ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Abda in Not – Lauterbach beantwortet jede einzelne Postkarte

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Berlin -

Ach du liebe Güte, was ist denn das? Die Postkarten aus den Apotheken sind noch nicht einmal ausgezählt, da kommt schon die nächste Großlieferung per Lkw. Absender: Der Bundesminister für Gesundheit. Karl Lauterbach hat tatsächlich jede einzelne Botschaft persönlich beantwortet. Jetzt hat die Abda ein Problem.

„Wir ❤️ Apotheken“, wer kann dem schon widersprechen? Schließlich liebt man auch seine Frau, Edeka und in gewisser Weise wohl auch seinen Zahnarzt oder Urologen. Und dabei ist der Claim genauso positiv besetzt wie das bisherige Motto „Unverzichtbar“, das leider die MFA für ihren Protest vor dem Brandenburger Tor geklaut haben. So oder ähnlich könnte die Diskussion in der Stabsstelle Kommunikation der Abda abgelaufen sein, als nach einem furiosen Protesttag eine (nicht ganz so eskalative) Eskalationsstufe für die Sommerpause gesucht wurde. Und bei so viel Positivität und Eingängigkeit sollten 100 Postkarten pro Apotheke locker drin sein. Zwei Millionen Grüße für zwei renitente Minister.

Antwort auf Fanpost

Womit die Abda-ÖA und ihre Agentur nicht gerechnet hatten: Während Robert Habeck kein Interesse an den Schreiben hat, greift Kabinettskollege Lauterbach, tief beeindruckt von den Sympathiebekundungen der Patientinnen und Patienten, persönlich zum Füllfederhalter und beantwortet jede einzelne Postkarte:

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil ich seit über 50 Jahren in die gleiche Apotheke gehe und dort immer sehr freundlich bedient u. beraten werde. Bei Bedarf wird auch kostenfrei nach Hause geliefert.
    • Liebe:r unbekannte:r Versicherte:r. Auch mir liegt die Apotheke am Herzen. Falls Sie es allerdings noch nicht wissen: Die Lieferung wird von den Kassen, mithin also aus Ihren Beiträgen vergütet. MfG Ihr KL

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil Gesundheit keine Ware ist, mit der man handelt. Die Apotheke-vor-Ort leistet zeitnah! kompetente Hilfe in Gesundheitsangelegenheiten.
    • Vielen Dank für Ihre Anregungen, a) zur Eindämmung des Handels das Apothekenhonorar zu deckeln bzw. gänzlich vom Abgabepreis zu entkoppeln und b) zur weiteren Beschleunigung der Versorgung die Selbstdispensation freizugeben. KL

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil ich als Ärztin das gute kollegiale Miteinander liebe und nicht missen wollen würde.
    • Geschätzte Kollegin, ich weiß die Arbeit der Praxen sehr zu schätzen, daher werden wir die Themen Regress und Entbudgetierung entschieden angehen. Mit kollegialen Grüßen Ihr KL

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil wir nicht drei Tage auf Medikamente warten können, wenn wir krank sind.
    • Guten Tag, bitte wenden Sie sich bei Lieferproblemen oder Wartezeiten künftig an den Kiosk Ihres Vertrauens. MfG KL

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil hier bin ich Mensch und nicht eine Nr. Das Persönliche ist mir so wichtig.
    • Wissen Sie was: Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil ich keine brauche und alle meine Arztmuster in meinem Koffer habe.

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil ich bin nierentransplantiert und habe hier die beste Beratung, was für mich geeignet ist oder nicht. Es wird sich immer Zeit genommen!
    • Hallo, damit Sie künftig IMMER die beste Beratung bekommen, wird sich Ihre Krankenkasse schon bald mit Ihnen in Verbindung setzen, um über individuelle Empfehlungen für Ihr chronisches Leiden zu sprechen. Dafür schaffen wir gerade die gesetzliche Grundlage. PS: Bitte achten Sie darauf, nicht zu viel Zeit in Anspruch zu nehmen.

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil sie 1½ Jahre getestet haben & sich der Gefahr von Covid ausgesetzt haben. Vielen Dank
    • Danken Sie der Bundesregierung, die dieses Angebot großzügig finanziert und es mit Kontrollen nicht zu weit getrieben hat. KL

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil meine Kinder Neurodermitis haben und nur die angefertigten Salben helfen! Oft muss ich den Notdienst in Anspruch nehmen.
    • Haben Sie es schon einmal mit salzfreier Ernährung versucht? Ich kann Ihnen aktuelle Studien dazu schicken.

