Mit nicht mal 30 Jahren

4 Apotheken in 2 Jahren: „Das ist eine Berufung, kein Beruf“

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Berlin -

Das Los der Landapotheke ist nicht immer einfach. Statt der Konkurrenz ist hier eher das Problem, dass man allein ist auf weiter Flur – inklusive sämtlicher Notdienste. Oder eben allein auf dem Berg. Adrian Neumann hat vor etwa drei Jahren approbiert und vor zwei Jahren mit der Schloß-Apotheke im sächsischen Lichtenstein den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Nun ist er Besitzer von vier Apotheken, und die Hauptapotheke befindet sich auch noch eine Stunde entfernt von den Filialen hoch oben im Erzgebirge. „Das ist eine Berufung, kein Beruf.“

Auf dem Kamm des Erzgebirges liegt die Glück-auf-Apotheke in 780 Metern Höhe. In Johanngeorgenstadt leben nicht einmal 4000 Menschen – Apothekeninhaber Neumann gehört nicht dazu. Er wohnt stattdessen etwa eine Stunde entfernt in Lichtenstein, wo sich auch seine drei Filialen befinden. Das ist für den jungen Vater nicht nur logistisch eine Herausforderung. Doch Neumann macht, was er liebt. Er ist Landversorger und das danken die Leute ihm und seinem Team.

Die Notdienste sind für Neumann nicht das Problem. Ein bis zwei Dienste hat er im Monat, hinzu kommt noch der Wochenenddienst. Bei der abgelegenen Apotheke in Johanngeorgenstadt versucht er diese dann auch gleich zu verbinden oder den Freitagsnotdienst an die drei Stunden Öffnungszeit am Samstag zu koppeln, damit keine zusätzlichen Wege entstehen. So schläft er dann auch mal wenige Tage in der Apotheke. Und dass es bei vier Apotheken nun mal häufiger zu Diensten an Feiertagen kommt, ist für ihn ganz klar. „Der Notdienst gehört einfach dazu. Das ist eine Berufung, kein Beruf. Das muss man sich schon vorher überlegen.“ Diese Berufung spüren nicht alle Pharmaziestudierenden, das weiß auch Neumann von den eigenen Mitstudierenden: Keiner seiner 75 Kommilitonen aus dem Studium wollte bisher das Risiko der Selbstständigkeit eingehen.

Dank der Verschmelzung der Notdienstkreise in und um Lichtenstein muss er hier zum Glück nun seltener ran. „Das mache ich alles selbst. Das wäre mir zu teuer, da einen Approbierten hinzusetzen.“ Auch die Notdienste im Gebirge „feiert“ er allein, wie er sagt. Zum Team in den vier Apotheken gehören sechs weitere Apotheker:innen, die ihn unterstützen, doch aus Kostengründen versucht er möglichst viel der zusätzlichen Dienste allein zu bewältigen.

Landversorgung gerettet

Die abgelegene Lage der Apotheke in Johanngeorgenstadt bringt zwar logistische Herausforderungen mit sich, doch Neumann ist froh, dass er sie „retten“ konnte. Der vorherige Inhaber war insolvent, weshalb Neumann die Apotheke recht günstig übernehmen konnte. Für ihn habe die Apotheke gut in seinen Verbund gepasst, zumal die drei anderen Apotheken in Lichtenstein dank seines tollen Teams gut allein laufen. Das Risiko sei überschaubar, da er hier nicht viel investieren musste. „Johanngeorgenstadt wäre sonst ohne Apotheke gewesen.“ In knapp zehn Kilometern gibt es zwar eine weitere Apotheke, die sei jedoch kleiner und hätte den zusätzlichen Kundenandrang kaum abfedern können.

Über Kontakte wurde er während der Insolvenz des Vorgängers um Hilfe gebeten. „Das war in meinem ersten Monat der Selbstständigkeit in Lichtenstein damals“, erinnert sich Neumann. In der Glück-auf-Apotheke fand er zum Glück aber ein sehr starkes und liebenswürdiges Team vor, mit dem typischen Charakter des Erzgebirges, wie er sagt. Zwei Pharmazieingenieurinnen, fünf PTA, eine PKA und zwei Ausfahrer unterstützen ihn hier. Nur einen Filialleiter konnte er nicht für die abgelegene Apotheke auftreiben, weshalb er sie zur Hauptapotheke machen musste.

