#retteDeineApotheke

Berlin: Hunderte demonstrieren für die Apotheke vor Ort

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Berlin -

„Wir sind hier, wir sind laut, weil man euch die Apos klaut“, schallt es auf den Straßen: Rund 400 Menschen haben heute in Berlin unter dem Slogan #retteDeineApotheke für den Erhalt der Apotheke vor Ort demonstriert. Der Protestmarsch, der von den Apothekern Maximilian Wilke, Maria Zoschke und Joachim Schrot initiiert wurde, ist vom Bahnhof Friedrichstraße zunächst zum  Bundesgesundheitsministerium (BMG) gezogen. Durchs Regierungsviertel ging es zu einer Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor.

Trillerpfeifen, Tröten und Sprechchöre tönen durch Berlin-Mitte. Hunderte Menschen mit Plakaten und Westen demonstrieren gegen die Politik der Bundesregierung. „Wir sind da auch in der Nacht, wenn die Post noch Pause macht“, rufen die Teilnehmer, vereinzelt ist auch „Spahn muss weg“ zu hören. „Wir fordern von der Politik vernünftige Rahmenbedingungen“, erklärt Initiator Wilke auf der Demo. „Wir wollen, dass die Apotheken auch in 20, 30, 40 Jahren noch ihren Dienst machen und die Patienten vor Ort versorgen können. Das ist, weswegen wir heute hier stehen.“

Auch bekannte Gesichter sind unter den Teilnehmern zu sehen: So hat sich der Präsident der Apothekerkammer Berlin, Dr. Christian Belgardt, angeschlossen, obwohl die Kammer offiziell zu der Demonstration geschwiegen hat. Bei der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor sprachen Wilke und der Adexa-Vorsitzende May, von einbem gemieteten Lieferwagen aus zu den Demonstranten. Zoschke verlas ein Grußwort der linken Bundestagsabgeordneten Silvia Gabelmann. Ihre Fraktion werde erneut einen Antrag auf ein Rx-Versandverbot in den Bundestag einbringen.

„Meine Absicht, hier heute dabei zu sein, ist, Herrn Spahn zu zeigen, dass es nicht sein kann, dass er ausländische Versandapotheken fördert und die Apotheke zuhause vergisst“, sagt auch Apothekerin Christiane Patzelt. „Ich bin hier, weil ich eine junge Apothekerin bin, die gerade mit dem Studium fertig geworden ist, und ich tatsächlich manchmal Angst um meine berufliche Zukunft habe“, sagt eine andere Apothekerin. „Ich habe das Gefühl, die Politik schafft uns und mit uns die Patienten kontinuierlich ab. Deswegen habe ich Angst um meinen Beruf, aber auch um die Menschen in unserem Land.“ Ein älterer Kollege wäre auch zu mehr bereit: Er werde zivilen Ungehorsam leisten und seine Apotheke einen Tag schließen, wenn nichts passiert.

Für Wilke sei der Anlass gewesen, dass die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben „fordert, dass die Arzneimittelpreise für EU-Versender liberalisiert werden sollen und die Preisbindung gekippt werden soll“. Der 33-Jährige und seine beiden Weggefährten haben die Demo in Eigenregie über soziale Netzwerke und Mundpropaganda auf die Beine gestellt. Apothekerkammer und Apothekerverein waren nicht mit eingebunden. „Wir haben die Kammern und Verbände nicht aktiv angesprochen, aber zum Teil wurden wir unterstützt, zum Beispiel aus Brandenburg, aus Mecklenburg-Vorpommern und auch andere Verbände haben zumindest inoffiziell und informell über diese Veranstaltung informiert.“

Angeschlossen hatte sich auch die Apothekengewerkschaft Adexa. Deren Vorsitzender Andreas May hielt bei der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor eine Rede, in der er die Ungleichbehandlung ausländischer Rx-Versender und inländischer Prösenzapotheken sowie das Abrücken der Bundesregierung vom Rx-Versandverbot kritisierte. Das Rx-Versandverbot sei zwar im Koalitionsvertrag festgeschrieben. „Aber unser Gesundheitsminister Jens Spahn will das einfach nicht und hat deshalb sein eigenes Süppchen gekocht“, so May.

Zum Glück hätten einige von Spahns Parteikollegen „begriffen, welche Gefahr besteht“, weshalb er eine Bitte an die Unionspolitiker im Bundestag habe: „Setzen Sie sich weiter dafür ein, dass wir wieder faire Bedingungen bekommen.“ Europa bezeichnete er als Freundin: „Ich mag sie wirklich gern“, so May. „Aber meine Freundin redet mir immer wieder in Entscheidungen rein. Will mir Sachen für gut verkaufen, die ich gar nicht will. Jetzt hat sie sich auf meinen Arzneischrank eingeschossen.“ Seit zweieinhalb Jahren – seit dem Rx-Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 – würden die Apotheker gegen diese Einflussnahme aus Brüssel kämpfen.

Die Situation der Apotheken spiegele sich auch in den Arbeitsbedingungen der 142.000 Apothekenmitarbeiter in Deutschland. Die Angestellten spürten das bei den Tarifverhandlungen. „Die wirtschaftliche Lage ist seit zweieinhalb Jahren unsicher – und die Arbeitgeber mauern“, kritisierte May. Für die Arbeitnehmer sei das „total bitter“, denn sie „bekommen schon seit Jahren zu neidrige Gehälter. Dabei leisten sie jeden Tag wertvolle Arbeit!“

Doch nicht nur Bundesregierung und EU sollen auf die Situation aufmerksam gemacht werden, auch die Bevölkerung. Am Rande der Demo hatten sich Passanten abschätzig geäußert, dass „ausgrechnet die Apotheker demonstrieren, die doch genug verdienen“, wie zu vernehmen war. „Dass Apotheker so viel verdienen, ist ein hartnäckiges Vorurteil, das sich seit vielen Jahren hält und das in der Vergangenheit sicherlich auch in Teilen korrekt war“, erklärt Organisator Wilken. „Aber was man heute sieht, nämlich dass in Deutschland statistisch jeden Tag eine Apotheke stirbt, dass mehrere tausend Apotheken wirtschaftlich in großen Schwierigkeiten sind, das ist bisher in der Bevölkerung und auch bei vielen Beobachtern noch nicht durchgedrungen. Auch dafür wollen wir Aufklärungsarbeit leisten.“

Laut einem Polizisten vor Ort haben sich rund 400 Demonstranten eingefunden. Angemeldet hatten die Veranstalter 1500 Teilnehmer. Wilke zeigt sich stolz über das Erreichte. „Wir sind froh, dass wir heute so viele Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gebracht haben“, sagt er. „Sicherlich, mehr geht immer, aber was wir heute geschafft haben, ist ein gutes Zeichen.“ Er werde die politische Entwicklung weiter genau beobachten, kündigt Wilke an.

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