Internetkriminalität

Identität geklaut: Russen kapern Apotheken-Domain

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Berlin -

Wie die meisten Apotheken betreibt auch die Schloss Apotheke in Marktoberdorf seit Jahren eine eigene Website. Dort weist Apotheker Martin Fumian nicht nur auf die Angebote und Serviceleistungen seiner Apotheke hin, sondern vertreibt über einen Shop auch Naturprodukte. Deshalb wunderte er sich nicht schlecht, als er vor circa 14 Tagen von einem Kunden auf eine Internetapotheke mit fast identischer Domain angesprochen wurde, die unter anderem illegalerweise Viagra verkauft. „Da staunt man erstmal“, so Fumian über den Identitätsklau.

„Online-Apotheke in Deutschland – Generika über den Ladentisch kaufen“, preist die Website Apo-schloss.com ihre Produkte an: „Sehr geehrte Kunden! Hier können Sie generisches Viagra zum besten Preis kaufen, aber auch andere generische Medikamente mit schneller Lieferung. Wir liefern in die ganze Welt. Bitte kontaktieren Sie unseren Support per 24/7 Chat.“ Fumian gehört seit Jahren die Domain Apo-schloss.de – Verwechslungsgefahr eingeschlossen: „Von einem Kunden wurde ich gefragt, ob ich jetzt einen neuen Shop habe, denn unter Apo-schloss.com würde ich diverse verschreibungspflichte Produkte anbieten in einem Shop ohne Impressum und Siegel, aber mit meiner Adresse darunter.“

Fumian sah sich die Website an und fand zwar kein Impressum, allerdings unter einer Telefonnummer in Großbritannien seine Adresse im Marktoberdorf. Über den Kontaktfunktion setzte sich der Apotheker mit der Fake-Apotheke in Verbindung und landete im Chat in Zypern. Dort fragte er nach dem Apothekenleiter. Das kurze Gespräch endetet zwar im „Nirwana“ des Internets, allerdings reagierte der Betreiber umgehend und löschte zumindest Fumians Adresse von der Webseite.

Die Polizei in Marktoberdorf fühlte sich laut Fumian nicht zuständig, da der Shop im irgendwo Ausland angesiedelt ist. „Die von mir um Rat gebetene Apothekerkammer meldete sich auch nicht“, klagt Fumian. Also bat der Apotheker eine auf Internetdinge spezialisierte Rechtsanwältin um Hilfe. Diese fand immerhin heraus, dass die Domain „irgendwo aus Russland heraus betrieben wird“. Weiter gekommen ist er bislang nicht. „Solche Leute stürzen sich halt auf Domains, die aufgegeben wurden oder mit bestehenden Shops sehr verwandt sind“, so Fumian. Er habe schon lange überlegt, die Domain Apo-schloss.com für sich zu kaufen, „aber die war immer reserviert“.

Manche Kriminelle schaffen es mit gekaperten Websites sogar ins offizielle Versandapothekenregister, wie ein Fall aus dem Herbst 2019 belegt. Weil schon bei der Zulassung des Versandhandels im Jahr 2004 deren Gegner argumentierten, dass es für Verbraucher unmöglich sei, im Internet legale von illegalen Anbietern zu unterscheiden, ließ das Bundesgesundheitsministerium (BMG) durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ein Siegel entwickeln, das nur an zugelassene Versandapotheken vergeben wird.

Das DIMDI-Siegel wurde am 21. April 2009 eingeführt und im Oktober 2015 durch das EU-Sicherheitslogo ersetzt. Zugelassene Versender binden das Symbol auf ihrer Website ein, ein Klick darauf führt den Nutzer zur Datenbank, in der alle Apotheken mit Versanderlaubnis aufgelistet sind. So soll der Verbraucher ohne viel Aufwand überprüfen können, ob die Apotheke tatsächlich registriert ist und es sich um einen seriösen Anbieter handelt. „Überprüfen Sie jeden Arzneimittelhändler sorgfältig, ehe Sie dort bestellen!“, riet das DIMDI, das mittlerweile ins Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) integriert wurde. Umgekehrt lassen sich aus der Übersicht gezielt die Websites der registrierten Versandapotheken ansteuern. „Das Register enthält nur die Apotheken, die eine behördliche Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln für Deutschland besitzen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG)“, hieß es auf der DIMDI-Website.

Doch APOTHEKE ADHOC deckte einen Fall auf, der das System grundsätzlich in Frage stellte. Unter der Nummer 1482 wurde die Nord-Apotheke in Gießen geführt – mit Adresse, Telefonnummer, E-Mail, Website und der zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Betrieb hatte aber bereits mehr als ein Jahr zuvor dicht gemacht: Am 21. April 2018 sperrte Inhaberin Ingrid Quambusch für immer zu. Der Eintrag war aber mehr als eine Karteileiche: Denn klickte man auf den registrierten Link, landete man plötzlich auf der Website Profit-gesundheitsservice.de. „ApoEU“, stand links oben in der Ecke. „Deutsche günstige Online-Apotheke – Bestellen billige medikamente online“, lautete der Subclaim.

Dass es sich hier um keinen seriösen Anbieter handelte, wurde jedem halbwegs sachkundigen Betrachter schnell klar. Weder Impressum, noch EU-Versandhandelssiegel oder irgendeine Angabe zu den Betreibern fanden sich auf der Seite – dafür ein nicht verifiziertes DMCA-Siegel aus den USA. Auch die beiden angegebenen Hotlines – eine mit britischer Vorwahl, eine mit der Vorwahl der Inselgruppe Amerikanisch Samoa – führten nicht weiter.

Wie konnte es passieren, dass die Fake-Apotheke es ins offizielle Register geschafft hat? „Für den Inhalt des Registers sind die Stellen verantwortlich, die nach Landesrecht für die Apothekenüberwachung zuständig sind“, heißt es auf der Website des DIMDI. Als Aufsichtsbehörde für die Nord-Apotheke zuständig war das Regierungspräsidium Darmstadt. So stand es auch noch immer in der DIMDI-Liste, auch wenn die angegebene Telefonnummer ins falsche Dezernat der Behörde führt – nämlich zur Hersteller- statt Apothekenüberwachung.

Normalerweise ist das Regierungspräsidium auch dafür verantwortlich, Änderungen im Versandregister anzustoßen. Wird eine Apotheke für den Versandhandel zugelassen, teilt die jeweilige Aufsichtsbehörde dies dem DIMDI mit. Der Versender wird dann in die Liste eingetragen, mit allen Kontaktdaten, einer oder mehrere Internetadressen des Shops sowie Kontakt zur Aufsichtsbehörde. Jeder Anbieter erhält zudem eine vierstellige VR-Nummer. Verliert die Apotheke ihre Versanderlaubnis, gibt die Behörde wiederum dem DIMDI Bescheid, damit der Eintrag gelöscht wird. Im Fall der Nord-Apotheke Gießen wäre es auch Aufgabe des RP Darmstadt gewesen, die Apotheke wieder abzumelden. Das aber wurde versäumt.

 

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