„Es war fünf nach zwölf“

Festlandapotheker rettet Inselapotheke

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Berlin -

Die Insel-Apotheke auf Wangerooge ist gerettet. Jörg Spillner übernimmt zum 1. November den Betrieb auf der Nordseeinsel. Dass das geglückt ist, verdankt Wangerooge dem unermüdlichen Einsatz und Zusammenspiel vieler Instanzen. Es hätte für die Apotheke auch ganz anders ausgehen können.

Nach über zehn Jahren auf Wangerooge zieht es Rita Ademes zurück aufs Festland. Die Krux: Sie betreibt die einzige Apotheke auf der Insel. Im Landkreis wollte niemand ihre Nachfolge antreten – und die Zeit drängte. Zunächst sah es so aus, als müsse die Insel ohne Apotheke auskommen, doch das war kaum vorstellbar: Auf Wangerooge müssen nicht nur die rund 1.300 Einwohner:innen versorgt werden, in den Sommermonaten steigt die Zahl durch Urlaubsgäste locker auf 12.000 Menschen. Je näher die Schließung rückte, desto größer wurden die Bestrebungen des Gemeinderats, die Apotheke zu erhalten, nur: Wo soll man den Apotheker hernehmen?

„Maximal aufgeschmissen“

Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits einen Approbierten, der mit Ademes im Austausch stand. Allein wollte er die Insel Apotheke allerdings nicht übernehmen, so suchte er einen Mitstreiter. Er schaltete eine Anzeige, die Jörg Spillner, Inhaber der Deich Apotheke in Cuxhaven, zufällig las. Die beiden trafen sich und es passte. Spillner konnte sich einen Filialbetrieb auf Wangerooge mit dem Apotheker als Filialleitung vorstellen.

Nun setzte er alles daran, den Fortbestand der Insel Apotheke zu sichern, doch das Projekt scheiterte. Die Immobilie, in der sich die Apotheke befindet, sollte mit dem Betriebsende zum 31. Oktober veräußert werden; es gab andere Ideen für die Räumlichkeiten.

Trotz aller Mithilfe der Familie Ademes erschien die Übernahme aufgrund der hohen Kosten nicht rentabel genug, so dass Spillner Ende August offiziell „Nein“ zur Übernahme sagte. Andere Interessent:innen gab es nicht mehr, damit wäre Wangerooge die einzige deutsche Nordseeinsel ohne Apotheke gewesen und somit „maximal aufgeschmissen“.

Ereignisse überschlagen sich

Dann trat der Bürgermeister der Insel zurück, um einem Abwahlverfahren des Gemeinderats zu entgehen. Interims-Chefin im Rathaus wurde dessen Stellvertreterin, Rieka Beewen, die sich für das Thema Insel Apotheke stark machte. Auch die Ärzt:innen vor Ort machten Druck, immerhin stellte sich die Frage, wie sie ihre Patient:innen mit Arzneimitteln versorgen sollen, auch im Notfall. Medikamente werden für die Versorgung schließlich extra eingeflogen und auf das Warenlager der Apotheke könnte bei Betriebsende nicht mehr zugegriffen werden. Es müsste aufwändig aufgelöst werden.

Zusätzlich war Wangerooges Heilbadstatus in Gefahr, wenn die medizinische Versorgung vor Ort nicht mehr einwandfrei gewährleistet ist. Dieser bringt – neben Arbeitsplätzen – viele Vorteile mit sich und zieht natürlich auch zahlreiche Tourist:innen an. Das Heilbad war erst im März als solches rezertifiziert worden. Diese Tatsachen veränderten die Haltungen vieler Beteiligter zugunsten der Erhaltung der Apotheke.

„Es war fünf nach zwölf“

Die Inselverwaltung trat also wieder mit Spillner in Kontakt. Die Bürgermeisterin, der Vermieter und sämtliche Behörden setzten alle Hebel in Bewegung, damit die Übergabe vom 31. Oktober auf den 1. November doch noch gelingen könnte. „Es war fünf nach zwölf“, erklärt Spillner rückblickend.

Tage und Nächte der Organisation, in die er viel Energie investierte, liegen hinter ihm. Das war mitunter gar nicht so einfach: Den Vermieter erreichte Spillner auf Mallorca im Urlaub, am Mietvertrag wurde via E-Mail gefeilt. Sein zukünftiger Filialleiter saß in Frankreich, als sie den Betrieb auf der Insel besprechen mussten.

Immerhin kommt auf die beiden Approbierten einiges zu, denn die Apotheke hat 365 Tage im Jahr Notdienst. Die notwendigen Unterlagen brachte Spillner selbst zur Apothekerkammer in Hannover: Es sollte nichts mehr schiefgehen. Von der Erteilung der Betriebserlaubnis über die Institutionskennzeichnung (IK) bis hin zur Bundesopiumstelle – der zweite Anlauf hat funktioniert. Zum 1. November wird die Insel Apotheke die Filiale seiner Deich Apotheke in Cuxhaven.

Alles in trockenen Tüchern

Spillner betont ausdrücklich, dass von behördlicher wie persönlicher Seite jeder seinen Teil zur Erhaltung der Insel Apotheke beigetragen hat. Eine schöne wie anstrengende Erfahrung, wie er zugibt, „Es ist ein gutes Gefühl, dass die Anstrengung entlohnt wird und die Arzneimittelversorgung auf der Insel gesichert werden kann.“ Voller Respekt blickt er auf die Lebensleistung von Rita Ademes für das Geleistete und freut sich auf das Bevorstehende. Spillner selbst beabsichtigt, eine Woche im Monat auf der Insel den Dienst anzutreten. Insel-Apotheker zu sein, hatte er sich schon immer vorstellen können – jetzt geht es für ihn am 1. November los.

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