Umsatzverlust und Sparprogramm

Zur Rose in der Finanzklemme – Umschuldung steht an

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Berlin -

Bei Zur Rose kreist der Rotstift. Nach Jahren des teuer erkauften Wachstums hat sich der DocMorris-Mutterkonzern eine radikale Schrumpfkur verordnet. Schon ab dem kommenden Jahr soll Schluss sein mit dem Verbrennen von Geld. Das ist wohl auch zwingend notwendig, denn Schulden von insgesamt knapp einer halben Milliarde Euro müssen nach und nach zurückgezahlt oder refinanziert werden. Zur Rose droht eine wirtschaftliche Schieflage – nicht zum ersten Mal in der Geschichte.

Mit einem Polster von knapp 200 Millionen Schweizer Franken in cash sieht die Finanzlage von Zur Rose auf den ersten Blick gut aus. Erst Ende vergangenen Jahres hatte man die Kriegskasse noch einmal gefüllt und über eine weitere Kapitalerhöhung knapp 190 Millionen Franken eingesammelt. Doch gleichzeitig schloss die Gruppe das Jahr mit einem Rekordverlust von knapp 230 Millionen Franken ab. Der Mittelabfluss lag auf Basis des Free Cashflow bei 200 Millionen Franken.

Auch für das laufende Jahr wird ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von minus 75 bis 95 Millionen Franken angepeilt, sodass erneut ein negativer Free Cashflow von 150 Millionen Franken erwartet wird. Die Finanzreserven drohen also bedrohlich abzuschmelzen.

Gleichzeitig stehen für das kommende Jahr erhebliche Belastungen im Finanzbereich an: Eine Anleihe über 115 Millionen Franken muss im Juli zurückgezahlt werden, bevor in den kommenden beiden Jahren auch die beiden anderen Anleihen über 175 beziehungsweise 200 Millionen Franken auslaufen, wobei letztere auch in Aktien zurückgezahlt werden kann. Zusätzlich fallen 2023 weitere Kosten an, so werden etwa Auszahlungen für die Übernahmen von Eurapon und Apotal in Höhe von rund 14 Millionen Franken fällig.

Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen betonten der neue CEO Walter Hess und CFO Marcel Ziwica, dass der operative Kapitalbedarf durch die vorhandene Liquidität abgedeckt sei. „Somit beschränkt sich der Kapitalbedarf der Zur Rose-Gruppe auf die Refinanzierung der ausstehenden Anleihen sowie eine Liquiditätsreserve.“

Akuter Finanzbedarf

Sprich: Zur Rose braucht Geld – und zwar erstens akut und zweitens in erheblichem Umfang. Man prüfe verschiedene Finanzierungsoptionen, welche „die Interessen aller relevanten Anspruchsgruppen ausgewogen berücksichtigen“, heißt es vom Unternehmen. „Aufgrund der starken Position der Zur Rose-Gruppe im wachsenden Online-Apothekenmarkt, der bisher erfolgreich getätigten Mittelbeschaffungen und dem breiten Portfolio an zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumenten, sind der Verwaltungsrat und die Konzernleitung von der Refinanzierungsfähigkeit überzeugt.“

Dass das Management überhaupt solche Versicherungen abgeben muss, spricht allerdings eine ganze andere Sprache. Die Handlungsspielräume sind womöglich beschränkt: Eine Refinanzierung über Fremdkapital könnte angesichts der Probleme schwierig und wegen der steigenden Zinsen obendrein teurer werden. Eine neuerliche Kapitalerhöhung, für die sich Zur Rose im Frühjahr die Genehmigung im Rekordumfang von bis zu 50 Prozent des derzeitigen Grundkapitals eingeholt hatte, käme wiederum wegen des schwachen Aktienkurses zur Unzeit.

Hinzu kommt, dass der Kurs bereits massiv verwässert wurde: Alleine drei Kapitalerhöhungen im Gesamtumfang von rund 600 Millionen Franken gingen in den vergangenen drei Jahren über die Bühne. Seit dem Börsengang hat sich die Zahl der Aktien auf diese Weise ungefähr verdoppelt, seit dem Einstieg des ersten Großinvestors im Jahr 2016 sogar fast verdreifacht. Der Umsatz ist seitdem aber um weniger als den Faktor 2 gewachsen.

Hess und Ziwica wollten sich nicht in die Karten gucken lassen: Man werde in Abhängigkeit des vorherrschenden Marktumfelds zu gegebener Zeit entscheiden. Zumindest eine Hausnummer nannte Ziwica schon einmal: Zusätzlich zu den 115 Millionen Franken für die Anleihe wolle man sich 50 bis 75 Millionen Franken zur freien Verfügung sichern.

Zur Rose als Übernahmekandidat?

