Apotheken retten – Gesundheitsversorgung sichern

Pharmazie-Institut in Jena: Petition im Landtag

, Uhr
Berlin -

Der Thüringer Landtag befasste sich mit der bislang erfolgreichsten Online-Petition seiner Geschichte. Nahezu 64.000 Menschen haben die von der Landesapothekerkammer (LAKT) im August gestarteten Initiative „Gesundheitsversorgung in Thüringen sichern. Apotheken retten.“ mitgezeichnet. Die große Resonanz wird als deutliches Signal für die Bedeutung einer wohnortnahen Arzneimittelversorgung gewertet – nun liegt es am Landtag, sich mit den Forderungen auseinanderzusetzen.

Die Petition richtete sich ursprünglich gegen das geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG). Aus Sicht der Landesapothekerkammer Thüringen gefährdeten diese Pläne die flächendeckende, sichere Arzneimittelversorgung sowie die persönliche Verantwortung, auf der das System der inhabergeführten Apotheken basiert. Die Petition fordert die Thüringer Landesregierung auf, sich klar gegen das Reformgesetz zu positionieren und im Bundesrat entsprechend abzustimmen.

Außerdem wird ein Ausbau der Ausbildungskapazitäten im Bereich Pharmazie an der Universität Jena gefordert, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die dringend benötigte Modernisierung des Instituts für Pharmazie an der Universität Jena müsse zügig vorangetrieben werden. Landtag und Landesregierung seien hier gefordert, die personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Erweiterung der Ausbildungskapazitäten zu schaffen.

„Das Herz der Pharmazie schlägt in Thüringen“, leitet Danny Neidel, Einreicher der Petition und Geschäftsführer der LAKT, ein. Es sei bereits mehrfach ein Neubau für das Pharmazieinstitut in Jena versprochen worden. Doch bislang wurde keines dieser Versprechen eingelöst.

Es sei ein Fehlschluss zu glauben, Thüringen bilde bereits genug Fachkräfte aus, betonte er. Ein wichtiger Punkt werde übersehen: Pharmazieingenieur:innen – die aktuell noch tätig sind – gingen zunehmend in Rente und müssten ebenso wie die fehlenden Apotheker:innen durch neue Absolventen ersetzt werden. Das führt zu einer erheblichen Versorgungslücke.

Mit dem demografischen Wandel steige auch der Bedarf an Arzneimitteln, erklärte er. Weniger Apotheken müssten bereits heute mehr – vor allem ältere – Patient:innen versorgen. „Dafür braucht es mehr, nicht weniger Apothekerinnen und Apotheker“, erklärt er.

Seit Jahren sinke die Zahl der Apotheken bundesweit, auch in Thüringen. Neben der wirtschaftlich angespannten Lage sei auch der Fachkräftemangel ein entscheidender Faktor. Selbst die Bundesagentur für Arbeit warne vor Engpässen.

Dabei sei das Interesse an Pharmazie groß: Jedes Jahr müsse etwa die Hälfte aller Bewerber:innen deutschlandweit abgelehnt werden, weil die Kapazitäten nicht ausreichen. „Jena braucht ein neues, modernes Institut für Pharmazie – und der richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt“, so Neidel abschließend.

Ausstattung in Jena veraltet

Praktische Fähigkeiten, die im Laborpraktikum vermittelt werden, sind eine grundlegende Voraussetzung – es sei zwingend notwendig, dass die Ausbildung auf dem neuesten Stand sei, betont Luis Chalupka von der Fachschaft Pharmazie Jena. In Jena gebe es nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Mangel: Auf einen Abzug im Labor kämen hier sechs bis sieben Studierende – an anderen Universitäten seien es nur zwei. Auch die Ausstattung ist veraltet: teils seien die Geräte veraltet oder es fehlten Wasseranschlüsse.

Lea Höhn, ebenfalls von der Fachschaft Pharmazie Jena, kritisiert zudem die weiten Wege zwischen den Lehrgebäuden. An anderen Standorten gibt es einen zentralen Campus – ein solcher Standort würde auch die Attraktivität Jenas deutlich erhöhen, erklärt sie.

Studentin Leonie Helfer betonte, dass auch Lehrpersonal fehle. Teils müssten Veranstaltungen Online in Kooperation mit anderen Universitäten oder sogar mittels Videos von einem Professor der sich mittlerweile im Ruhestand befindet stattfinden. Das Tutorium zur Stöchiometrie sei im vergangenen Jahr sogar wegen Personalmangels ausgefallen. Auch aufgrund von Raummangel und Sparmaßnahmen gebe es Einschränkungen bei den Praktika – das führt zu einer unzureichenden Ausbildung.

Anna Gommlich, Präsidentin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD), betont, dass die Ausstattung eines Studienortes eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Studierenden spiele. „Über 50 Prozent der Studierenden bleiben in dem Bundesland, in dem sie studiert haben“, erklärte sie. Jena dürfe als einziger Studienort nicht abgehängt werden. Insbesondere in der klinischen Pharmazie – hier fehlt ein eigener Lehrstuhl – müsse ein hoher Praxisbezug gewährleistet werden. Die Schaffung eines neuen Instituts sei daher von großer Bedeutung.

Wirtschaftliche Stärkung

Aktuell schließen in Deutschland im Schnitt 1,5 Apotheken pro Tag, erklärte Stefan Fink, Vorsitzender Thüringer Apothekerverband (LAV). Die wirtschaftliche Abwärtsspirale begann bereits 2013: Seitdem gab es keine Erhöhung des Fixums, so Fink. Gleichzeitig seien die Betriebskosten im gleichen Zeitraum stark gestiegen. „Die Arbeit nimmt ständig zu, aber der Ertrag sinkt“.

