Heilmittelwerberecht

Anwalt: Schlupfloch für Kosmetikwerbung

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Berlin -

Mit dem Inkrafttreten der AMG-Novelle gelten seit Ende Oktober auch

neue Regelungen im Bereich der Pharmawerbung. Die Bundesregierung musste

ihre strengen Vorgaben im Heilmittelwerbegesetz (HWG) an liberaleres

EU-Recht anpassen. Bei der Novellierung ist jedoch ein gravierender

redaktioneller Fehler passiert, wie der auf Medizin-, Kosmetik- und

Lebensmittelrecht spezialisierte Anwalt Dr. Gunnar Sachs von der

internationalen Kanzlei Clifford Chance festgestellt hat. Durch einen

Gesetzeswiderspruch im neuen HWG könnten mehrere bisher für Kosmetika

geltende Werbeverbote aus dem HWG versehentlich aufgehoben worden sein.

Das HWG regelt die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie die krankheitsbezogene Werbung für Kosmetika. Dabei gibt es viele Unterschiede zwischen den Produktgruppen: Beispielsweise ist es strikt untersagt, Medikamente mit Preisausschreibungen und Verlosungen zu bewerben, die einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten. Kosmetikhersteller dürfen diese Art von Werbung für ihre Produkte grundsätzlich durchführen – solange die Werbeaussagen nicht krankheitsbezogen sind und die Werbung auch sonst mit dem geltenden Recht in Einklang steht.

Mit der Novellierung des HWG wurden mehrere Verbote gegenüber Endverbrauchern aufgehoben, andere abgeschwächt. Eigentlich sollten die neu geregelten Publikumswerbeverbote weiterhin auch für krankheitsbezogene Kosmetikwerbung gelten. Wie Sachs feststellt, hat der deutsche Gesetzgeber bei der Übernahme der EU-Vorgaben in das nationale Recht allerdings vergessen, die neuen Formulierungen durchgehend auch auf Kosmetika zu beziehen.

„Einige der Verbotstatbestände sind ihrem neuen Wortlaut nach nur noch auf Arzneimittel anwendbar, obwohl sie nach dem Einleitungssatz des gesamten Verbotskatalogs eigentlich nach wie vor auch für krankheitsbezogene Kosmetikwerbung gelten sollen“, so Sachs. „Da die Publikumswerbeverbote im HWG bußgeldbewehrt sind, verbietet sich eine entsprechende Anwendung auf Kosmetika.“

Auch nach der HWG-Novelle dürfen Wissenschaftler, Prominente und Heilberufler in der Öffentlichkeit Arzneimittel grundsätzlich nicht empfehlen – Kosmetika demnach schon, selbst wenn diese krankheitsbezogen beworben werden. Denn nach dem neuen Gesetzestext gilt das Verbot nur für Personen, „die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können“.

Ein gesonderter Hinweis auf Kosmetikprodukte fehlt; theoretisch dürften Prominente derzeit also in einem Werbespot auftreten, in dem etwa angepriesen wird, dass eine als Kosmetikum vertriebene Sonnencreme nicht nur hilft, Sonnenbrand zu vermeiden, sondern auch dadurch schon entstandene Hautbeschwerden zu lindern oder zu beseitigen.

Ebenfalls betroffen sind Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit beeinträchtigt werden könnte, falls das beworbene Produkt nicht angewendet wird. Auch in diesem Fall erwähnt das Gesetz nur Arzneimittel sowie Medizinprodukte. Ein Kosmetikhersteller könnte daher künftig beispielsweise auf die Idee kommen, einen an krankhafter Akne leidenden Menschen darzustellen, dessen normaler Gesundheitszustand sich verschlechtert, weil er das beworbene Kosmetikum nicht angewendet hat.

Auch das Verbot von Preisausschreiben, die einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung der beworbenen Produkte Vorschub leisten, gilt nach der Novellierung uneingeschränkt nur noch für Arzneimittel. Kosmetikhersteller dürften solche Werbeaktionen derzeit auch krankheitsbezogen durchführen.

Trotz der ungewollten neuen Freiheiten dürfen Kosmetikprodukte laut Sachs indes nach wie vor nicht als Arzneimittel dargestellt werden: „Andernfalls könnten die beworbenen Produkte als sogenannte Präsentationsarzneimittel einzuordnen sein, die grundsätzlich nur mit entsprechender Zulassung in Verkehr gebracht werden dürfen.“ Durch den redaktionellen Fehler kann eine kosmetische Creme also beispielsweise nicht zur medizinischen Behandlung von Hautkrebs angeboten werden.

Clifford Chance berät viele Unternehmen im Kosmetikbereich. „Wir werden unsere Mandanten natürlich auf die derzeitige Rechtslage hinweisen“, sagt der Rechtsanwalt. Ob die Unternehmen ihre Werbung dementsprechend anpassen, sei jedoch ausschließlich ihre Entscheidung.

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