Von fremden Bakterienstämmen profitieren

Stuhltransplantation: Chancen für Kolitis-Patienten

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Berlin -

Was erst einmal befremdlich klingt, kann für Kolitis-Patienten ein Weg aus der langwierigen Krankheit sein. Bei einer durch Antibiotika stark geschädigten Darmschleimhaut kann sich das Bakterium Clostridiodes difficile stark vermehren. Die vom Keim ausgeschiedenen Toxine verursachen Fieber, Bauchschmerzen, Durchfall und Flüssigkeitsverlust. Eine Transplantation von Stuhl gesunder Patienten kann zur Neuansiedlung von „guten“ Bakterienstämmen führen – die Darmflora kommt ins Gleichgewicht.

Eine Stuhltransplantation wird auch fäkaler Mikrobiomtransfer genannt. Bei der Behandlung wird der Stuhl eines gesunden Spenders in den Darm einer erkrankten Person gesetzt, dies geschieht mittels Endoskopie oder durch die Einnahme von Kapseln.

Stuhltransplantation – Ursprüngliche Anwendung

Der Stuhl eines gesunden Spenders wird mit physiologischer Kochsalzlösung vermischt und grob gefiltert. Die Suspension wird durch einen Einlauf oder während einer Koloskopie in den Dickdarm des Patienten eingebracht. Die Injektion durch eine Duodenalsonde in den Zwölffingerdarm ist ebenfalls möglich.

Stuhltransplantation – Einnahme von Kapseln

Die Herstellung von Kapseln ist in Europa noch weitestgehend unbekannt. In den USA hat die FDA eine ausführliche Stellungnahme zum Thema „Stuhltransplantation und Kapselherstellung“ publiziert. In Amerika erfolgt vor der Herstellung ein Stuhlscreening der Spender – erst wenn das Mikrobiom als geeignet angesehen wird, erfolgt die Produktion der Kapseln. Hierfür wird der Stuhl verflüssigt, gereinigt und aufkonzentriert. Dieses Konzentrat wird zusammen mit Kochsalzlösung und Glycerin suspendiert. Diese Suspension wird zu säureresistenten Kapseln verarbeitet. Die Lagerung erfolgt tiefgekühlt.

Spenderauswahl

In Frage kommen gesunde und vor allem „stuhlgesunde“ Personen. Spender, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Patienten leben oder mit ihm verwandt sind, werden aufgrund von geringerem Ekelfaktor sowie einer vermeintlich geringeren „Infektionsgefahr“ (aufgrund des ohnehin bestehenden gemeinsamen Mikrobioms) bevorzugt. In Labortests werden Spender auf verschiedene Infektionskrankheitenuntersucht, vor allem auf pathogene Darmkeime.

Clostridien scheiden Giftstoffe aus. Diese führen zu starken Diarrhoen samt mitunter lebensbedrohlichen Flüssigkeitsverlust. Auch blutige Durchfälle können auftreten, denn das Gift des Keims zerstört die Schleimhautschichten und es kommt zu Fibrinausschwitzungen, die in der Koloskopie als „Katzenköpfe“ beschrieben werden. Leitsymptome der Erkrankung sind Durchfall und Bauchkrämpfe.

Eine längere Antibiotika-Einnahme begünstigt die Besiedlung mit Clostridien. Gewisse Wirkstoffe fördern diesen Vorgang mehr als andere: Lincosamide, Cephalosporine und Chinolon-Antibiotika sind hervorzuheben. Antibiotika stören im Allgemeinen die physiologische Darmflora. Darüber hinaus sorgen die Wirkstoffe für Verschiebungen im Gallensäurehaushalt, so dass die Vermehrung von vegetativen Formen des Clostridioides difficile nicht mehr ausreichend gehemmt wird. Da das Bakterium im sauren Milieu des Magens weitgehend zerstört wird, stellen Protonenpumpenhemmer (Pantoprazol, Omeprazol) einen Risikofaktor für eine Antibiotika-assoziierte Diarrhoe dar.

Trotz einer antibiotischen Therapie, erkranken 10 bis 30 Prozent der Clostridien-Patienten innerhalb von zwei Monaten wieder an dem Keim – die Darmschleimhaut kommt nicht zur Ruhe und eine erneute Antibiotika Einnahme wird erforderlich. Erste Studien zur Wirksamkeit einer Stuhltransplantation zeigen positive Ergebnisse. Eine einmalige Behandlung, egal ob per Einlauf oder durch die Einnahme von Kapseln, führt bei 60 bis 90 Prozent der Patienten zur Rezidivfreiheit. Neben der ursprünglichen Indikation "Antibiotikaassoziierte Kolitis" werden weitere Indikationen untersucht, vor allem chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Seit 2012 gibt es in den USA eine Stuhlbank.

Antibiotikaassoziierte Kolitis

Das grampositive, anaerobe Bakterium Clostridioides difficile ist kein Bestandteil der physiologischen Darmflora. Bei drei bis sieben Prozent aller Erwachsenen lässt sich der Keim ohne Krankheitssymptome nachweisen. Bei Säuglingen ist die Zahl weitaus höher: 50 Prozent tragen das Bakterium in sich. Patienten im Krankenhaus scheiden Clostridioides difficile mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent aus. Auch nach Absetzen kann ein Antibiotikum eine antibiotikaassoziierte Kolitis auslösen, bis zu vier Wochen nach Einnahmeende kann es zur Krankheitsentstehung kommen.

Ursache für die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe ist meist eine nosokomiale Infektion mit virulenten Keimen, die durch eine Antibiotikatherapie gebahnt wird. Risikofaktoren sind höheres Lebensalter, ein längerer Klinikaufenthalt und Sondenernährung.

Therapie

  • Absetzen der momentanen Antibiotikatherapie
  • Einnahme von Saccharomyces boulardii (Hefe)
  • Wasser- und Elektrolythaushalt normalisieren
  • Antibiotikatherapie mit Metronidazol
  • Rezidiv-Therapie: Vancomycin (in Kombination mit Metronidazol möglich)
  • Stuhltransplantation
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