Kopfschmerzen

Update Migräne

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Berlin -

In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Migräne-Patienten. Der chronische Kopfschmerz kann den Alltag unerträglich machen. Zur Behandlung stehen verschreibungspflichtige und OTC-Arzneimittel zur Verfügung. Aber auch eine nichtmedikamentöse Therapie kann sich positiv auf die Migräneattacken auswirken. In diesem Jahr wurde die S1-Leitlinie „Therapie der Migräne und Prophylaxe der Migräne“ aktualisiert. Nicht zuletzt weil neue Arzneimittel im Bereich der Prävention entwickelt wurden.

Es gibt etwa 100 Arten von Kopfschmerz, wobei Migräne, Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz und Arzneimittel induzierter Kopfschmerz die häufigsten Arten darstellen. Zudem lassen sich mehr als 90 Prozent aller Kopfschmerzen auf Migräne- und Spannungskopfschmerz zurückführen, erzählt Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz. Viele Hilfesuchende hoffen auf Rat aus der Apotheke, die meist die erste Anlaufstelle ist. Wichtig sei es daher, die Migräne von den anderen Kopfschmerzarten abzugrenzen.

Eine Migräne ist in der Regel gut erkennbar. Der Schmerz ist meist einseitig und kann sich bei körperlicher Aktivität verstärken. Zudem können die Betroffenen licht- und geräuschempfindlich sein. Zu den vegetativen Begleitsymptomen zählen auch Übelkeit und Erbrechen. Ein Migränepatient kennt sich und seine Attacke selbst sehr gut. Zudem können Vorboten eine Attacke ankündigen. Etwa 10 bis 15 Prozent erleben eine Aura. Danach folgt die Kopfschmerzphase, die drei bis fünf Stunden oder gar bis zu 70 Stunden andauern kann. Arzneimittel sollten daher je früher desto besser in der Kopfschmerzphase eingesetzt werden.

Im Rahmen der Selbstmedikation sind laut evidenzbasierten Empfehlungen nicht-steroidale Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen sowie eine Kombination aus Paracetamol, ASS und Coffein Mittel der 1. Wahl, wenn es sich um die Behandlung leichter bis mittelstarker Schmerzen handelt.

Gemäß S1 Leitlinie sollen Triptane bei mittelschweren bis schweren Attacken oder wenn NSAR nicht wirksam sind, zum Einsatz kommen. Eletriptan und Rizatriptan sind unter den Triptanen am wirksamsten. Die Wirkstoffe können bei einer Akutattacke jedem zweiten Patienten helfen, führt Schubert-Zsilavecz aus. Aber auch die anderen Triptane können Anwendung finden. Jedoch haben diese bei identischem Wirkmechanismus eine besondere Spezifik und unterscheiden sich in Wirksamkeit und unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Naratriptan besitze die geringste klinische Wirksamkeit, sei aber am besten verträglich. Für eine Migräneattacke sei es wichtig, dass das Arzneimittel schnell anflutet. Für kurze Attacken seien Arzneistoffe mit später Wirkung ungeeignet. Betroffene sollten stattdessen den „Hermann Meier der Triptane“ Eletriptan anwenden. Der Wirkstoff flutet schnell an und hat einen schnellen Wirkeintritt. Eine Kombination mit anderen Arzneistoffen sei sinnvoll. Beispielsweise könnte ein Triptan mit Naproxen kombiniert werden, weil die Wirkstoffe unterschiedliche Angriffspunkte haben.

Mutterkornalkaloide gelten als Reservearzneimittel, die nur eingesetzt werden, wenn alles andere unwirksam ist. Wichtig ist die Begrenzung der Anwendung. Apotheker sollten in einer guten Beratung darauf hinweisen, Schmerzmittel nicht länger als drei Tage am Stück und nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat angewendet werden sollen.

Im Bereich der Prophylaxe gibt es seit einiger Zeit eine ganze Reihe unterschiedlicher Wirkstoffe mit deren Hilfe man die Zahl der Attacken reduzieren kann, jedoch wurden die bislang verfügbaren Arzneistoffe nicht rational für die Migräneprophylaxe entwickelt. Vielmehr handelt es sich um Zufallsfunde. Ein Beispiel sind die Betablocker deren Nebeneffekt die Senkung der Migränetage ist. Die beste Evidenz liegt für Metoprolol und Propranolol vor. Ebenfalls eingesetzt werden der Calciumantagonist Flunarizin und das Antiepileptikum Topiramat. Die klinische Evidenz ist übersichtlich gut bei nicht unerheblichem Nebenwirkungsprofil, das bei einer Dauereinnahme problematisch sein kann. In die neue Leitlinie wurden weitere Wirkstoffe aufgenommen, wo positive Ergebnisse zu erwarten sind, wie beispielsweise AT-1-Antagonisten.

Die Pathophysiologie der Migräne ist durch eine Erweiterung der Hirnhautgefäße, eine erhöhte Trigenimus-Aktivität, aseptische Entzündungsreaktionen sowie der Freisetzung von Substanz P und dem Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP) gekennzeichnet. Das Neuropeptid wird zentral freigesetzt und gilt als starker Vasodilataor und Trigger für Entzündungen. CGRP besteht aus 37 Aminosäuren. Für den Schlüsselmediator der Migräne sind zwei Isoformen bekannt. Bei einer Migräne ist zu viel CGRP vorhanden. Diese Hypothese wurde im Sinne der Entwicklung von Arzneistoffen, die gegen CGRP gerichtet sind, genutzt.

Erste Versuche waren „small molekuls“ also orale Applikationsformen. Für den Wirkstoff Telcagepant liegen Ergebnisse aus acht randomisierten Studien vor. Diese zeigen, dass der Arzneistoff Zolmitripatan nicht unterlegen ist. Allerdings wurde die Entwicklung aufgrund eines nicht zu übersehendem hepatotoxischem Potenzials eingestellt. Viele Jahre war es ruhig um CGRP, bis neue Ansätze aus der Ecke der Biologicals – monoklonale Antikörper – die sich gegen CGRP oder dessen Rezeptor richten, kamen.

Erenumab von Amgen, Fremanezumab von Teva und Galcazenumab von Lilly haben bereits eine Zulassung zur Prophylaxe inne und verfolgen das Ziel, mit der Reduktion von CGRP die Zahl der Attacken zu reduzieren. Schubert-Zsilavecz gibt abschließend eine erste Einschätzung. „Fakt ist, es gibt nach wie vor einen hohen Bedarf an wirksamen Maßnahmen zur Prophylaxe. Bisherige Arzneistoffe haben den Nachteil Targets zu adressieren, die relativ nebenwirkungsaffin sind. Die Complience ist gering und liegt zwischen 20 und 30 Prozent. Viele Patienten steigen aus.“ Antikörper seien hoch spezifisch und gingen keine Interaktionen ein. Aber ob sich die Wirkstoffe in der Langzeittherapie bewähren, sei noch unbekannt und das bei hohen Kosten. Die Jahresbehandlungskosten in den USA betragen derzeit 6700 US-Dollar. Daher werden die Arzneistoffe insbesondere dann Anwendung finden, wenn mit anderen Prophylaktika keine ausreichende Besserung erreicht wurde.

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