Schon machen am Kapitalmarkt Gerüchte die Runde, dass Zur Rose über eine Übernahme verhandele. Solche Spekulationen sind zwar nicht neu, zumal wohl nicht wenige Investoren in der Hoffnung eingestiegen sind, dass irgendwann Amazon zugreifen könnte. Doch jetzt steht diese Option unter ganz anderen Vorzeichen, zumal mit den erhofften Zuflüssen aus dem E-Rezept wohl vorerst nicht zu rechnen ist. Das Management habe in den letzten Monaten Gespräche mit potenziellen Käufern geführt, darunter den US-Beteiligungsgesellschaften KKR sowie Hellman Friedman, berichtete gestern die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider.

Einen Joker hätten Hess und Ziwica noch. Sie könnten das Geschäft in der Schweiz verkaufen oder DocMorris als eigenständige Firma an die Börse bringen – so wie es Insider eigentlich von Anfang an erwartet hatten. Ganz ähnlich hatte der frühere CEO Walter Oberhänsli schon einmal seinen Job und die Existenz von Zur Rose gerettet: Weil die Vereinbarungen mit den Banken in Sachen Verschuldung und Eigenfinanzierung nicht erfüllt worden waren, hatten die Gläubiger 2009 nahezu die gesamten Firmenwerte gepfändet. Abgewendet werden konnte der Zusammenbruch nur durch den Verkauf des Generikaherstellers Helvepharm für 43 Millionen Euro an Sanofi.

Etwas besser sieht es beim Konkurrenten Shop Apotheke aus. Eine ebenfalls im April kommenden Jahres fällige Anleihe über insgesamt 135 Millionen Euro mit einem Kupon von stattlichen 4,5 Prozent wurde bereits Ende 2020 abgelöst und günstig refinanziert: Die neue Anleihe über 225 Millionen Euro mit einem Kupon von 0 Prozent läuft noch bis 2028. Hinzu kommt, dass Shop Apotheke über liquide Mittel in Höhe von 226 Millionen Euro verfügt und mit zuletzt minus 21 Millionen Euro einen deutlich niedrigeren negativen Cashflow ausweisen kann.

Sparprogramm „Break even 2023“

Derweil versuchen Hess und Ziwica, das Geldverbrennen bei Zur Rose zu stoppen. Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen präsentierten sie das Programm „Break even 2023“: War noch im Frühjahr ein ausgeglichenes operatives Ergebnis (bereinigtes Ebitda) für 2024 ins Auge gefasst worden, soll dies nun bereits ein Jahr früher geschehen. Nicht weniger als 130 Millionen Schweizer Franken will das Management pro Jahr einsparen. 2023 will Zur Rose ein ausgeglichenes operatives Ergebnis erzielen und ein Jahr später auch den Mittelabfluss stoppen. Die Einsparziele seien dabei unabhängig vom E-Rezept.

Zweistelliger Umsatzverlust

Die Botschaft ist klar: Zur Rose will sich gesund schrumpfen. Durch besseren Einkauf und höhere Preise sollen die Margen verbessert werden, außerdem soll bei Personal, Logistik und Marketing drastisch gespart werden. Auch das Sortiment soll eingedampft werden. Der Fokus soll auf lukrativen Kunden und Aufträge liegen, auf Suchmaschinen und Preisvergleichsportale will man verzichten. Auch die internationale Expansion wird zurückgestellt. Alleine in diesem Jahr will das Management einen zweistelligen Umsatzverlust in Kauf nehmen. Nur eine Prämisse gibt es: Man werde die Marktführerschaft nicht aufgeben, so Hess.

Warum jetzt – und nicht schon früher? Durch das neue Logistikzentrum in Heerlen sieht sich das Management in der Lage, die lange überfälligen Synergien zu heben und Doppelkosten zu reduzieren – auch wenn dies erst einmal Geld kostet und sich wohl auch nicht überall stringent durchziehen lässt: Der Sitz von Medpex in Ludwigshafen soll weiterhin als Lager für freiverkäufliche Produkte dienen, auch Marketingkampagnen können teilweise nicht mehr eingestellt, sondern müssen umgewidmet werden. Die Kosten in Höhe von knapp 120 Millionen Franken werden sich laut Ziwica erst einmal nicht wesentlich reduzieren lassen.

Hess rechtfertigte den aggressiven Wachstumskurs der vergangenen Jahre: Man habe diverse Versender gekauft, um sich im Vorfeld des E-Rezepts deren Kundenbasis zu sichern. Nun müsse es gelingen, aus OTC-Käufern auch Rezeptkunden zu machen. Nach wie vor sei das E-Rezept eine einmalige Chance – wobei es aus strategischer Sicht nicht darauf ankomme, ob es drei Monate früher oder später komme. Aus der Finanzperspektive könnten drei Monate dagegen entscheidend sein.

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