Apotheker soll 3000 Euro zahlen

Bußgeld: Kammer beschränkt Meinungsfreiheit

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Berlin -

Vermeintlich unkollegiale Meinungsäußerungen könnten in Zukunft verstärkt berufspolitisch geahndet werden. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) hat jedenfalls ihre Drohung wahr gemacht und einen Präzedenzfall geschaffen: Dr. Christoph Klotz hat wegen seiner öffentlichen Äußerungen im Zusammenhang mit der Kammerwahl eine Rüge kassiert und soll ein Ordnungsgeld in Höhe von 3000 Euro zahlen. Laut Vorstand gilt bei Apothekerinnen und Apothekern die Meinungsfreiheit nur eingeschränkt.

Klotz war mit seiner eigenen Liste „BasisApotheker“ zwar in seinem Wahlkreis Münster in die Kammerversammlung gewählt worden; im Wahlkreis Arnsberg war der Wahlvorschlag der Liste aber laut Kammer nicht fristgerecht eingereicht worden. Ein Einspruch sowie eine Beschwerde beim Gesundheitsministerium in Düsseldorf blieben erfolglos.

Seinem Ärger über das Vorgehen hatte Klotz öffentlich Luft gemacht. Unter einem Beitrag auf APOTHEKE ADHOC hatte er AKWL-Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter als „Steigbügelhalter“ der Gemeinschaftsliste von Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening bezeichnet. Einem Kollegen jener Liste, der in seinem Wahlkreis als Wahlleiter fungierte, warf er „Machtmissbrauch“ und „massiven Behinderungsversuch“ vor: Bei der Liste gebe es „anscheinend doch massive Mängel im demokratischen Grundverständnis“; offenbar nutze man gerne die Gunst der Stunde, um „einen berufspolitischen Mitbewerber aus dem Rennen zu kicken“.

Aus Sicht der Kammer verstoßen solche Äußerungen gegen die § 2 der Berufsordnung (BO), wonach sich die Mitglieder gegenüber anderen Apotheker:innen kollegial zu verhalten und das Ansehen des Berufsstands zu wahren haben. Öffentliche Diskurse zwischen Kollegen müssten sachlich geführt werden; niemand dürfe öffentlich diffamiert oder durch Behauptung falscher Tatsachen herabgesetzt werden. Auch Thüringen hatte einen entsprechenden Passus in die Berufsordnung aufgenommen.

Bereits im August wurde Klotz mit einer vorläufigen berufsrechtlichen Bewertung konfrontiert, die er im September mit einer ausführlichen Stellungnahme beantwortete. Er versicherte, dass er keine der beiden Personen habe diskreditieren wollen, und berief sich auf das Recht zur freien Meinungsäußerung.

Persönliche Herabwürdigung

Doch davon ließ sich der Vorstand um Overwiening nicht überzeugen. Mit seinen „persönlich herabwürdigenden“ Äußerungen habe Klotz „jegliche Grundlage für ein kollegiales Miteinander beziehungsweise kollegiales Klima“ im Verhältnis zu den beiden Kollegen zerstört. „Denn Sie werfen beiden auf persönlicher Ebene vor, dass sie ihre Wahlämter gemeinschaftlich missbraucht hätten, um einen Wahlvorschlag von der Wahl auszuschließen und dass sie wegen massiver Mängel im demokratischen Grundverständnis nicht für ihre Wahlämter geeignet seien, ohne dass Sie diese Aussagen auf eine belastbare Sachgrundlage stellen könnten.“ Hierbei handele es sich um einen „erheblichen Vorwurf“, da beide als Hauptwahl- und Wahlleiter besondere Funktionen bei der Kammerwahl 2024 ausgeübt hätten, denen eine besondere Bedeutung zukomme.

Mit der Bezeichnung als „Steigbügelhalter“ werde Walter unterstellt, dass er der Gemeinschaftsliste durch unzulässige Handlungen zur Macht beziehungsweise zum Wahlerfolg verholfen habe. „Dies entspricht einmal nicht den Tatsachen, da Herr Dr. Walter die Wahl weder beeinflusst noch manipuliert hat und als Hauptwahlleiter lediglich die Vorgaben zur Durchführung der Kammerwahl umgesetzt hat.“ Gleiches gelte für die Behauptungen gegenüber dem Wahlleiter aus Arnsberg.

Beide Kollegen würden durch die falschen Behauptungen „persönlich herabgesetzt“, da sie als Personen charakterisiert würden, die „parteiisch und verantwortungslos gehandelt“ hätten und „nicht integer und verlässlich“ seien. Dies wiege umso schwerer, als ihnen als Hauptwahlleiter beziehungsweise Wahlleiter eine „Neutralitätspflicht und besondere Verantwortung“ zugekommen sei.

