Klauseln in Lieferverträgen

Darum wird Biontech gespendet, während Moderna verfällt

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Berlin -

Die Ärzte sollen Moderna ordern, damit der Corona-Impfstoff nicht verfällt. Dabei könnten die Vakzine an ärmere Länder mit deutlich niedrigeren Durchimpfungsraten gespendet werden – eigens dafür war die Initiative Covax gegründet worden. Doch so einfach ist es nicht, wie ein Blick in die Verträge verrät. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat bereits seine Frustration über die Lage geäußert.

Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs Spikevax von Moderna drohen zu verfallen, weil sie noch nicht verimpft wurden. Für die meisten Menschen in Deutschland ist Comirnaty immer noch das Mittel der Wahl. Gleichzeitig betont das BMG durchgehend, dass genug Impfstoff da sei. Wieso also nicht an ärmere Länder spenden, die sich die hiesigen Konditionen nicht leisten können? Das liegt auch im Interesse der Industrienationen, schließlich ist die Pandemie global und die weitere ungehemmte Ausbreitung in den Ländern des globalen Südens kann durch die Entstehung neuer Mutationen mit möglichen Resistenzen gegen die aktuellen Impfstoffe auch auf wohlhabendere Gesellschaften zurückfallen.

Die Bundesregierung hat deshalb versprochen, bis Jahresende 100 Millionen Dosen zu spenden: 50 Millionen Dosen Vektorimpfstoff von AstraZeneca und Johnson & Johnson sowie weitere 50 Millionen Dosen mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna. Gespendet wurden bis Ende Oktober aber laut ARD lediglich 19 Millionen Dosen – allesamt AstraZeneca-Impfstoff. Grund soll sein, dass die Hersteller – und unter ihnen insbesondere Moderna – Bedingungen stellen, die eine schnelle Weitergabe an ärmere Länder massiv erschweren.

Das geht aus einem Schreiben von BMG-Staatssekretär Thomas Steffen hervor, das das ARD-Magazin „Kontraste“ eingesehen hat. Steffen hatte sich demnach gegenüber der EU-Kommission mit deutlichen Worten über das Gebaren der Hersteller beschwert und bereits am 18. Oktober vor dem Zustand gewarnt, der jetzt eingetreten scheint: „Wir werden demnächst vor einer Situation stehen, in der einige Länder große Mengen an Impfstoff vernichten müssen, der anderswo dringend benötigt wird“, so Steffen.

Betroffen ist nicht nur Deutschland, denn die Gründe dafür liegen in den Verträgen der Hersteller mit der EU-Kommission: In ihnen ist geregelt, dass die Staaten gekaufte Impfstoffe nicht nach eigenem Ermessen weitergeben dürfen, sondern die Unternehmen vorab Abgabeverträgen einwilligen müssen – also de facto ein Vetorecht haben. Will ein Staat Impfstoff spenden, muss er pro – bereits erworbener – Dosis eine bestimmte Summe an den Hersteller zahlen. Hintergrund ist die Rechnung, dass jede gespendete Dosis nicht mehr an den jeweiligen Drittstaat verkauft werden kann.

Biontech-Rationierung, weil sich Moderna querstellt?

Steffens Schilderung gegenüber der EU-Kommission zufolge nutzen einige Hersteller das wohl hemmungslos aus: Demnach würden sie „Mindestpreise diktieren“ oder von den Empfängern „überzogene Ausgleichszahlungen“ fordern. Und nicht nur das: Neben staatlichen Strukturen sind vor allem in afrikanischen Ländern auch internationale Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen wesentlich an den Impfkampagnen beteiligt. Steffen wirft den Herstellern vor, die Verteilung der Impfstoffe durch solche internationalen Organisationen zu verbieten. Das sei „inakzeptabel“.

Die Höhe geforderter oder bereits vereinbarter Mindestpreise oder Ausgleichszahlungen zuzüglich zum ursprünglichen Preis nannte Steffen in dem Schreiben nicht. Zumindest im Fall von Biontech und Johnson & Johnson scheinen sie aber bereits festzustehen, laut BMG wurden entsprechende Rahmenverträge mit Covax bereits unterzeichnet. Der ARD zufolge stellte sich aber vor allem Moderna noch quer, die Unterzeichnung des Vertrags habe auf sich warten lassen. Mittlerweile hat das Unternehmen eine Vereinbarung bekanntgegeben, die Spenden von mehr als 70 Millionen Dosen im Jahr 2021 ermöglichen. Das schließe eine initiale Spende von 15 Millionen Dosen durch Frankreich und 40 Millionen Dosen durch Deutschland ein.

Das könnte einen ursächlichen Zusammenhang zur aktuellen Situation haben: Steffens Schreiben zufolge will die Bundesregierung noch im November 10 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs spenden, aus dem mRNA-Spendenkontingent bleiben also 40 Millionen Dosen, die allesamt von Moderna sein sollen. Laut Lieferprognose des BMG sollen aber allein im vierten Quartal 47 Millionen Dosen ausgeliefert werden – definitiv mehr als dieses Jahr noch benötigt wird, aber bereits 2020 vertraglich vereinbart. Jetzt noch möglichst viel Moderna zu verimpfen, könnte also nicht nur verschwendete Investitionen verhindern, sondern auch konkrete neue Ausgaben.

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