Nebenwirkungen

„Super-Arzneien“: Bild und Glaeske klären auf

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Berlin -

Die Bild-Zeitung hat sich Verstärkung mit ins Boot geholt – Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen gab zu sechs „Super-Arzneien mit schweren Nebenwirkungen“ eine Einschätzung ab. Acetylsalicylsäure, Kortison, Statine & Co. „sind die wahren Wundermittel in der Medizin“, haben jedoch „eine ganze Reihe schwerer Nebenwirkungen“. Bild und Glaeske klären auf.

„Bild stellt die wichtigsten ‚Wundermittel‘ auf den Prüfstand, sagt, was sie wirklich taugen, wann man aufpassen muss“, heißt es in der heutigen Ausgabe. Apotheker würden von „Dirty Drugs“ sprechen, denn den „nützlichen Wirkungen“ stünden schwere Nebenwirkungen gegenüber. Beurteilt werden sechs Wirkstoffe, die mehrere Anwendungsmöglichkeiten und Wirkungen haben.

Statine haben lipidsenkende Eigenschaften und sind als „Cholesterinsenker“ bekannt. Sie werden zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen sowie zur Vorbeugung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Risikopatienten eingesetzt. Statine hemmen die HMG-CoA-Reduktase und somit die Cholestrol-Synthese.

Bild zählt Nebenwirkungen wie „Muskelschmerzen bis zur Zersetzung von Muskelfasern“, ein erhöhtes Diabetes-Risiko, erhöhte Leberwerte und Magen-Darm-Beschwerden auf. Glaeske beschreibt Statine als „keine Mittel, die ohne ärztliche Verordnung angewendet werden sollten“. Eine breite Anwendung zur Primärprävention sieht der Pharmakologe „wegen der unerwünschten Wirkungen sehr kritisch“.

Acetylsalicylsäure (ASS) ist laut Bild „eines der erfolgreichsten Medikamente“. Der Wirkstoff werde als Schmerz- und Fiebermittel sowie gegen Entzündungen eingesetzt. Bild schreibt weiter: „Zudem soll ASS vor Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs schützen.“

Nebenwirkungen wie eine Schädigung der Schleimhäute im Magen-Darmtrakt, Magengeschwüre und -blutungen, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel seien möglich. Und: „Bei Kindern und Jugendlichen mit einer virusbedingten Infektion kann das sogenannte Reye-Syndrom entstehen, eine lebensbedrohliche Erkrankung von Gehirn und Leber. Bei Asthmatikern kann es zu einem Asthmaanfall kommen, ebenso zu allergischen Reaktionen.“

Außerdem bezieht sich die Bild auf eine britische Studie, der zufolge 3000 Menschen an der Folgen der ASS-Einnahme sterben. Glaeske sieht die Gefahr von ASS in ihrer „tagelang anhaltende gerinnungshemmende Wirkung“, wenn unerwartete Eingriffe notwendig sind und das Arzneimittel nicht rechtzeitig abgesetzt wurde. Bayer räumte vor kurzem mit den Mythen um Aspirin auf.

Kortison ist laut Bild „eines der umstrittensten Medikamente“ und werde vor allem bei entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma oder Allergien und Asthma eingesetzt. Als Nebenwirkungen werden zum Beispiel Übergewicht und Aufschwemmungen, Leber- und Nierenschäden, Diabetes und Hautverdünnung aufgeführt.

Glaeske beschreibt die unerwünschten Arzneimittelwirkungen als „sehr abhängig von der Anwendungsform“. So lösten Asthmasprays nur in sehr geringem Umfang Nebenwirkungen aus. Der Pharmakologe weist darauf hin, Corticoide nie ohne ärztlichen Rat einzunehmen und auch bei rezeptfreien Salben vorsichtig zu sein und keine großen Körperflächen zu behandeln.

Betablocker sind Antagonisten der adrenergen Betarezeptoren und haben blutdrucksenkende, antiarrhythmische und den Herzschlag verlangsamende Eigenschaften. Außerdem fänden sie bei Angststörungen, Migräne und Grünem Star Anwendung, schreibt die Bild. Dem stünden Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Potenzstörungen oder ein gefährlicher Blutdruckabfall gegenüber.

Glaeske urteilt: „Offensichtlich konnen Betablocker bei Menschen über 60 Jahren mit einem erhöhten Blutdruck ohne Begleiterkrankungen einen Schlaganfall weniger gut verhindern als zum Beispiel Diuretika oder ACE-Hemmer. Bestimmte Betablocker wie Metoprolol wirken auch zur Vorbeugung von Migräne sehr gut, allerdings wirkt die gleiche Dosierung bei Frauen stärker als bei Männern.“ Kritisch sieht der Pharmakologe den Einsatz bei Diabetikern, denn Betablocker könnten eine Unterzuckerung verschleiern.

Finasterid „hat es in sich“, so die Bild. Der Arzneistoff wird nicht nur bei eine Protatahyperplasie eingesetzt, sonder auch bei erblich bedingtem Haarausfall. Angeblich nehme auch US-Präsident Donald Trump das Medikament ein, will die Bild wissen. Nebenwirkungen wie Impotenz und Ejakulationsstörungen sowie Depressionen oder Männerbrüste seien die Folge.

Für Glaeske übersteigt der Schaden de Nutzen, wenn es um die Prävention von Prostatakarzinomen geht. Studien zufolge könne sich die Zahl von potentiell nicht lebensbedrohlichen Tumoren verringern, jedoch „die Zahl besonders aggressiver Prostata-Tumore“ ansteigen. „Finasterid sollte nicht ‚einfach so‘ als Haarwuchsmittel eingesetzt werden, die Risiken sind zu beachten.“

Sildenafil ist ein Phophodiesterasehemmer (PDE-5) zur Behandlung von Erektionsstörungen bei Männern und der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH). Das „Potenzmittel“ verursacht Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Hautrötungen, Sehstörungen, verstopfte Nase oder Krampfanfälle. Laut Glaeske wird Sildenafil „vielfach von Männern eingenommen, die das Mittel nicht einnehmen dürfen“.

Außerdem warnt der Pharmakritiker vor gefälschter Ware aus dem Internet, die zu erheblichen unerwünschten Wirkungen führen könne. Abschließend urteilt Glaeske: „Sildenafil ist ein oft viel zu leichtfertig eingesetztes Potenzmittel – die Gefahren können gravierend sein.“

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