Gesundheitsfonds

Flüchtlingskosten: CSU kontert Gröhe

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Berlin -

In der Koalition ist ein Streit über die Finanzierung der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge entbrannt. Der Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), dafür Mittel aus dem Gesundheitsfonds abzuzweigen, stößt auf Widerstand. Nach anfänglichem Verständnis hat sich jetzt SPD-Vize Professor Dr. Karl Lauterbach auf die Seite der Kritiker geschlagen. Und die CSU warnt Gröhe vor Schnellschüssen.

„Wir haben das Problem, dass wir ständig neue Ausgaben abdecken müssen – auch für die Gesundheitskosten von Flüchtlingen“, warnte Lauterbach in einem Zeitungs-Interview: „Wenn wir dafür den Gesundheitsfonds ausplündern, werden wir bald keine Rücklagen mehr haben. Umso wichtiger ist, dass wir schnell zu gleichen Beiträgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückkehren.“

Lauterbach reagierte damit auf Pläne, den Kassen im kommenden Jahr zusätzlich 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds zuzuweisen. Gröhe hatte dies mit zusätzlichen Aufwendungen für die Versorgung von Flüchtlingen sowie den Ausbau der Telemedizin begründet. Aktuell beläuft sich die Reserve des Gesundheitsfonds auf rund zehn Milliarden Euro.

Letzte Woche hatte Lauterbach zunächst noch Verständnis für Gröhes Vorschlag geäußert: „Die Zusatzbeiträge dürfen wegen der Flüchtlingswelle nicht steigen“, so Lauterbach letzten Dienstag: „Es ist richtig, Mittel aus dem Gesundheitsfonds für Mehrbedarf zur Verfügung zu stellen. Eine andere Mechanik steht uns kurzfristig nicht zur Verfügung“, so Lauterbach.

Allerdings äußerte der SPD-Vize Zweifel an der von Gröhe vorgeschlagenen Höhe des Verschiebebahnhofs. Gröhes Zahlen seien „nur schwer quantifizierbar“. Der Betrag von einer Milliarde Euro für die Gesundheitskosten der Flüchtlinge „scheint mir viel zu viel zu sein“, so Lauterbach. „Das muss genau ausgerechnet werden.“ Es dürfe nicht mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds entnommen werden, als unbedingt notwendig.

„Wir können zusätzliche Ausgaben auch für gesamtgesellschaftliche Ausgaben nicht allein den Beschäftigten aufbürden. Das ist mit der SPD nicht zu machen“, sagte Lauterbach jetzt in der „Passauer Neuen Presse“. „Wir müssen jetzt zurück zu einer paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung.“

Angesichts der Diskussion rief Gesundheitsminister Gröhe die Koalition auf, ihre Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Flüchtlingskrise einzustellen. „Nachhutgefechte über die Entscheidungen der Bundesregierung im vergangenen Jahr sollten jetzt beendet werden. Das Treffen von CDU und CSU in Potsdam bietet dafür eine gute Gelegenheit“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Unnützer Streit erhöht weder die Lebensqualität noch die Freude an einer Koalition.“

Die Spitzen von CDU und CSU wollen sich am Freitag und Samstag zu einer Klausur in Potsdam treffen, um einen Ausweg aus dem monatelangen Streit über die Flüchtlingspolitik zu finden. Aber auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml sieht Gröhe Finanzierung-Pläne kritisch. Sie betonte am Sonntag: „Grundsätzlich ist es sehr positiv, dass der Bund die Krankenkassen und ihre Beitragszahler entlasten will. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung muss allerdings immer nachhaltig erfolgen. Ich warne daher vor Schnellschüssen. Klar ist: Wir müssen die Entwicklung der Krankenkassenbeiträge, aber auch der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung genau beobachten. Insbesondere gilt dies für die versicherungsfremden Leistungen. Auch der Bundeszuschuss sollte künftig nicht pauschal festgeschrieben, sondern dynamisiert werden.“

Noch vor dem Koalitionstreffen will Huml ein Gutachten vorstellen, wie die Finanzierung der Krankenversicherung nachhaltiger gestaltet werden kann. „Wir brauchen endlich mehr Gerechtigkeit im System der Gesetzlichen Krankenversicherung.“ Es greife zu kurz, beispielsweise die unzureichende Bundesfinanzierung der Hartz IV-Empfänger durch einen Griff in die Reserven der Beitragszahler zu kompensieren.

„Die Übernahme der Kosten der medizinischen Versorgung von anerkannten Flüchtlingen, die zunehmend als ALG II-Bezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung ankommen, bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Lösung“, so Huml. Die nachhaltige Bewältigung der Flüchtlingskrise könne nicht durch eine reine Zuwanderung in die Sozialsysteme erfolgen. Huml: „Statt einseitig die Beitragszahler zu belasten, wäre hier eine Steuerfinanzierung deutlich angemessener. Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen.“

In der Frage der Finanzierung möglicher Zusatzkosten der Krankenkassen für Flüchtlinge bekräftigte auch CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich gegenüber APOTHEKE ADHOC seine Auffassung, dass das „eine gesamtstaatliche Aufgabe ist und aus Steuermitteln finanziert werden muss“. „Ich halte an diesem Prinzip fest“, sagt der CDU-Gesundheitspolitiker.

Am Wochenende hatte sich auch der GKV-Spitzenverband zu Wort gemeldet und sieht vorerst keine Notwendigkeit, zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen zusätzliche Milliarden aus dem Gesundheitsfonds zu nehmen. Laut Vorstandschefin Dr. Doris Pfeiffer werden die Kosten für die Asylsuchenden in den ersten 15 Monaten von den Kommunen getragen. „Daher entsteht erst einmal keine finanzielle Belastung für die Krankenkassen.“

Nach der Erhöhung der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn hat sich zudem die Finanzlage der Krankenkassen verbessert. Zum Ende des ersten Quartals erzielten die 118 Kassen einen Überschuss von knapp 400 Millionen Euro. Im ersten Quartal des Vorjahres hatten sie noch ein Defizit von 169 Millionen Euro verbucht. Im gesamten Jahr 2015 mussten sie noch 1,1 Milliarden Euro aus den Rücklagen entnehmen, weil die Überweisungen des Gesundheitsfonds nicht reichten, um die Ausgaben zu decken.

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