Streit im Apothekenteam

„Ich werde meistens zu spät gerufen“

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Berlin -

Wäre das nicht schön: Alle Mitarbeiter haben sich lieb, morgens umarmen sie sich zur Begrüßung, teilen fröhlich ihren mitgebrachten Lunch. Ärger gibt es nur, wenn sie sich zanken, wer die Regale wischen darf. Die Realität sieht anders aus: Wenn es Unstimmigkeiten gibt, über die nicht gesprochen wird, kommt es irgendwann zum Knall. Die Berliner Mediatorin Annette Kurz weiß, wie man Konflikte löst.

Sie zählt die häufigsten Konfliktsituationen in Apotheken auf: „Das größte Problem ist, dass es nicht genug Kommunikation gibt. Die Verantwortungsbereiche sind nicht klar definiert, es geht durcheinander, wer was macht. Viele Menschen kommen und wollen Ratschläge und Beratung, das kann sehr lange dauern, dann bleibt andere Arbeit liegen. Es ist schwierig, die Balance zwischen Verkauf und Beratung zu finden.“

Die Berliner Mediatorin berät Unternehmen aller Art und bundesweit auch viele Apotheken: „Alle Probleme, die es im Handel gibt, sind auch apothekenspezifisch. Apotheker müssen heutzutage sehr gut kalkulieren, Apotheken sind oft personell unterbesetzt, es gibt unglaublich viel zu tun“, berichtet sie von ihrer Arbeit. Auf allen laste Druck und jeder gehe unterschiedlich damit um. Erschwerend kommt dazu, dass in Apotheken der Platz oft eng bemessen ist und es kaum Rückzugsorte gibt, wenn ein Mitarbeiter einmal eine Viertelstunde für sich benötigen würde, um den Ärger über einen Kollegen verblassen zu lassen.

Spricht man den anderen nicht an, schwelt der Ärger oft weiter. „Mitarbeiter beginnen, schlecht übereinander zu reden. Das kann vielleicht die kleine Bemerkung ‚Typisch, er geht immer in die Pause, wenn es hier voll ist‘ oder ein Satz darüber sein, dass die andere die Medikamente falsch eingeräumt oder nicht ordentlich gewischt hat.“ Hat man sich erst in seiner Kritik verfangen, merken auch die anderen Kollegen deutlich, dass der Offizin-Segen schief hängt: „Man gibt deutlich zu verstehen, dass man selbst der beste Mitarbeiter – und der andere nichts wert ist.“

Ein kluger Chef wählt spätestens jetzt die Nummer eines Mediators. „Ich werde meistens zu spät gerufen“, sagt Kurz. Sie behält trotzdem ihren Optimismus, denn bislang habe sie noch jedes Problem gelöst. „Jeder Konflikt lässt sich zurückverfolgen, es ist immer ein verpasstes Gespräch oder ein kleines Missverständnis.“ Zuerst spricht sie mit dem Chef, danach mit den betroffenen Mitarbeitern.

„Wenn das Problem nur einen kleinen Kreis betrifft, kann dies oft schnell ausgeräumt werden. Man muss schauen, wo der Kern des Konfliktes ist, dort die Gespräche ansetzen. Bei diesen Gesprächen bleibt der Chef außen vor, sie finden an einem neutralen Ort statt.“

Ihre Erfahrung zeigt: „Niemand hat ein schlechtes Motiv, die Probleme entstehen immer durch Vorurteile oder Missverständnisse. Ich versuche, die Betroffenen dazu zu bringen, sich in die anderen hinein zu versetzen.“ Das Wichtigste, so Kurz, sei Verständnis. „Gemeinsam suchen wir Lösungsmöglichkeiten und Möglichkeiten, in Zukunft miteinander umzugehen.“

Denn im Grund wollten Menschen nur drei Dinge: „Wir möchten alle geschätzt, geachtet und verstanden werden.“ Oft erlebt sie rührende Versöhnungen: „Wenn das Missverständnis geklärt ist und die Beteiligten sich entschuldigt haben, ist das schön.“ Alles heile Welt? Nur bedingt: „Manchmal passt ein Mitarbeiter einfach nicht ins Team.“ Dann sagt sie das so diplomatisch wie möglich – eine Entscheidung fällt diesbezüglich sowieso der Chef.

Oft brauchen auch die Vorgesetzten die Hilfe von Annette Kurz: „Beteiligt oder betroffen sind die Chefs immer. Viele lassen Probleme schleifen oder merken sie gar nicht.“ Von Schlichtungsversuchen der Vorgesetzten rät sie ab: „Sie stecken zu tief drin, es ist für Mitarbeiter schwieriger, wenn der Chef zu vermitteln versucht.“ Ein Mediator hat den sachlichen Blick von außen und findet schneller professionelle Lösungen.

Ist die Kuh vom Eis, ist der Job eines guten Mediators allerdings noch nicht beendet: „Ich rate Apotheken zu eineinhalbstündigen Teamtreffen, die idealerweise alle zwei Monate stattfinden sollten. Und einmal im Jahr ist ein Teamtag sinnvoll, alle treffen sich außerhalb der Apotheke an einem netten Ort.“ Dabei können Probleme besprochen, aber auch neue Wege der Organisation der Abläufe gefunden und abgestimmt werden. Neurowissenschaftler können belegen, dass Menschen unter Angstgefühlen nicht mehr in der Lage sind, vernünftig zu denken - ein guter Chef erkennt, wenn die Situation zu eskalieren droht und findet im Idealfall schon früh einen Lösungsansatz. Spaß an der Arbeit ist keine leere Worthülse, wer seine Mitarbeiter zu motivieren versteht, kann ungeahnte Potenziale wecken.

Warum sie gerne Apotheker berät, erklärt Annette Kurz so: „Apotheker möchten immer etwas Gutes tun, verlieren aber gleichzeitig auch oft die Geschäfte aus den Augen. Sie sind hilfsbereite Menschen und wollen heilen. Im Idealfall ist eine Apotheke eine kleine Insel in der Nachbarschaft, in der die Atmosphäre der Gesundheit und Heilung zu spüren ist. Apotheker wünschen sich überall gesunde Beziehungen – natürlich auch am Arbeitsplatz.“ Und sie leiden, wenn es mit der Harmonie nicht klappt.

Eine Stunde Mediation kostet zwischen 150 und 200 Euro. Annette Kurz ist Schauspielerin und erlernte den Beruf der Mediatorin vor 25 Jahren. „Damals dachten noch alle, es handle sich um Meditation und viele fragten, ob sie eine Yogamatte mitbringen sollen.“ Heute bildet sie den Nachwuchs aus, seit 1996 unterrichtet sie Mediations- und Konfliktmanagement, seit 2001 auch an der FH Potsdam.

Zu ihren Kunden gehören neben vielen Apotheken die Stadtverwaltung Potsdam, das Bundesministerium der Finanzen, die Galenus Apotheke in Berlin, die Landesbank Berlin und der Hersteller Weleda. „So lange die Kasse stimmt, lassen viele Apotheker es laufen, auch wenn sie wissen, dass es Probleme gibt“, sagt sie. Langfristig schlägt sich die schlechte Stimmung auch in der Leistung der Mitarbeiter nieder – und in der Folge auch im sinkenden Umsatz.

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