Die Apotheke sei ein Fachbetrieb, geführt von akademischen Heilberuflern – und verliere zunehmend Mitarbeitende an andere Branchen. „Wir müssen unsere Mitarbeiter gut bezahlen können – dafür braucht es wirtschaftliche Stabilität.“ Auch eine Dynamisierung des Fixums fehle seit Langem.

Ein zweites großes Problem sei die Bürokratie. Lieferengpässe erforderten ständiges Improvisieren und Organisieren – inklusive Retaxationen, die zusätzlich belasten. Auch der Nachwuchsmangel sei alarmierend. Grund dafür seien zu geringe Ausbildungskapazitäten. „Wir sind am Anschlag“, betonte er. Es brauche jetzt eine wirtschaftliche Stärkung – und dringend mehr gut ausgebildete Fachkräfte.

„Wir erleben einen Zangenangriff,“ so Fink: Viele Mitarbeitende gingen in Rente, gleichzeitig steige die Arbeitsbelastung, weil immer mehr alte Menschen pharmazeutische Leistungen benötigen. Gleichzeitig sinke auch die Zahl der niedergelassenen Ärzt:innen. Diese Versorgungslücke müsse geschlossen werden. Die Apotheke sei ein niederschwelliges Angebot, um Leistungen zu organisieren – von der Medikationsanalyse bis hin zur Therapiebegleitung, Prävention und der Begleitung der Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Abschließend wandte sich Fink an die politischen Entscheider:innen: „Von Ihnen erwarte ich ein entschlossenes Vorgehen beim neuen Institut.“

Fachkräftemangel

Der Auftrag, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, sei eine Daseinsvorsorgeaufgabe des Staates, erklärte Ronald Schreiber, Präsident der LAKT. Der Staat habe sich die Freiberufler ausgesucht und ihnen Hürden auferlegt, um sicherzustellen, dass das, was der Staat verlangt, auch umgesetzt wird.

Attraktiv sei der Beruf: Apotheken bieten familienfreundliche, wohnortnahe Arbeitsplätze. Doch die Leistungen müssten auch adäquat bezahlt werden, betont er. „Wir sind kein Handwerksbetrieb, der einfach mal den Stundenlohn erhöhen kann.“ Die Arzneimittelpreise seien festgelegt.

Die wirtschaftliche Stärkung obliege dem Bund, das könne man allein im Land nicht lösen. Hier blicke er „vorsichtig optimistisch“ auf den Koalitionsvertrag. Beim Fachkräftemangel können aber auf Landesebene die Weichen gestellt werden. Die meisten Apotheken würden schließen, weil sie keinen Nachfolger finden, erklärt er. Zurzeit existiere noch ein flächendeckendes Netz von Apotheken, doch man müsse auch dafür sorgen, dass dies so bleibe. Dafür brauche es ein neues Pharmazeutisches Institut.

Neues Pharmazieinstitut soll kommen

Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD) erkennt die wirtschaftlichen Herausforderungen der Apotheken an und beschreibt die angespannte Situation durch den fehlenden gesetzgeberischen Rahmen. Am 14. Juni vergangenen Jahres wurde der Entwurf des Apotheken-Reformgesetzes (ApOReG) vorgelegt, wobei einige Teile, insbesondere die „Apotheke light“ und die Umverteilung von Geldern, von ihrem Haus aus fachlicher Sicht abgelehnt worden waren. Dass das Gesetz nicht mehr durchgekommen ist, sei „eine Gute Nachricht“. Der Koalitionsvertrag siehe nun eine Fixum-Erhöhung und die Aufhebung des Skontoverbots vor. Der Bund habe die Lage der Apotheken verstanden. Im Bundesratsverfahren wird Thüringen den Gesetzgebungsprozess weiterhin begleiten und eigene Vorschläge einbringen. Sie betonte allerdings, dass die Regierungsbildung noch nicht abgeschlossen sei.

Zum Pharmazeutischen Institut: Der Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Christian Tischner (CDU) betonte, die Modernisierung des Pharmazeutischen Instituts sei eine Priorität für die Landesregierung habe, um für Studierende und Lehrkräfte attraktiver zu sein.

Ursprünglich sei geplant gewesen, mit Hilfe von EFRE- und Landesmitteln neben einem modernen Institut für Pharmazie auch eines für Ernährungswissenschaften und neue Räume für das Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zu errichten. Doch 2024 sei das Bauvorhaben aufgrund fehlender haushalterischer Rahmenbedingungen gescheitert. In der ursprünglichen Dreifach-Variante sei das Projekt nun nicht mehr realisierbar, erklärte er. Gemeinsam mit der Universität stimme das Ministerium die mögliche Realisierung des Projekts zu einem späteren Zeitpunkt ab. Die aktuellen Bestrebungen seien aufgrund fehlender Mittel zunächst auf die Planung des Umbaus ausgerichtet, der nur den Bedürfnissen der Pharmazie entsprechen solle. Die Universität sei vom Ministerium aufgefordert worden, die Planungen vorzulegen. Das Ministerium stehe im engen Austausch mit der Hochschule, um keine Zeit zu verlieren. Der erste Bauabschnitt solle in dieser Wahlperiode abgeschlossen werden.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
Politiker wollen Apotheken stärken
Pantazis: Grundkostenzuschlag ernsthaft prüfen
„Leistungskorrelierte Versorgungssicherungszuschläge“
Verhandlungslösung: Abgabehonorar muss kostendeckend sein