Eine Diskussion über die Umstände der Kammerwahl wäre „ohne namentliche Nennung Ihrer beiden Kollegen möglich gewesen, ohne dass die sachliche Auseinandersetzung hierdurch an Qualität verlieren würde“, so der Vorstand. „Dies belegt, dass es Ihnen mit Ihren Äußerungen nur um einen persönlichen Angriff und die öffentliche Herabsetzung [...] ging.“

Würde des Berufsstands verletzt

Die öffentlichen Äußerungen beeinträchtigten zudem das Ansehen des apothekerlichen Berufsstands und verletzten das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Berufsstands. Denn Leser würden aus den Kommentaren den Schluss ziehen, „dass Apotheker strittige Sachverhalte nicht auf Augenhöhe sachlich klären, sondern hierzu auch Mittel des öffentlichen persönlichen Angriffs beziehungsweise der öffentlichen persönlichen Herabsetzung nutzen“, so der Vorstand.

„Dies widerspricht allerdings dem Bild eines hochstehenden Berufsstands aus akademischen Heilberuflern. Zudem begründet dies die Gefahr, dass die Bevölkerung diese Wertungen grundsätzlich auf den Berufsstand und damit auch auf den apothekerlichen Versorgungsauftrag als dessen Kernaufgabe übertragen könnte, was zu einem weiteren Ansehensverlust führen würde.“

Keine Kurzschlusshandlung

Daher sei bei dem vorliegenden Sachverhalt von einem „erheblichen Berufspflichtenverstoß“ auszugehen. „Der Vorstand hat [...] die Erteilung einer Rüge sowie eines Ordnungsgelds über 3000 Euro als erforderlich angesehen, um Sie, ohne ein berufsgerichtliches Verfahren beim zuständigen Berufsgericht zu beantragen, nachdrücklich zur Beachtung und Einhaltung Ihrer Berufspflichten als Apotheker anzuhalten.“

Da Klotz außerdem zwei Kommentare dazu verfasst habe, mit denen er gegen die Berufsordnung verstoßen habe, sei davon auszugehen, dass diese „nicht aus einer Kurzschlusshandlung heraus verfasst“ worden seien. „Hierfür spricht einmal der Umfang der beiden Kommentare, wobei die vorliegend gewürdigten Äußerungen in einen Gesamtzusammenhang gesetzt wurden. Zum anderen lagen zwischen der Veröffentlichung der beiden Artikel insgesamt drei Wochen.“

Im Übrigen seien die Äußerungen öffentlich im Internet getätigt worden, sodass sie von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden konnten.

„Zudem waren die Äußerungen nicht nur allgemein unkollegial, sondern beinhalteten persönliche Angriffe auf zwei Kollegen, die auf diese Weise gegen ihren Willen in die Öffentlichkeit gezogen wurden und sich unberechtigten Angriffen ausgesetzt sehen mussten. Aus Sicht des Vorstands ist dabei besonders problematisch, dass der durch Ihre Kommentare bewirkte negative Eindruck über beide Personen bei Lesern der Kommentare fortwirken wird und kaum wieder klargestellt werden kann.“

Vor diesem Hintergrund sei „grundsätzlich zu befürchten, dass sich Kammermitglieder perspektivisch nicht mehr für eine ehrenamtliche Tätigkeit für die Kammer bereiterklären könnten, weil sie befürchten, dass über sie eine nachteilige Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit geführt werden könnte“. Auch derartigen Entwicklungen sowie Wiederholungsfällen solle mit der ausgesprochenen Maßnahme vorgebeugt werden. „Zu Ihren Gunsten war zu berücksichtigen, dass Sie berufsrechtlich nicht vorbelastet sind.“

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Und dann offenbart der Vorstand noch, wie eng er die Sache zukünftig handhaben will. So seien die Grenzen zur Unkollegialität „in jedem Fall überschritten, wenn Äußerungen nicht mehr von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt sind“. Aber: „Eine Verletzung des Kollegialitätsgebots besteht allerdings auch schon dann, wenn sachwidrige Äußerungen getätigt werden, die durch ihren achtungs- und rücksichtslosen Aussagegehalt dazu führen, dass ein Kollege persönlich herabgewürdigt oder die Grundlage für ein kollegiales Klima beziehungsweise Miteinander zerstört wird.“

Denn gelte es auch, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Berufsstands zu sichern: „Dieses Vertrauen kann insbesondere dann beschädigt werden, wenn Apotheker in der Öffentlichkeit nicht ihrer besonderen Stellung als Angehöriger eines Heilberufs entsprechend agieren, sondern für jedermann lesbar diffamierende Aussagen über Kollegen tätigen oder unwahre Tatsachen behaupten.“

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