Wangerooge

Apothekerin kauft Geld bei der Eisdiele

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Berlin -

Auf der Nordsee-Insel Wangerooge wird das Kupfergeld knapp. Noch transportiert die Volksbank Jever 1-, 2- und 5-Cent-Münzen per Flugzeug auf das Eiland – was sich längst nicht mehr lohnt. Im Herbst ist Schluss damit. Die Insel-Apothekerin Rita Ademes muss umdenken und bereitet sich auf Sammelaktionen vor. Eine Geldzählmaschine hat sie sich bereits zugelegt.

In Apotheken geht täglich viel Kleingeld über den HV-Tisch. Oft geht die Zuzahlung über den Festbetrag hinaus und hat einen „krummen Betrag“. Dieser kann auch zustande kommen, wenn ein Rabatt für OTC-Produkte für Stammkunden abgezogen wird. Apothekerin Ademes musste bereits eine Gebühr für die Münzrollen zahlen. Mittlerweile verlangen dies viele Banken von ihren Kunden.

Bis zum Beginn der nächsten Hochsaison muss eine Lösung her. „Das Münzgeld verschwindet ja nicht auf der Insel“, betont Ademes. Im Sommer kämen tausende Urlauber und die Apotheke müsse genug Wechselgeld vorrätig halten. Dann sei es zu spät, den Inhalt von Spardosen zu zählen. „Anders als andere Einzelhändler kann ich als Apothekerin keine Arzneimittelpreise auf- oder abrunden.“ Die Preise seien fest.

Die Inhaberin hat sich mehrere Strategien überlegt. „Wir müssen umdenken und uns neu organisieren.“ Kunden sollen künftig aktiv auf Kleingeld angesprochen werden, sagt sie. Erfahrungsgemäß wollten sich diese ohnehin gerne ihrer Münzen entledigen. Die Apothekerin setzt auch auf andere Einzelhändler auf der Insel: „Die Geschäfte untereinander müssen sich besser vernetzen.“ Einige hätten einen Überschuss an Münzgeld, der die Insel nicht mehr verlassen dürfe.

Bereits jetzt kooperiert Ademes beispielsweise mit dem Insel-Eisverkäufer. In der Eisdiele gebe es genug Kleingeld, da viele Kinder dort ihr Taschengeld eintauschten. Deshalb hat sie sich extra eine Münzgeld-Zählmaschine angeschafft. Die Pharmazeutin wechselt dem Eisverkäufer die Münzen und beide profitieren. Wegen des Medienrummels um die Entscheidung der Bank, sogar RTL drehte in der Apotheke, kam sogar eine Seniorin und bot der Apothekerin ihr Münzgeld aus der Spardose an. „Sie sagte, ich bräuchte das jetzt dringender als sie“, so Ademes.

Zudem will die Apothekerin verstärkt auf bargeldloses Bezahlen verweisen. Ab einem Betrag von 10 Euro könnten Kunden bei ihr mit Karte zahlen. Volksbank-Vorstand Martin Schadewald betont, dass die Händler auf der Insel in diesem Bereich mit speziellen Angeboten unterstützt würden. Karten- und Handy-gestützte Zahlungsmethoden würden immer stärker genutzt, sagt er.

Die Volksbank verweist darauf, dass die Kosten für die Bearbeitung des Kleingeldes „deutlich über dem eigentlichen Wert des Geldes liegen.“ Mit dem Lieferstopp von Kupfergeld sollen Logistikkosten getilgt werden. Denn angesichts der gezeitenabhängigen Fährzeiten müsse das Geld eingeflogen werden. „Da wir jährlich viele Tonne transportieren, erhoffen wir uns durch eine deutliche Reduzierung der Rollenzahl eine spürbare Entlastung“, sagt.

Die Insel wird aber nicht bargeldfrei: Einzahlungen jeglicher Münzen seien weiterhin für jedermann und jeden Händler möglich, so Schadewald. „Und da wir pro Jahr etwas mehr Kleingeld von der Insel abholen als wir anliefern, scheint es ein mehr oder weniger geschlossener Kreislauf zu sein, den wir jetzt durchbrechen wollen.“ Deshalb sei es besser, das „Kleinstgeld“ bleibe auf der Insel im Umlauf.

Die Entscheidung der Bank kann Ademes teilweise verstehen. Der Transport sei teuer, sagt sie. Und immerhin sei das Institut die einzig verbliebene Bank auf der Insel. Darauf verweist auch Schadewald. Die Apothekerin ist zuversichtlich: „Wir haben hier auf der Insel den Bonus, dass die Leute mehr Zeit haben.“

Ademes führt die Insel-Apotheke seit sieben Jahren. „Mir gefällt es hier sehr gut. Wir haben den Luxus, autofrei zu leben.“ Zum Strand sind es nur drei Minuten Fußweg. Eine Insulanerin ist sie nicht. Sie stammt aus dem Rheinland und war vor ihrem Umzug auf Wangerooge im Ruhrgebiet tätig. Auf der Insel sei der Menschenschlag sehr aufgeschlossen und sie sei als Apothekerin gut aufgenommen worden. „Das hat natürlich auch daran gelegen, dass man gebraucht wird“, räumt sie ein.

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