und eine Arbeitskollegin von ihr in direkter Nähe zu ihrer Apotheke auf brutale Weise getötet.

„Ich habe dich gewarnt, mich verlässt man nicht“, hatte Frank N. seiner ehemaligen Lebensgefährtin laut Zeugenaussagen entgegengeschrien, während er auf sie einstach. Was er ihr antat, bezeichnete ein medizinischer Gutachter im Prozess als „Overkill“: Nachdem er die 44-Jährige vor ihrer Apotheke abgepasst hatte, besprühte er sie mit Benzin und zündete sie an. Die Frau versuchte laut Staatsanwaltschaft noch zu fliehen, Zeugen des Vorfalls wollten sie löschen. Doch Frank N. zündete sie erneut an und stach dutzendfach auf sie ein. Die Stichwunden waren bis zu 15 Zentimeter tief. Allein viermal hatte er ihr ins Herz gestochen.

So viele Verletzungen habe er in seinem Berufsleben noch nie gesehen, zitiert die Hessische/ Niedersächsische Allgemeine (HNA) den Mediziner. Eine 57-jährige Arbeitskollegin eilte ihr aus der Apotheke zur Hilfe und wurde dabei mit drei Messerstichen in den Bauch so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus starb. Zwei weitere hinzugeeilte Helfer wurden ebenfalls verletzt. Frank N. flüchtete mit dem Fahrrad vom Tatort und wurde daraufhin samt Fahndungsfoto gesucht.

Anderthalb Tage später wurde er in Göttingen verhaftet, nachdem Passanten ihn erkannten und die Polizei riefen. Nur kurz zuvor war er bereits aus einem Zug geflüchtet, nachdem ihn die Zugbegleiter erkannt hatten. Sein Gewissen hat ihn dem Anschein nach dennoch geplagt: Er meldete sich telefonisch bei der Polizei, um sich zu erkundigen, wie es dem Opfer geht. Dazu lieh er sich ein Handy aus, um nicht zurückverfolgt und geortet werden zu können. Seit März steht Frank N. nun wegen der Bluttat vor Gericht. Was passiert ist, steht außer Zweifel. Der Täter schweigt zwar und verfolgt den Prozess regungslos, ließ aber bereits zu Prozessbeginn von seinem Verteidiger eine Erklärung verlesen, in der er seine Schuld einräumte und ankündigte, die „Verantwortung für die von mir angerichtete unvorstellbare Katastrophe“ übernehmen zu wollen. An den Tathergang selbst könne er sich nicht erinnern, er habe einen „Filmriss“ gehabt. Die Frage ist nun, wie die Tat zu bewerten ist.

Die Staatsanwaltschaft verlangt eine Verurteilung wegen Doppelmordes und hat am Mittwoch auf das höchste Strafmaß plädiert, das das deutsche Strafrecht kennt: lebenslange Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung, außerdem schwere Körperverletzung wegen der beiden Helfer, die er am Tatort attackierte. Das würde bedeuten, dass Frank N. nie wieder auf freien Fuß kommt. Die Verteidigung hingegen sieht laut HNA keine Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Mordes. Stattdessen plädiert sie auf Totschlag in einem besonders schweren Fall und auf Totschlag. Auch das könne den Anwälten zufolge lebenslange Haft nach sich ziehen, aber eben keine Sicherungsverwahrung.

Besondere Bedeutung für das Urteil kommt den psychiatrischen Gutachten zu. Ein Kasseler Facharzt für Psychiatrie sieht eine Wiederholungsgefahr gegeben. Auch sei die Tat nicht im Affekt geschehen, wofür schon die Vorbereitungen sprechen. So habe er seinem Opfer, mit Messer und Benzin ausgestattet, rund eine Stunde aufgelauert, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten. Er diagnostizierte bei Frank N. eine leichte Persönlichkeitsstörung sowie eine narzisstische Störung. Er reagiere mit aggressivem Verhalten auf Zurückweisungen und Enttäuschungen. Eifersucht und Kränkung seien demnach auch die Tatmotive. Bereits vor der Tat habe er seiner ehemaligen Lebensgefährtin mitgeteilt: „Ich habe dir gesagt, ich bring dich um, wenn du mich betrügst.“

Die 44-Jährige hatte sich nach einer zweijährigen Beziehung von N. getrennt. Kurz vor der Tat habe die Frau dann den Kontakt abgebrochen, wie der Angeklagte zu Prozessbeginn in seiner Einlassung erklären ließ. Er habe mehrmals versucht, mit ihr zu sprechen, sei jedoch stets gescheitert. Daraufhin war er ihr nachgestiegen: Er habe an einem Abend durch das Fenster beobachtet, wie seine Ex-Freundin leicht bekleidet mit einem anderen Mann auf dem Sofa lag. Dadurch sei er gekränkt, wütend und verzweifelt gewesen, er habe geschrien, ans Fenster geklopft und Balkonmöbel geschleudert. Daraufhin hatte die 44-Jährige eine Kontaktsperre erwirkt.

Erschwerend dürfte bei der Urteilsfindung hinzukommen, dass Frank N. bereits ein langes Vorstrafenregister hat. Neben kleineren Vorstrafen wurde er bereits dreimal wegen Vergewaltigung und wegen versuchter Vergewaltigung in fünf Fällen verurteilt. Dafür erhielt er Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten, fünf Jahren sowie sechs Jahren. Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt: N. wird durch eine gesonderte Tür direkt aus dem Keller des Gerichtsgebäudes auf die Anklagebank geführt und durchgehend von mehreren Justizbeamten bewacht. Die Maßnahmen erfolgen nicht allein aufgrund der Schwere der Tat: Bei einem früheren Prozess in den 90er Jahren war N. aus dem Gericht geflüchtet, als sich ihm die Gelegenheit bot. Es dauerte drei Wochen, bis er gefasst wurde. Ein Polizist musste dabei seine Schusswaffe einsetzen.

Opfer sind jedoch nicht nur die beiden getöteten Apothekenmitarbeiterinnen und die verletzten Helfer, sondern auch die Familien der Opferangehörigen. Der Anwalt einer Opferfamilie führte vor Gericht aus, welche Folgen die Tat für die 10-jährige Tochter der getöteten Frau hatte. Sie gehe nicht mehr zur Schule, reite nicht mehr, sei in Therapie und leide unter schweren Angstzuständen. Ihren Vater habe sie gebeten, nicht zu dem Prozess zu gehen, weil sie Angst habe, dass Frank N. auch ihn umbringe. Er blieb dem Prozess fern. Der könnte Ende der Woche vorbei sein, Freitag wird ein Urteil erwartet.

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