Kommentar

BMG zeigt Nerven – Chance für Apotheken!

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Berlin -

Das ging schneller als gedacht und kam aus unerwarteter Richtung: Schon eine Woche vor dem geplanten Protesttag füttert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Presse mit Fakten, warum es den Apotheken angeblich gar nicht so schlecht geht wie behauptet. So umfangreich das Material ist –  für die Apotheken liefert es die beste Argumentationsgrundlage, kommentiert Patrick Hollstein.

Normalerweise hätte man erwartet, dass die Kassen im Vorfeld des Protesttags wie üblich Gift und Galle spritzen. Das wird sicher auch noch kommen, weder GKV-Spitzenverband noch AOK-Bundesverband oder andere Kassenvertreter sind für ihre besondere Zurückhaltung gegenüber den Apotheken bekannt. Da wird gerne mal das große Besteck ausgepackt, gut denkbar, dass also in den kommenden Tagen mal wieder dem Versandhandel gehuldigt oder der Liberalisierung das Wort geredet wird.

Dass aber ausgerechnet das BMG ein umfangreiches „Faktenblatt“ verschickt hat, das jede Menge Zahlen zur Lage der Apotheken enthält, kam doch überraschend. Zumal es noch eine Woche Zeit ist bis zum Protesttag. Schon weit vor dem Termin können sich die Apothekerinnen und Apotheker nun mit den Argumenten ihrer Kritiker auseinandersetzen und sich optimal vorbereiten – solange das nicht längst passiert ist. Da eine Reaktion der Abda noch aussteht, ist anzunehmen, dass das BMG die Standesvertretung nicht wenigstens vorgewarnt hat. Zumindest das wäre guter Stil gewesen.

Man könnte das Timing des BMG für einen geschickten Schachzug halten; ein Teil der Berufsvertretung weilt derzeit beim Pharmacon in Meran und kann sich von dort aus schlecht wehren. Aber schon morgen kann Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening im Rahmen einer anberaumten Pressekonferenz zum „Tag der Apotheke“ am Mittwoch die Gelegenheit nutzen, um die Ausführungen einzuordnen und der Lesart des BMG etwas entgegen zu setzen. Denn gemeinsam mit dem Berufsnachwuchs hat die Abda die Initiative „Gegen Zukunftsklau“ ins Leben gerufen – und mit ein bisschen Fortune können die jungen Apothekerinnen und Apotheker mehr Sympathien einsammeln als Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Einerseits zeigt die Aktion des BMG die Schwäche der Abda, denn bei einer stärkeren Berufsvertretung hätte man sich so etwas vermutlich nicht getraut. Andererseits zeigt das Vorpreschen eine gewisse Nervosität: Der Protesttag der Apotheken wird von der Politik wahrgenommen und auch ernst genommen. Das sollte Mut machen und Ansporn sein.

Vor allem aber ist die Argumentation des Ministeriums entlarvend: Wer einem Berufsstand ernsthaft vorwirft, dass er sich bei Schutzmasken, Impfstoffen und Bürgertestungen engagiert und, ja, dafür auch Geld bekommen hat, der hat wohl keine besseren Argumente. Den Apotheken ihr Engagement in der größten Krise vorzuwerfen, während der Rest des Landes im Homeoffice war, ist ein durchschaubares Manöver, das keine Antwort auf die tatsächlichen Probleme liefert, sondern ausschließlich die Neiddebatte speisen soll.

Vor allem aber: Zu Zahlen aus 2021 greift nur, wer über die aktuellen Probleme hinwegtäuschen will. Und für die sind eben nicht (nur) die Apotheken verantwortlich, sondern eben auch, na hoppla, die Politik. Es dürfte noch schmutzig werden in den kommenden Tagen. Viele Gelegenheiten für die Apotheken also, authentisch und aufrichtig zu bleiben.

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