Pregabalin-Patentstreit

„Apotheker sollten sich nicht verunsichern lassen“

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Berlin -

Original oder Generikum? In den Apotheken sorgen Rezepte über Pregabalin derzeit für Verunsicherung. Der Lyrica-Wirkstoff ist in zwei Indikationen patentfrei, in einer dritten aber noch geschützt. Pfizer kämpft mit Nachdruck für seine Rechte. Der Patent- und Arzneimittelmittelrechtsexperte Peter von Czettritz von der Münchener Kanzlei Preu Bohlig & Partner gibt Entwarnung: Zuvorderst sollten Apotheker darauf achten, nicht gegen die sie direkt betreffenden Verpflichtungen zu verstoßen.

Wenn der Arzt Pregabalin als Zusatztherapie bei partiellen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung oder zur Behandlung von generalisierter Angststörung verschreibt, ist der Fall unbedenklich. Anders sieht die Sache bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen aus: In dieser Indikation, die offenbar die häufigste ist, ist der Wirkstoff noch bis Juli 2017 geschützt.

Demnach besteht die theoretische Gefahr, dass sich die Apotheker bei der Abgabe eines Generikums der mittelbaren Patentverletzung schuldig machen. Laut Patentgesetz kann ein solcher Verstoß allerdings nur geahndet werden, wenn die Patentverletzung nachweislich bekannt oder offensichtlich ist. Auch wenn Pfizer alle Hebel in Bewegung setzt, um die Problematik in die Köpfe der Apotheker zu bekommen: Diagnose oder Indikation wissen die Mitarbeiter am HV-Tisch trotz Warnhinweis in der Apotheken-EDV noch lange nicht.

Entsprechend sieht von Czettritz auch keine Gefahr für die Apotheker. Für sie gebe es faktisch gar keine Gelegenheit, die konkrete Indikation in Erfahrung zu bringen: Der Arzt dürfe sie wegen seines Berufsgeheimnisses nicht verraten; Nachfragen beim Patienten seien ebenso wenig zielführend: Denn dem Kunden stehe es frei, angesichts der „ungehörigen Frage“ nicht nur die Antwort zu verweigern, sondern auch bewusst falsche Auskünfte zu geben.

„Was nützt die Nachfrage, wenn keine verwertbare Antwort zu erwarten ist“, argumentiert von Czettritz. Seiner Meinung nach können sich Apotheker daher gar nicht schuldig machen, auch wenn mit der Abgabe gegen den Patentschutz verstoßen würde: „Wenn der Apotheker die erforderlichen Informationen weder kennt noch diese offensichtlich sind, kommt eine mittelbare Patentverletzung nicht in Betracht.“ Der Apotheker dürfe daher darauf vertrauen, dass der Arzt wisse, was er tue: „Daher sollte er sich genau überlegen, ob er sich in das Arzt/Patienten-Verhältnis einmischen will.“

Der Jurist, der im April im Streit mit Pfizer die Stada-Tochter Aliud vertreten hatte, vermutet, dass es Pfizer zumindest gelegen kommt, wenn verunsicherte Apotheker statt des Rabattarzneimittels vorsorglich das Original abgeben. Nicht absehbar seien die Risiken, wenn Apotheker ihre eigenen Verpflichtungen nach Sozialgesetzbuch (SGB-V) unterordneten: „Die Regelungen zur Austauschbarkeit sind elementar für den Apotheker, denn sie richten sich direkt an ihn“, so von Czettritz. Für die Belieferung von Rabattverträgen gelten nämlich konkrete Vorgaben – an die sich der Apotheker seiner Meinung nach auch zuvorderst zu halten hat.

Zwar sei in den aktuellen Verfahren streitig, welche Rechtsnorm – Sozial- oder Patentrecht – Vorrang habe. Dies zu klären, sei aber Sache der Politik. Der Gesetzgeber sei bei der Überarbeitung der Aut-idem-Regelungen explizit darauf aufmerksam gemacht worden, dass durch die Vorschriften zur Substitution der Patentschutz ausgehöhlt werden könnte, so von Czettritz. „Das hat ihn nicht abgehalten, seine Pläne umzusetzen. Solange der Gesetzgeber nicht aktiv wird, sehe ich keinen Ansatzpunkt, dass Leistungserbringer in die Pflicht genommen werden können.“

Noch verhandeln Pfizer, Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband, wie im Fall von Lyrica mit der Indikation und dem Patentschutz umzugehen ist. Bislang gab es keinen vergleichbaren Fall, der solche Wellen geschlagen hat.

Laut Rahmenvertrag sind die Apotheker verpflichtet, beim Austausch von Arzneimitteln neben der Wirkstärke und Packungsgröße auf einen identischen Indikationsbereich zu achten. Allerdings ist diese Formulierung schon durch die Rabattverträge angepasst worden: Die Übereinstimmung in einem von mehreren Anwendungsgebieten ist demnach ausreichend, heißt es in der aktuellen Version.

Allerdings hatte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) vor einigen Jahren in einem Streit um Clopidogrel den Standpunkt vertreten, dass Apotheker gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verpflichtet sind, eventuelle Unklarheiten – etwa durch Rücksprache mit dem verordnenden Arzt – vor der Abgabe zu beseitigen. Dazu gehörte aus Sicht der Richter auch die Indikation, die gegebenenfalls abzufragen sei.

Laut Arzneiverordnungsreport stand das Antiepileptikum 2013 mit 2,4 Millionen Verordnungen im Wert von 281 Millionen Euro zu Apothekenverkaufspreisen auf Platz 26. Hierzulande wurde Lyrica 2004 eingeführt, das zusätzliche Patent war zwei Jahre nach dem ursprünglichen erteilt worden und gilt damit bis Juli 2017.

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