Friedrich Merz (CDU) hat es geschafft: Der Koalitionsvertrag von Union und SPD steht. Viele Punkte sind richtig, um die wirtschaftliche, innen- und außenpolitische und nicht zuletzt gesellschaftliche Wende einzuleiten. Aber das kann – trotz oder gerade wegen der gigantischen Schulden – nur gelingen, wenn sich die Koalition nicht wieder selbst die Arbeit schwer macht. Vor allem die SPD ist diesmal gefragt.
Merz hatte hoch gepokert, indem er das Sondervermögen schon beschließen ließ, bevor er das Kanzleramt sicher hatte. Entsprechend hart waren die Verhandlungen: Einerseits gab es keine Alternative, andererseits mussten Kompromisse zu diametral entgegengesetzten Positionen gefunden werden. Der Preis, den die Union zahlen muss, ist daher schon personell hoch: Obwohl die SPD bei der Bundestagswahl nur 16 Prozent holte, bekommt sie sieben von 17 Ministerien.
Inhaltlich kann man dem Koalitionsvertrag sehr gut ablesen, dass er zwei Handschriften trägt: Mit einer neuen Migrationspolitik will die Union der AfD den Wind aus den Segeln nehmen. Gleichzeitig soll es den Leistungsträgern der Gesellschaft leichter gemacht werden, um so eine neue Aufbruchstimmung herbeizuführen. Die SPD konnte sich dagegen bei ihren ureigenen Themen wie Mindestlohn und Steuern bei kleinen Einkommen durchsetzen.
Richtige Richtung, aber noch nicht genug, lautete der Konsens der Verbände und Kommentatoren kurz nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags. Die Erwartungen sind groß, die ersten Interessengruppen werden bereits unruhig. Das mag verständlich sein, verkennt aber die Herausforderungen, vor denen diese Koalition steht. Denn während die Ampel unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ in abgehobenen Sphären startete, sind die Vorschläge unter der Überschrift „Verantwortung“ diesmal erstaunlich konkret und lösungsorientiert. Vor allem sind sie ein eindrucksvoller Gegenpol zur Plünderung der Gesellschaft und der globalen Bündnisse, wie sie gerade durch US-Präsident Donald Trump stattfindet.
Zumindest die Union hat erkannt, dass es für einen wirklichen Wandel eine breite Bewegung braucht. Explizit verwies Merz bei der Vorstellung auf die vielen Einzelunternehmer, die als e.K. oder sonstige Personengesellschaft das Land am Laufen halten. Profitieren von der Wirtschaftswende sollten nicht nur die Kapitalgesellschaften, so sein Versprechen.
Die SPD dagegen, so scheint es jedenfalls, muss sich in der aktuellen Gemengelage große Mühe geben, endlich über die klassische Klientelpolitik hinauszukommen. In der Ampel versammelte sich die Partei ohne Wenn und Aber hinter dem Kanzler, Fraktionsdisziplin ging über alles, das konnte man schon bei den Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitikern ablesen: Matthias Mieves etwa machte noch gestern bei der Digitalmesse DMEA den Einklatscher für Karl Lauterbach.
Diese Art von „Kanzlerbonus“, wenn man es so nennen will, fällt nun weg. Die SPD muss also aufpassen, in der Koalition mit der Union nicht in dieselbe Rolle zu geraten wie die FDP in der Ampel. Denn auch wenn sich aus dem gigantischen Schuldenpaket die eine oder andere Wohltat mitfinanzieren lässt: Ein echter Aufbruch braucht auch einen politischen Wandel.
Bei der Präsentation des Koalitionsvertrags waren die bestehenden Spannungen nicht zu übersehen. Bleibt zu hoffen, dass es am Ende nicht nur wieder um Ämter und parteipolitische Grundsätze geht. Sondern dass die Koalition nicht nur das Land, sondern auch die Art, wie Politik gemacht wird, bewegt.