Apothekenstärkungsgesetz

Nach 4 Jahren: Ausschuss gibt VOASG letzten Schliff

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Berlin -

Der Gesundheitsausschuss gibt dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) heute seinen letzten Schliff. Am Donnerstagabend soll das VOASG im Bundestag verabschiedet werden. Damit endet nach ziemlich genau vier Jahren ein für die Apothekerschaft nervenaufreibender Prozess: Am 19. Oktober 2016 kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Preisbindung für Rx-Arzneimittel für ausländische Versandapotheken. Statt des von der Abda favorisierten Rx-Versandverbots wird jetzt ein Rx-Boniverbot im Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert. Und es gibt Geld: 150 Millionen für neue pharmazeutische Dienstleistungen und 2,50 pro Botendienst – rund 80 Millionen pro Jahr.

Vor vier Jahren schockte der EuGH die Apotheker und große Teile der deutschen Gesundheitspolitik samt des damaligen Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU): Die Rx-Preisbindung für DocMorris & Co. wurde aufgehoben. Zur Begründung führten die Richter aus, dass sich die Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirke, sodass der Zugang zum deutschen Markt stärker behindert werden könnte. Damit hatten weder die Abda noch die Bundesregierung gerechnet.

Prompt startete ein teurer, aufwendiger, mühsamer und kurvenreicher Lobbyprozess. Mit Karabinerhaken-Plakaten trommelte die Abda als politische Antwort auf das EuGH-Urteil für die Durchsetzung eines Rx-Versandverbotes. Nach kurzem Zögern schloss sich Gröhe der Abda-Forderung an. Nur die SPD spielte nicht mit. Nach monatelangem politischen Tauziehen, nach vielen vergeblichen Rechsgutachten legte sich die SPD-Bundestagsfraktion mit einem gemeinsamen Beschluss der Parteilinken (PL) und des Seeheimer Kreises quer. Gröhes Gesetzentwurf scheiterte schließlich am Ende der letzten Legislaturperiode.

Hoffnung keimte in der Abda erneut auf, als sich die zweite Große Koalition in Folge in ihrem Koalitionsvertrag überraschend auf die erneute Prüfung eines Rx-Versandverbotes verständigte. Mit der Ernennung von Jens Spahn (CDU) zum Bundesgesundheitsminister sanken die Chancen auf dessen Umsetzung. Rasch machte Spahn Abda-Präsident Friedemann Schmidt klar, dass er nach anderen Lösungen suchen werde. Im Frühsommer 2018 startete der mühsame und bisweilen zermürbende Prozess der Entstehung des VOASG.

In ungezählten Gesprächsrunden und Telefonaten entwickelten Spahn und Schmidt einen 375 Millionen Euro schweren Plan B: Am 11. Dezember 2018 stellte Spahn in der Abda-Mitgliederversammlung sein Angebot den Kammerpräsidenten und Verbandschefs vor: Wie erwartet gab es mit Spahn kein Rx-Versandverbot, dafür sollte der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) knapp verdoppelt werden. Rx-Boni sollten auf 2,50 Euro gedeckelt werden. Spahn wollte die Apothekerschaft mit einem Gesamtpaket von 375 Millionen Euro ködern.

Der Plan B fiel in der Abda durch. Eine Mehrheit der Kammern stellte sich quer und forderte ein Rx-Boni-Verbot. Gegen alle europarechtlichen Bedenken lenkte Spahn ein und legte im Sommer 2019 das VOASG dem Bundeskabinett vor. Gegen die Skepsis der SPD winkte die Ministerrunde das VOASG durch mit der Maßgabe, dass vor der Verabschiedung im Bundestag eine Stellungnahme der EU-Kommission zur rechtlichen Bewertung des Rx-Boni-Verbotes vorliegen solle.

Anfang Oktober, rechtzeitig zur VOASG-Beratung im Bundestag, meldetet sich die EU-Kommission mit einem Brief von Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu Wort: Demnach hat die Brüsseler Behörde keine Einwände gegen das VOASG. Dass es europarechtskonform ist, geht daraus allerdings noch nicht hervor – ein Rechtsstreit vor dem EuGH könnte also dennoch bevorstehen. Inzwischen haben sich allerdings die politischen Rahmenbedingungen geändert: Die bevorstehende Einführung des E-Rezepts verändert die Marktbedingen auch für die ausländischen Versandapotheken: DocMorris hat angekündigt, auf E-Rezepte keine Rx-Boni mehr zu gewähren. Ob es zu einer Klage vor dem EuGH kommt, bleibt also abzuwarten. Daher lässt sich der Gesundheitsausschuss mit seiner abschließenden Beratung des VOASG auf kalkulierbares Risiko ein.

