Es ist kein Ende in Sicht bei Rezeptur-Retaxationen. Im Gegenteil: „Mittlerweile habe ich einen fünfstelligen Betrag von der Kasse abgesetzt bekommen“, ärgert sich Andrea Kampmann, Inhaberin der Rats-Apotheke in Uchte. Es sei immer wieder das gleiche Problem: „Angeblich rechnen wir falsch ab.“
Seit Jahresbeginn habe sich eine hohe Summe an Retaxationen angesammelt. „Ständig bekommen wir Rezepturabrechnungen zurück“, erklärt die Inhaberin. Rechne sie alles zusammen, was die Kassen alleine seit Januar für Rezepturen retaxiert haben, so komme sie auf etwa 20.000 Euro.
Der Grund für die Retaxationen sei immer wieder gleich: „Wir rechnen angeblich falsch ab. Dabei kommt es mir so vor, als würden die Kassen eine eigene Rechnung aufmachen“, so Kampmann. Das Rezepturgeschäft sei ohnehin längst nicht mehr auskömmlich. „Seit der Kündigung der Hilfstaxe – Anlagen 1 und 2, hängen wir in der Luft“, beklagt sie.
Denn seither herrscht ein vertragsloser Zustand. „Der Vertrag wurde gekündigt, aber wir müssen die Anfertigungen trotzdem weiter berechnen“, so Kampmann. „Verlangt wird, die kleinste lieferbare Packung abzurechnen, ebenso soll ich bei Rezeptursubstanzen nur das angeben, was ich letztendlich auch eingewogen habe“, so die Inhaberin.
So lautete auch der Appell der Verbände im Februar diesen Jahres: Rezepturen sind weiterhin nach §§ 4 und 5 der AMPreisV zu taxieren und gegen Retaxationen Einspruch einzulegen. „Trotzdem heißt es immer wieder von den Kassen, der Preis sei zu hoch, und es wird runter gerechnet“, so die Apothekerin.
„Natürlich erheben wir Einspruch, aber große Chancen rechne ich mir damit nicht aus. Auf den Landesapothekerverband sowie die Apothekerkammer ist kein Verlass, ich sehe ehrlich gesagt kein Licht am Ende des Tunnels“, so Kampmann. „Ich habe als Inhaberin keinen Rückhalt bei der Standesvertretung.“ Es bestehe kein Handlungsbedarf, wenn eine Berechnung beigefügt wurde, habe man ihr mitgeteilt.“ Somit falle für sie ein Mustereinspruch in vielen Fällen weg.
Schon zum Jahresbeginn überlegte sie ernsthaft, gar keine Rezepturen mehr anzufertigen. „Im Grunde müsste man die Patienten wegschicken, aber mir tun die Menschen leid, und den Kontrahierungszwang gibt es ja auch noch. Aber ich bin wirklich frustriert, weil meiner Meinung nach schlicht der Wille von der Standesvertretung fehlt, das Rezepturgeschäft für die Apotheken lukrativ zu gestalten.“
Ein weiteres Problem: „Die Rezepturverordnungen per E-Rezept häufen sich. Dabei läuft auch so vieles schief“, beklagt Kampmann. „Viele Ärztinnen und Ärzte hauen die Rezeptur einfach irgendwie in den Freitext rein, so dass wir am Ende den Mehraufwand haben.“
Man müsse außerdem bedenken, was alles noch zu einer Rezepturherstellung gehöre. „Alles muss protokolliert und auf Plausibilität geprüft werden, wenn es zu unklaren Freitextverordnungen kommt, folgen Rücksprachen mit den Arztpraxen, es entstehen Kosten, die einem keiner bezahlt.“ Zum Glück habe sie ein gutes Team: „Meine Mitarbeiterinnen können vieles abfedern und wissen meist schon was eigentlich gemeint ist, wenn es zu wilden Rezepturverordnungen im Freitext kommt“, so Kampmann.
Seit Kündigung der Hilfstaxe kassieren die Apotheken bereits Retaxationen. Sechs von zehn Kolleg:innen haben laut einer Umfrage von aposcope bereits eine Reklamation seitens der Kassen erhalten – jede:r zweite sogar mehrmals. 63 Prozent erhielten eine anteilige Kürzung, 10 Prozent eine Vollabsetzung und 22 Prozent haben sowohl Teil- als auch Vollabsetzungen erhalten.
Aber nicht nur die Preisberechnung führt zu Retaxationen. Die Kassen kürzen auch aus anderen Gründen:
Zur Methodik: An der Online-Befragung nahmen vom 28. bis 29. Mai insgesamt 301 verifizierte Apotheker:innen und PTA zu den Themen Rezeptur und Rezeptfälschungen teil.