Weniger Kontakte, weniger Atemwegserkrankungen

Erkältungsmarkt: Die letzte starke Saison?

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Berlin -

Erkältungsprodukte sind die größte OTC-Kategorie in der Apotheke. Nachdem sich viele Menschen zu Beginn der Corona-Krise mit entsprechenden Produkten eindeckten, brach der Markt mit dem Lockdown im März regelrecht ein. Experten fürchten, dass die Saison in Zukunft deutlich schwächer ausfallen könnte als bislang: Weniger Kontakte führen zu weniger Ansteckungen, das zeigen bereits die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI). Und zum verringerten Kontakt kommt das neue Einkaufsverhalten vieler Verbraucher.

Mit dem Lockdown brachen die Abverkäufe in den Apotheken regelrecht ein. Das traf auch die Kategorien rund um Erkältungskrankheiten: Waren in KW 11 noch knapp 8 Millionen Packungen an Nasensprays, Halsbonbons, Husten- und Grippemitteln verkauft worden, waren es in KW 12 nur noch 3 Millionen Packungen, in den Wochen danach sogar jeweils weniger 2 Millionen Packungen.

Auch wenn in diesen Frühlingswochen regelmäßig die Erkältungswelle zu Ende geht und die Abverkäufe deutlich sinken: Im Vergleich zu den beiden Vorjahren fehlen pro Woche rund eine Million Packungen. Sicherlich spielen die Vorzieheffekte eine Rolle, doch die ersten Hersteller sorgen sich, dass der Einbruch von Dauer sein könnte.

Denn sowohl Analysen der Arbeitsgemeinschaft Influenza, in die Meldungen aus rund 600 Arztpraxen einfließen, als auch Daten des Portals Grippeweb, über das rund 8000 registrierte Verbraucher selbst Informationen zu Erkältungen melden, zeigen einen deutlichen Rückgang an akuten Atemwegserkrankung (ARE, mit Fieber oder ohne Fieber) und grippeähnlichen Erkrankungen (ILI, definiert als ARE mit Fieber) gegenüber den Vorjahren. „Die wegen der Covid-19-Pandemie geschlossenen Kitas und Schulen und die von der Bundesregierung beschlossenen Kontaktbeschränkungen scheinen zu einer deutlichen Reduzierung der ARE-und ILI-Aktivität beizutragen“, so das RKI.

Auch wenn die Kontaktsperren gelockert wurden, könnte sich das Verhalten vieler Menschen nachhaltig verändern, so die Sorge von Unternehmen, die in dem Bereich aktiv sind: Man bleibt auf Distanz, beachtet Hygieneregeln, steckt sich und andere seltener an. Nicht nur das Coronavirus soll so gestoppt werden, auch andere Erkältungsviren haben es plötzlich deutlich schwerer, sich in der Bevölkerung auszubreiten. „Corona wird am Apothekenmarkt nicht spurlos vorübergehen“, sind sich die Hersteller einig.

Noch sind Marktforscher vorsichtig: „Gegenüber den beiden Vorjahren hatten wir im Erkältungsmarkt einen verhältnismäßig starken Einbruch im März, der sich nun auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau im April und Mai manifestiert hat. In der kumulierten Betrachtung liegt die aktuelle Saison – aufgrund von teils recht hohen Umsätzen in den Vormonaten – jedoch immer noch knapp auf Vorjahresniveau“, sagt Michael Hensoldt, Geschäftsführer von Insight Health. Ein kausaler Zusammenhang des aktuellen Marktverlaufs mit einem verringerten Infektionsgeschehen im Kontext der getroffenen Corona-Maßnahmen sei aber „zumindest naheliegend“.

Erschwerend hinzu kommen könnte für die Apotheken das veränderte Einkaufsverhalten: Viele Verbraucher kauften früher spontan Medikamente gegen Erkältungen ein, wenn sie Symptome hatten. Doch schon seit einiger Zeit gibt es einen Trend zur Bevorratung zu Saisonbeginn – verstärkt auch im Versandhandel. Eine der ersten Erfahrungen aus der Corona-Krise lautet: Es ist gut, einen gewissen Bestand an wichtigen Artikeln des täglichen Bedarfs zu Hause zu haben. Stichwort: Nudeln und Toilettenpapier. Seit Corona gehören auch Schmerz- und Fiebersenker in diese Kategorie. Die spontane Zusatzempfehlung könnte künftig deutlich schwieriger werden.

 

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