„Hier sind viele Ortschaften rundherum, die wir beliefern. Die sind dankbar“, sagt er zu einer seiner wichtigsten Dienstleistungen: dem Botendienst. „Die Jugend ist weggezogen, wir haben einen hohen Altersdurchschnitt.“ Der Botendienst würde gut genutzt, daher brauche es auch mehrere Ausfahrer. Ärzt:innen gibt es in der Gegend noch einige, wenn auch schon älter. „Ich bin immer im Austausch mit den Ärzten. Das ist das besondere auf dem Land, da hilft man auch bei der Nachwuchsgewinnung.“ In Lichtenstein konnte er bereits helfen. „Man muss als Einzelkämpfer klarkommen“, ist sich der Pharmazeut bewusst. Er freut sich aber auch über ein inzwischen gutes Netzwerk aus Kolleg:innen und Ärzt:innen. Durch den Verbund sei er zudem gut mit allen Akteuren vernetzt und profitiere von guten Konditionen.

Kickstart mit nicht mal 30 Jahren

Ein gutes Netzwerk braucht man vielleicht auch, wenn man einen solchen Start in die Selbstständigkeit hinlegt. Approbation im Dezember 2020, im Juli 2022 übernahm er seine erste Apotheke, die Schloß-Apotheke, ein Jahr später kamen dann die Rosen- und Rathaus-Apotheke dazu, ebenfalls in Lichtenstein. „Ich bin immer der Jüngste auf irgendwelchen Treffen. Und habe dann auch noch schon vier Apotheken. Da bin ich schon ein bisschen stolz, bei so einem Kickstart.“ Dankbar ist er nicht nur für seine Teams, sondern auch für die Berater, die ihn zum Start unterstützt haben. „Ohne Apobank wäre das nicht möglich gewesen. Ich komme nicht aus einer Apothekerfamilie.“ Er habe nicht nur Freude am pharmazeutischen Aspekt des Berufes gefunden, „mir macht das auch als Unternehmer Spaß“.

Seine Familie zieht zum Glück bei allem mit. Das Einzige, was ihm den Job gerade madig macht: „Die politische Lage nimmt ein wenig den Spaß, weil man schauen muss: Wo kann ich sparen? Die Rahmenbedingungen machen es schwierig, sich auf den Heilberuf zu konzentrieren.“ Und genau darauf würde sich Neumann gerne mehr fokussieren, denn dem Apotheker liegt es vor allem daran, den Menschen zu helfen.

Trotzdem Zeit für Hobbys

Das spiegelt sich auch im Hobby wider, dass der Apotheker auch noch nebenbei verfolgt: In Lichtenstein ist er in der freiwilligen Feuerwehr. Mit seiner Zusatzausbildung als Atemschutzgeräteträger ist er zum Beispiel bei Hausbränden auch ein gefragter Posten und sein Leiter ist froh, wenn der Inhaber bei Einsätzen unterstützen kann. „Das macht mir Spaß. Das erfüllt mich, dass ich da der Gesellschaft etwas wiedergeben kann. Wenn ich im Gebirge bin, dann geht das leider nicht.“

Der junge Apotheker hat Verständnis für die „depressive Stimmung“ die gerade unter den Kolleg:innen herrscht. Besonders für die Älteren, die andere Zeiten für Apotheken erlebt hätten, sei es hart, zu sehen, wie sich die Lage verändere und kaum noch junge Leute nachkämen. „Aber ich bin noch jung und habe Hoffnung. Die Versender werden das nie hinbekommen, was wir hier auf dem Land, im Gebirge leisten. Ich sage immer: In den 30 bis 40 Jahren, die vor mir liegen, sehe ich das nicht, dass die Versender das schaffen – sofern die politischen Rahmenbedingungen blieben.“ Er wartet ab, wo die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hingehen. „Ich versuche dann das Beste draus zu machen.“

Was ihn neben Job und Feuerwehr erfüllt: „Ich habe auch noch einen Bauernhof mit sieben Pferden und sieben Schafen.“ Dahin zieht er sich dann am Wochenende mit der Familie zurück, um zur Ruhe zu kommen. „Da weiß ich dann, warum ich das alles mache.“

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