Kommentare auf Twitter/X

Lauterbach darf Follower sperren

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Berlin -

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht nicht mit den Verbänden, sondern lieber über sie. Vorzugsweise bei Twitter/X. Und obwohl sein Kanal dort als Account einer staatlichen oder multilateralen Organisation verifiziert ist, darf er selbst entscheiden, wer kommentieren darf und wer nicht. Das entschied das Amtsgericht Berlin/Mitte.

Einerseits ist Lauterbachs Account seit Dezember 2015 mit dem Hinweis verifiziert, dass es sich um „einen staatlichen Account oder den einer multilateralen Organisation handelt“. Auch teilt Lauterbach regelmäßig Tweets des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Andererseits heißt es in der Selbstbeschreibung: „SPD Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister, der hier selbst und privat tweetet“.

Geklagt hatte ein Journalist aus der Schweiz, dessen Account bei X selbst 24.000 Nutzer folgen. Er hatte im Februar 2022 diverse Beiträge kommentiert, die im Zusammenhang mit staatlichen Corona-Maßnahmen standen, und war danach gesperrt worden: Beim Aufrufen des Accounts kam der Hinweis „Du bist blockiert“; weder konnte er Lauterbachs Beiträge lesen, noch kommentieren oder teilen.

Auf seine Abmahnung erwiderte das BMG, dass der Account des Antragsgegners rein privater Natur sei. Das wollte der Journalist nicht gelten lassen: Lauterbach verfasse seine Beiträge gerade nicht als Privatmann, sondern nehme in seiner Funktion als Bundesminister zu dienstlichen Inhalten Stellung. Daher verletzte ihn die Sperrung in seinen Grundrechten, insbesondere stelle in seiner Meinungsfreiheit, seiner Pressefreiheit und seinem Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen.

Minister als Privatperson

Laut Amtsgericht muss es grundsätzlich für „die hinter einem Hoheitsträger stehende Privatperson“ möglich sein, „sich am politischen Wettbewerb zu beteiligen und sich diesbezüglich auf die Meinungsfreiheit zu berufen, sofern sie nicht in der Funktion als Hoheitsträger auftritt“. Für die Abgrenzung zwischen privatem und hoheitlichem Account ausschlaggebend seien nicht die einzelnen Beiträge, sondern das Gesamtgepräge – also Inhalt, Form und der „äußere Zusammenhang“ der auf ihm getätigten Äußerungen.

„Entscheidend ist, ob der Amtswalter aus Sicht eines objektiven beziehungsweise unvoreingenommenen Beobachters in spezifischer Weise staatliche Autorität in Anspruch nimmt.“ Alleine die Verwendung der Amtsbezeichnung hebe den privaten Charakter noch nicht auf; vielmehr gestatteten es die Beamtengesetze des Bundes und der Länder einem Hoheitsträger ausdrücklich, die Amtsbezeichnung auch außerhalb des Dienstes zu führen.

Insbesondere durch Nutzername, Profilbild, Biografie sowie Impressum könnten Nutzer ausreichend auf die äußere Gestaltung des Profils Einfluss nehmen. Lauterbach habe weder das Bundeswappen oder ähnliche nach außen erkennbar hoheitliche Zeichen verwendet, noch seinen Accountnamen mit seiner Funktion verknüpft.

Selfie aus dem Flieger

Auch aus seinen Beiträgen könne nicht darauf geschlossen werden, dass er amtliche Autorität auf spezifische Weise in Anspruch genommen habe: „Das Teilen eines Selfies vor einem Regierungsflieger mag zwar (zeitlich und örtlich) mit der hoheitlichen Tätigkeit des Antragsgegners zusammenhängen. Ein mit dem Amt zusammenhängender Informationsvorsprung ist bei dem schlichten Hinweis auf offizielle Dienstreisen, bei denen regelmäßig auch Pressevertreter zugegen sind, indes nicht erkennbar.“

Aus der Verifizierung lasse sich nicht schließen, dass es sich um einen amtlichen Auftritt handele – zumal diese ohne seine Beteiligung erfolgt sei. „Wenn – wie hier – ein expliziter Hinweis erfolgt, dass das Profil ausschließlich zur privaten Kommunikation dienen soll, bleibt dies zumindest solange maßgeblich, wie staatliche Öffentlichkeitsarbeit nicht quasi rechtsmissbräuchlich unter dem Deckmantel privater Äußerungen betrieben wird.“

Kein Recht auf Kommentare

Vielmehr genießt aus Sicht des Gerichts das Entfernen unliebsamer Kommentare sowie das Blockieren von Nutzern grundrechtlichen Schutz. Denn spiegelbildlich zur Meinungsfreiheit existiere das Recht, eine bestimmte Meinung eben nicht oder nicht uneingeschränkt jeder Person gegenüber äußern zu müssen. Es sei also nicht so, dass Lauterbach „seine Auffassungen nur dann verbreiten dürfte, wenn er etwaige Gegenmeinung zugleich quasi mit anheftet; auch wenn solche Gegenmeinungen im Falle von Kommentaren und Retweets sicherlich eindeutig als Meinungsäußerung eines Anderen erkennbar bleiben“.

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