Wahlkampf

Lauterbach würde Spahn-Nachfolge „nicht ablehnen“

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Köln -

Corona-Mahner Karl Lauterbach kann nur noch mit Personenschutz Wahlkampf machen. Dennoch ist er oft auf der Straße unterwegs, denn er will unbedingt ein Direktmandat gewinnen. Und dann hat er wohl große Pläne.

„Tüt! Tüt!” Hinter Karl Lauterbach steht eine Frau mit Rollator. Der SPD-Politiker tritt zur Seite. „Jetzt hätten Sie mich fast überfahren”, sagt er. In seiner Stimme liegt ein vorwurfsvoller Unterton. Vermutlich ist es ironisch gemeint, aber hundertprozentig weiß man es nicht. Die Frau geht ungerührt an ihm vorbei. Dann sagt sie: „Vielleicht hätte ich das gern gemacht.”

Einen solchen Wahlkampf wie diesmal hat Karl Lauterbach (58) noch nie erlebt. Einerseits ist der Corona-Mahner jetzt mega-prominent. Jeder erkennt ihn – sogar mit Mundschutz. „Mensch, jetzt seh ich den mal in echt”, sagt eine mit Taschen bepackte Frau, als er sie auf der Hauptstraße von Köln-Dellbrück passiert. Ein Genosse fragt „den Karl”, ob er nicht Blöckchen mit SPD-Aufdruck verteilen will. Aber nein, das will der Karl nicht. Der Karl verteilt gar nichts. Er hält auch keine Reden. Er geht einfach die Dellbrücker Hauptstraße hinunter. Das allein erzeugt einen kleineren Menschenauflauf.

Soweit, so gut. Die Schattenseite ist, dass ihm auf Schritt und Tritt zwei Personenschützer folgen. Bodyguards, wie man früher sagte. „Es gab mehrfach Situationen, die ich ohne Unterstützung durch das Bundeskriminalamt nicht hätte meistern können”, erzählt Lauterbach. „Wenn ich keinen Personenschutz hätte, könnte ich den Wahlkampf so nicht führen. Ich habe auch sehr viel mit Bedrohungen durch rechte Gruppen zu tun. Ich muss da vorsichtig sein.”

Seine nahezu ununterbrochenen Mahnungen auf allen Kanälen haben ihn zum Feindbild aller Corona-Skeptiker werden lassen. Unbekannte verübten nahe seiner Kölner Wohnung einen Farbanschlag auf sein Auto, mehrmals wurde er selbst aggressiv angegangen. Er ist allerdings überzeugt, dass diejenigen, die ihn seiner Corona-Politik wegen hassen, nur eine kleine Minderheit sind. Deshalb brauche er auch keinen besseren Platz auf der Landesliste. Er steht in NRW auf Position 23 – eigentlich ziemlich weit unten, wenn man bedenkt, wie bekannt er ist. „Der Listenplatz interessiert mich nicht”, sagt er dazu. „Ich werde direkt gewinnen, und das ist das Wichtigste.”

Die CDU tritt in seinem Wahlkreis Leverkusen/Köln IV allerdings auch mit einem politischen Schwergewicht an: Von zahllosen Plakaten blickt Serap Güler herunter, Armin Laschets NRW-Staatssekretärin für Integration. Die 41-Jährige ist die Tochter türkischer „Gastarbeiter# und könnte schon von daher eine ansprechende Wahl etwa für Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln im Multikulti-Stadtteil Köln-Mülheim sein.

Auf dem Marktplatz von Dellbrück stehen auch die Grünen, die hier mit Nyke Slawik antreten. Sie könnte die erste transgeschlechtliche Frau im Bundestag werden. „Für uns ist aktuell alles drin”, sagt die 27-Jährige. „Ich schätze Herrn Lauterbach sehr, was seine Positionen angeht, aber ich glaube doch, dass viele Leute von der SPD in Klimaschutzfragen enttäuscht sind.”

Lauterbach geht zu ihr hin und begrüßt sie freundschaftlich. „Ich finde die Spitzenkandidatin der Grünen ausgesprochen kompetent und sympathisch”, versichert er. Die beiden duzen sich. „Wünsch' euch alles Liebe, alles Gute”, sagt er am Ende. Die Grünen haben insofern einen schweren Stand gegen ihn, als seine Klimaforderungen deutlich über die der SPD hinausgehen. Deshalb wird er auch von Kampagnen-Organisator Campact unterstützt. Die Bewegung versucht, die Wiederwahl mehrerer CDU-Abgeordneter zu verhindern, die von ihr als Blockierer beim Klimaschutz oder als rechtslastig empfunden werden – unter ihnen ist der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.

Prominente Unterstützung bei der Erststimmen-Mobilisierung für Lauterbach erhält Campact von Star-Pianist Igor Levit, Undercover-Reporter Günter Wallraff und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken. Alle sprechen sich in Video-Botschaften für Lauterbach aus. Der kann daran nichts Verwerfliches finden: „Wieso soll eine Kampagnen-Organisation, die Meinungsbildung betreibt für progressive Hintergründe, nicht Politiker unterstützen, bei denen sie davon ausgeht, dass sie gemeinsame Ziele verfolgen?” Wallraff und Niedecken seien im übrigen sehr gute Freunde. „Die hätten mich auch so unterstützt.”

Jemand will Lauterbach noch sprechen, aber er hat nicht mehr viel Zeit. Er muss noch in die Fußgängerzone nach Leverkusen und dann schnell zum Bahnhof: Er ist mal wieder Gast in einer Talkshow, diesmal „Maybrit Illner”. Thema ist natürlich Corona. Über eine Sache spricht Lauterbach übrigens nicht so gern. Das ist die Frage, was er nach der Bundestagswahl machen will. „Ich möchte es nicht so wie Christian Lindner machen, dass ich schon spekuliere, welches Amt ich innehaben möchte.” Aber wenn man ihm anbieten würde, die Nachfolge von Jens Spahn anzutreten? Er als Bundesgesundheitsminister? Er windet sich etwas. „Ich würde das Amt nicht ablehnen.” Also doch.

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