  • Meine Apotheke liegt mir am Herzen, weil sie immer für mich da ist, wenn es mir nicht gut geht, also Finger weg von meiner Apotheke. Sie retten Leben und sie ist vor Ort. Dankeschön an alle Mitarbeiter.
    • Um Leben zu retten, retten wir gerade rechtzeitig vor einem Reformnotfall mit einer Notfallreform den Rettungsdienst. Zwinkersmiley.

Während die Abda also die halbe Million Postkarten (es könnten allerdings auch viel weniger sein) noch nicht einmal ausgezählt hat (weil das ein sehr aufwändiges Verfahren ist), trudeln nun schon die ersten Rückläufer aus dem BMG ein. Das ist nicht nur für das Aktionsbüro eine Herausforderung (die Druckerei hat schon eine benachbarte Lagerhalle angemietet), sondern auch für die Abda: Denn die Karten haben nicht nur keinen konkreten Adressaten („An die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland“), sondern natürlich auch keinen Absender. Noch nicht einmal den einzelnen Apotheken lassen sich die Grußbotschaften zusenden.

Public Viewing in der Apotheke

Aber es gibt eine Lösung: Lauterbach bekommt die Möglichkeit, seinen Videoauftritt vor der verfassten Apothekerschaft zu nutzen, um seine Antworten vorzulesen. Die Apotheken schließen in dieser Zeit (es könnte länger dauern als drei Stunden) und laden ihre Kundinnen und Kunden zum gemeinsamen Public Viewing in die Offizin ein. „Wir bleiben geschlossen, weil Lauterbach uns Antworten schuldet“, passt immer noch irgendwie in diesen Plan B. Aus dem Deutschen Apothekertag wird der Deutsche Apothekentag. Mehr Strahlkraft hatte die Veranstaltung noch nie. Und am Ende haben sich alle wieder lieb.

Sodele. Das Protestkartenkapital ist mit der feierlichen Verlesung o.g. Exemplare vor der versammelten Weltpresse abgeschlossen; sollte irgendwann das Meer an Postkarten ausgezählt sein und das BMG doch noch antworten, könnten die Liebesgrüße ihrer Bestimmung zugeführt und der berühmte USB-Stick übergeben werden. Die Aktion stand von Anfang an irgendwie unter keinem guten Stern.

Zeit, nach vorne zu schauen. „Tag der Antworten“, lautet das Motto der nächsten Eskalationsstufe, die jetzt gezündet wird. Sechs Fragen hat die Abda an Lauterbach geschickt und ihm die Pistole auf die Brust gesetzt, sie bis zum DAT zu beantworten. Sonst? Plan B (noch geheim).

Von den „zukunftsweisenden“ Themen bleiben bei näherer Betrachtung allerdings nur zwei übrig: Honorarerhöhrung und Landapotheken. Was ja auch die wichtigsten Anliegen sind. In Punkt 3 feiert dagegen mit „Armin“ ein berufspolitischer Zombie seine Auferstehung. In Punkt 5 geht es um die geplanten AMTS-Berater der Krankenkassen, die man eigentlich im Bereich der gesetzgeberischen Streichmasse verorten sollte. Und über die Erkundigung nach den Rabattverträgen in Punkt 6 werden sich wohl eher die Hersteller als die Apotheken freuen.

Ungeschick und Schwäche

Traurig ist dabei nicht nur das handwerkliche Ungeschick, sondern vor allem die offen zur Schau getragene Schwäche der Abda. Sechs Terminvorschläge hat Lauterbach abgelehnt – und seinen versprochenen DAT-Besuch platzen lassen. Nicht auszudenken was passiert, wenn er die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellten und äußerst zweischneidigen Versprechen von Lockerungen und Umverteilungen angeht. Wird er dann eine Expertenkommission einberufen statt mit der Apothekerschaft zu sprechen?

Das Meer an weißen Kitteln vor seinem Büro hat ihn im Juni nicht überzeugt, es braucht also ganz offensichtlich eine noch deutlichere Sprache. Die Apotheken sind bereit für weitere Proteste, das zeigt beispielhaft der Beschluss aus Hessen zu wiederholten und mehrtägigen und bundesweiten Aktionstagen. Die Geschlossenheit der Basis ist da, was noch fehlt, ist der Mut an der Spitze. Am „heißen Herbst“, wie ihn Overwiening versprochen hat, führt kein Weg vorbei. In diesem Sinne: Schönes Spätsommerwochenende.

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