Hilfsmittel

Stiefkinder in der Apotheke

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Berlin -

Die Abgabe von Hilfsmitteln macht keinen Spaß. Die Erträge sind mager, der Aufwand ist erheblich: Je nach Kasse gibt es unterschiedliche Verträge, meist sind spezielle Qualifikationen vorgeschrieben. Dazu kommt ein breites Produktspektrum. Nur wer regelmäßig mit dem Thema zu tun hat, bekommt den Überblick. Viele Apotheken haben sich aus dem Segment verabschiedet. Zumindest rechtlich ist das kein Problem: Denn anders als bei Arzneimitteln gibt es in diesem Bereich keinen Kontrahierungszwang.

Laut Apothekengesetz (ApoG) obliegt den Apotheken „die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.“ Von einer Versorgung mit Hilfsmitteln ist dort nicht die Rede. Der Kontrahierungszwang gilt also nur für Arzneimittel, zu denen auch Rezepturen zählen.

Um das Feld nicht komplett den Sanitätshäusern und Versendern zu überlassen, plant der Deutsche Apothekerverband (DAV) derzeit eine Hilfsmitteldatenbank. Das Rechenzentrum AvP hatte ein solches Verzeichnis, das die jeweiligen Anforderungen auf Knopfdruck liefert, bereits vor einem Jahr vorgestellt. In den meisten Fällen beauftragen aber die Apotheken die Clearingstelle ihres Verbands mit der Prüfung.

Die Kassen können für die Hilfsmittelversorgung spezielle Vorgaben machen: „Vertragspartner der Krankenkassen können nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen“, heißt es im Sozialgesetzbuch (SGB V). Der GKV-Spitzenverband soll demnach Empfehlungen für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen, einschließlich der Fortbildung der Leistungserbringer, geben.

Wer als Apotheke Hilfsmittel abgeben möchte, muss sich also normalerweise zunächst präqualifizieren, um den Vorschriften gerecht zu werden. Dabei sind die Hilfsmittel in unterschiedlichen Versorgungsbereichen gruppiert. Kompliziert wird es, wenn der GKV-Spitzenverband Änderungen bei einzelnen Gruppen vornimmt.

Bei einer Zusage von einer der rund 30 Präqualifizierungsstellen in Deutschland bekommt die Apotheke eine Bestätigung, die fünf Jahre lang gültig ist. Außerdem ist ein Liefervertrag mit der Krankenkasse nötig, denn die Abgabe von Hilfsmitteln bedarf der Genehmigung durch die Kasse, soweit deren Bestimmungen nichts anderes vorsehen.

Eine Liste der benannten Präqualifizierungsstellen gibt es beim GKV-Spitzenverband. Ihr ist auch zu entnehmen, für welche Versorgungsbereiche die Stellen ihre Dienstleistung jeweils anbieten. Die Kassen können seit 2011 eine solche Präqualifizierung verlangen. Die Prüfung hat sich weitgehend durchgesetzt. Etwa drei Viertel aller Apotheken haben sich Schätzungen zufolge inzwischen für bestimmte Bereiche zertifizieren lassen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) definiert Hilfsmittel als „Gegenstände, die im Einzelfall erforderlich sind, um durch ersetzende, unterstützende oder entlastende Wirkung den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen“. Beispiele sind Brillen und Hörgeräte, medizinische Strümpfe, Prothesen, Milchpumpen, orthopädische Schuhe und Rollstühle, Inkontinenz- und Stoma-Artikel, bestimmte Spritzen, Mess- und Inhalationsgeräte.

Hilfsmittel werden auf Muster 16, dem rosafarbenen Kassenrezept, verordnet. Ausnahme sind Hör- und Sehhilfen. Damit ein Hilfsmittelrezept abgerechnet werden kann, muss es Art, Menge, Preis und Versorgungszeitraum, zum Beispiel die Angabe „Monatsbedarf“, enthalten, außerdem Arztnummer und Diagnose. Eine Hilfsmittelverordnung ist 28 Kalendertage gültig.

Der GKV-Spitzenverband erstellt ein Hilfsmittelverzeichnis. Die Kostenübernahme durch die Kassen ist in der Regel nur dann möglich, wenn ein Produkt darin aufgeführt ist. Ansonsten müssen die Versicherten, sofern sie überhaupt ein berechtigtes Interesse haben, die Mehrkosten selbst tragen. Es können aber auch Hilfsmittel erstattungsfähig sein, die nicht im Verzeichnis gelistet sind. Der Sicherstellungsauftrag liegt bei den Krankenkassen, darum können auch nur diese solche Einzelfälle beurteilen.

Vermutlich wegen all dieser Vorschriften über ein nicht besonders lohnendes Geschäft haben die Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC den Begriff „Präqualifizierung“ 2011 zum Unwort des Jahres gewählt. Denn oft bringt die Hilfsmittelversorgung den Pharmazeuten mehr Ärger als Einnahmen: Durchschnittlich wird nur rund 2 Prozent des Umsatz in Apotheken mit Hilfsmitteln generiert.

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