AOK-Zytoverträge

Apotheker riskiert Retax für Krebspatientin

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Berlin -

Die AOK hält trotz teilweise massiver Probleme an ihren Zyto-Verträgen fest. Beim AOK-Bundesverband hält man die Kritik von Onkologen und Apothekern für eine Reaktion auf verlorene Geschäfte. Doch in der Praxis treten immer wieder Probleme in der Versorgung von Krebspatienten auf. Sogar die Tagespresse hat das Thema aufgegriffen. In einem Fall wollte die Kasse einer Apotheke ohne Exklusivvertrag nicht einmal schriftlich bestätigen, dass sie für den offenbar überforderten Vertragspartner der AOK einspringen darf.

Eine Patientin sollte Soliris (Eculizumab) infundiert bekommen. Der Onkologe bestellte bei der Apotheke, die seit August den Exklusivanspruch für dieses Gebietslos hat. Doch diese hatte offenbar Probleme mit der Bestellung. Die Lieferung wurde kurzfristig abgesagt, weil sich die Apotheke zur Beschaffung des Medikaments erst beim Hersteller registrieren musste. Das Medikament könnte erst einige Tage später geliefert werden, wurde dem Onkologen mitgeteilt. Für die Patientin wäre das zu spät gewesen.

Die Arztpraxis versuchte daher, von der AOK eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen, dass die bisher versorgende Apotheke in diesem Fall einspringen darf. Die erste Reaktion seitens der Kasse seien Vorhaltungen und Schuldzuweisungen gegenüber den Ärzten gewesen, warum sie die Therapie nicht früher bestellt hätten. Schließlich erteilte die AOK eine Ausnahmegenehmigung und bewilligte auch die Erstattung der Lieferkosten.

Doch damit war das Problem nur aufgeschoben. Denn die AOK-Partnerapotheke verweigerte auch bei der nächsten Bestellung die Lieferung. Eculizumab sei nicht von der Ausschreibung abgedeckt, die Praxis möge ihren alten Lieferanten ansprechen.

Der Arzt fragte bei der AOK nach: „Die bisher liefernde Apotheke wird sicher nur liefern, wenn sie ein offizielles Schreiben in Papierform (vorab per Fax) erhält, in dem die AOK die Lieferung explizit dauerhaft freigibt.“ Immerhin kostet das Arzneimittel mehr als 20.000 Euro. Weil die Kassen nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) das Recht haben, Apotheken auf Null zu retaxieren, wenn sie ohne Vertrag liefern, besteht für die Apotheke ein großes Risiko.

Die AOK wollte in ihrer Antwort jedoch keinen Freibrief erteilen. Von der Ausschreibung betroffen seien ausschließlich Zytostatika-Zubereitungen, Folinsäure-Zubereitungen und Zubereitungen mit monoklonalen Antikörpern, soweit sie in der Onkologie eingesetzt werden. Alle anderen Zubereitungen würden wie vor Vertragsstart von der Apotheke der Wahl des Patienten beliefert. „Eine schriftliche Bestätigung darüber, ob Wirkstoffe onkologisch eingesetzt werden, können wir leider nicht erbringen. Diese Information entnehmen Sie bitte den jeweiligen Fachinformationen“, so die AOK.

Laut Fachinformation ist Soliris indiziert zur Behandlung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen mit Paroxysmaler Nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) sowie atypischem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (aHUS). Das Präparat wird also als hämatologisch angesehen, nicht als onkologisch.

Trotzdem handelt es sich aus Sicht der bisher versorgenden Apotheke um einen Grenzfall. Laut Fachinformation und Rückfrage beim behandelnden Arzt sei eine der zwei Bedingungen für eine vorliegende Krebserkrankung erfüllt– nämlich die Klonalität; die raumgreifende Zellteilung dagegen nicht.

Da ein Onkologe das Präparat verordnet hat, wollte sich die früher versorgende Apotheke nur ungern in das Risiko begeben, später von der AOK retaxiert zu werden. Der Apotheker hätte sich eine Klarstellung seitens der Krankenkasse zur Kostenübernahme gewünscht. Der Arzt fragte nur noch lakonisch: „Und jetzt?“ Die Apotheke lieferte und hofft jetzt, von der AOK nicht retaxiert zu werden.

Gleichzeitig richtet der Apotheker einen Appell an die Politik: „Ausschreibungen in diesem Bereich sind nicht das geeignete Instrumentarium. Hier ist die Versorgung, der Patient auf ein echtes Zusammenarbeiten zwischen dem behandelnden Arzt und dem versorgenden Apotheker angewiesen. Hier geht es auch um persönlichen Einsatz, um hochqualifizierte Versorgung. Um High-Tech-Medizin. Hier stirbt bei Fehlern ein Mensch.“

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