Kern des VOASG ist das Rx-Boni-Verbot: Für gesetzlich Versicherte gilt künftig der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel – unabhängig davon, ob sie diese in der Vor-Ort-Apotheke oder über eine EU-Versandapotheke beziehen. Versandapotheken dürfen gesetzlich Versicherten keine Rabatte mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren. Für Privatpatienten sind Rx-Boni weiterhin möglich.

Apotheker erhalten für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen extra Geld. Beispiele hierfür sind laut BMG eine intensive pharmazeutische Betreuung bei einer Krebstherapie oder die Arzneimittelversorgung von pflegebedürftigen Patienten in häuslicher Umgebung. Hierfür werden durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) 150 Millionen Euro netto zur Verfügung gestellt. Nach der Verabschiedung des VOASG muss der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit dem GKV-Sptizenverband die Details aushandeln.

Mit sechs Änderungsanträgen wird der Gesundheitsausschuss das VOASG vor der Abstimmung im Bundestag noch bereinigen und ergänzen: Gestrichen werden müssen aus dem VOASG-Entwurf noch die Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen durch Apotheker, das Makelverbot von E-Rezepten und die Änderungen zum Wiederholungsrezept. Diese Dinge wurden bereits in anderen Gesetzen geregelt.

Ergänzt wird das VOASG um eine Temperaturkontrolle für ausländische Versandapotheken. In § 21 Apothekengesetz (ApoG) wird klargestellt, dass die in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zu definierenden Anforderungen an den Versand auch für den „Versand aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ gelten. Diese Klarstellung findet sich entsprechend in §17 ApBetrO.

Demnach müssen Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass ihre Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt. „Insbesondere müssen die für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Abgabe an den Empfänger eingehalten werden; die Einhaltung muss bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, soweit erforderlich, durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachgewiesen werden.“

Außerdem wird bei den geplanten automatisierten Ausgabestationen nachgebessert. Diese sollen zugelassen werden zur „Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln“, wenn sie sich „innerhalb der Betriebsräume einer Apotheke befinden, einen Zugriff von außen für den Empfänger ermöglichen, sofern eine Ausgabe außerhalb der Betriebszeiten dieser Apotheke vorgesehen ist, und erst durch Personal dieser Apotheke bestückt werden“.

Das Arzneimittel muss zuvor bei der jeweiligen Apotheke bestellt worden sein, zudem muss vor der Ausgabe eine Beratung des Patienten erfolgt sein, dies kann auch per Telekommunikation geschehen. Der Apotheker muss das Rezept vor der Abgabe wie immer im Original prüfen und abzeichnen. Hinzugefügt wird nun, dass die Arzneimittel für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift zu versehen sind. Eine Ausgabe von Bestandsware ist aus dem Kommissionierer oder gar einem Lager einer Versandapotheke soll damit ausgeschlossen werden.

Automatisierte Ausgabestationen sollen zwar explizit auch im Rahmen des zugelassenen Versandhandels erlaubt werden – allerdings nur, wenn sie bestückt werden, nachdem die Voraussetzungen – mit Ausnahme von Beschriftung und Seperairerung – erfüllt sind. Das Selbstbedienungsverbot nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 AMG bleibt davon unberührt.

Verstetigt wird das Botendiensthonorar: „Apotheken können bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen zusätzlichen Zuschlag in Höhe von 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben“, heißt es im Antrag. Dies sei notwendig, um insbesondere in Regionen mit geringerer Apothekendichte eine Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sicherzustellen, heißt es zur Begründung. „Der Botendienst trägt bei dem zunehmenden Anteil der älter werdenden Bevölkerung damit zu deren Entlastung bei der Zahl der Apothekenbesuche und zur Sicherstellung der Versorgung dieser Personen mit Arzneimitteln bei.“

Nach der Zustimmung des Bundestages muss noch der Bundesrat sein Okay geben. Das VOASG ist in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Ein Einspruch der Länder ist nicht zu erwarten. In Kraft treten soll das VOASG zum 1. Januar 2021.

 

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