Gesundheitsfonds

Gröhe plant Finanzspritze für Kassen

/ , Uhr aktualisiert am 13.06.2016 18:25 Uhr
Berlin -

Verschiebebahnhöfe zwischen den Sozialkassen gehören seit Jahrzehnten zum Handwerkszeug der Politik, um unerwünschte Beitragsanstiege zu dämpfen oder zu verhindern. Jetzt greift offenbar auch die Große Koalition zu diesem Mittel. Die Krankenkassen sollen vom Gesundheitsfonds im Wahljahr 1,5 Milliarden Euro zusätzlich erhalten – für die Versorgung von Flüchtlingen und zum Ausbau der Telemedizin. Mit der Finanzspritze dürfte aber vor allem ein weiter Anstieg der Zusatzbeiträge Anfang des kommenden Jahres abgefedert werden.

Die Grünen werfen der großen Koalition daher ein „perfides Wahlkampfmanöver“ vor. Es sei unlauter, „die Versorgung von Flüchtlingen als Grund für den Griff in den Gesundheitsfonds vorzuschieben“, erklärte Maria Klein-Schmeink. Mit diesem Schritt wolle die große Koalition einen spürbaren Anstieg der von ihr zu verantwortenden Zusatzbeiträge vermeiden. Die Gesundheitsexpertin der Grünen argumentiert, die Zusatzbeiträge stiegen nicht wegen der Versorgung von Flüchtlingen, „sondern weil die Koalition die Arbeitgeber nicht mehr an dem allgemeinen Anstieg von Kosten für die medizinische Behandlung der Bevölkerung beteiligt und diese Kosten ausschließlich dem Versicherten aufbürdet“.

Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte die beabsichtigte Umlenkung der Mittel aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen. Die Gesetzesänderung soll noch bis Oktober erfolgen, damit der Schätzerkreis der Krankenkassen dies in seine Beitragsprognose für 2017 einplanen kann.

Bereits im vergangenen Jahr war eine Diskussion über die Kosten der Flüchtlingswelle für die Krankenkassen ausgebrochen. Schätzungen gingen im Wahljahr von Zusatzkosten in Höhe von rund einer Milliarden Euro aus. Die 1,5 Milliarden Finanzspritze könnte den Anstieg des Zusatzbeitrags, den Arbeitnehmer alleine tragen müssen, um 0,15 Prozentpunkte dämpfen.

Anfang dieses Jahres hatten bereits viele Kassen ihren Zusatzbeitrag anheben müssen. Der durchschnittliche Satz beträgt nun 1,1 Prozent (plus 0,2 Prozent); einige Kassen mussten ihren Zusatzbeitrag sogar auf 1,9 Prozent steigern. Im Durchschnitt beträgt der Kassenbeitrag nun 15,7 Prozent. Davon teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer 14,6 Prozent paritätisch.

Der Gesundheitsfonds, aus dem die 1,5 Milliarden Euro kommen sollen, verfügt derzeit über rund zehn Milliarden Euro Reserven. In den Gesundheitsfonds fließen die Beiträge von Arbeitgebern und Versicherten sowie derzeit 14 Milliarden Euro Steuerzuschuss. Der Steuerzuschuss soll 2017 auf 14,5 Milliarden Euro steigen.

Angesichts des Anstiegs der Zusatzbeiträge war in der SPD, aber auch in den Reihen der Gewerkschaften eine Diskussion über eine soziale Schieflage mit der Forderung zur Rückkehr zur Parität entstanden. Außerdem waren die Reserven des Gesundheitsfonds wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in die Schlagzeilen geraten. Weil der Gesundheitsfonds seine Reserven bei Banken anlegt, waren Strafzinsen in Höhe von 1,8 Millionen Euro fällig geworden.

Der Zustrom von Flüchtlingen darf nach Ansicht des CDU-Gesundheitspolitikers Michael Hennrich nicht zulasten der Sozialkassen gehen. „Eine Belastung der Beitragszahler, insbesondere über die GKV-Zusatzbeiträge, darf es nicht geben. Das wäre eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müsste aus Steuermitteln finanziert werden. Da fühlen wir uns als Union in der Verantwortung“, sagte Hennrich im Februar 2016 gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Damit regierte Hennrich, Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit als Berichterstatter für den Bereich Arzneimittelversorgung und Apotheken, auf die Diskussion über Mehrkosten für die Krankenkassen aufgrund des Flüchtlingszustroms. Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass den Krankenkassen schon bald Milliardendefizite drohten.

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