Krankenschwester soll Kollegen vergiftet haben

Zolpidem-Kekse: Urteil verschoben

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Berlin -

Der Prozess gegen eine Krankenschwester, die ihre Kollegen mit Medikamenten vergiftet haben soll, wird nun doch länger dauern. Das Gericht will sich erneut mit der Prüfung der Beweise befassen, wie ein Justizsprecher in Gießen am Montag mitteilte. Die 54-jährige Angeklagte soll mehrere Kollegen vergiftet haben, indem sie Kekse und Kaffee mit den Beruhigungsmitteln Zolpidem und Oxazepam versetzt hat.

Vorgesehen sei eine ergänzende Sachverständigenanhörung im Bezug auf die Toxikologie. Abweichend von der Planung werde daher am Dienstag kein Urteil verkündet werden. Einen Termin zur Fortsetzung der Verhandlung gibt es noch nicht.

Die 54-Jährige soll im September 2017 sowie im März 2019 Kaffee und selbst gebackene Kekse mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln versetzt und für ihre Kollegen in der Teeküche der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik bereitgestellt haben. Fünf Kollegen griffen zu und bekamen der Anklage zufolge gesundheitliche Probleme bis hin zu Bewusstlosigkeit. Ein Opfer geriet in Lebensgefahr. Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Angeklagt ist die Frau unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Am Ende der bisherigen Beweisaufnahme ging die Staatsanwaltschaft nicht mehr wie zuvor noch von versuchtem Mord in einem Fall aus.

Denn zwar gibt es sehr starke Indizien für ihre Täterschaft. Eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes wird jedoch unter anderem deshalb nicht mehr angestrebt, weil es bisher absolut keine Anhaltspunkte zu einem möglichen Motiv gibt und eine Pflegedienstleiterin durch eine Zeugenaussage selbst ins Fadenkreuz gerückt ist.

Die Polizei war der Frau auf die Schliche gekommen, weil durch den zeitlichen Abstand zwischen den Taten der verdächtige Personenkreis erheblich eingeschränkt werden konnte. Die Beamten analysierten die Dienstpläne zur Zeit der drei verschiedenen Tatzeiten und kamen so auf die Angeklagte. Eine Hausdurchsuchung brachte dann Indizien zutage: Im Hausmüll fanden die Ermittler Oxazepam- und Zolpidem-Packungen aus der Klinik. Beide Wirkstoffe konnte die Spurensicherung auch in einem Mixer nachweisen – die Vermutung liegt nahe, dass er genutzt wurde, um die Schlafmittel dem Plätzchenteig beizumischen.

Seit Ende September ist die 53-Jährige nun in Untersuchungshaft. Kurz darauf war Anklageerhebung wegen dreier Fälle von gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Mord. Letzterer bezog sich auf die Tat im vergangenen März: Weil bereits zuvor eines der Opfer in Lebensgefahr schwebte, habe die Frau von der Gefahr wissen müssen, so die Staatsanwaltschaft. Im November wurde die Anklage erhoben, seit März wird verhandelt. Die Krankenschwester, die seit über 30 Jahren in der Klinik arbeitet, beteuert allerdings nach wie vor ihre Unschuld. Sie habe die selbstgebackenen Kekse zwar mit auf die Station gebracht, die seien aber nicht vergiftet gewesen. Auch andere Mitarbeiter hätten schließlich von ihnen gegessen, ohne dass ihnen etwas zugestoßen sei. Außerdem herrscht bis jetzt Rätselraten um ein Tatmotiv, psychische Störungen konnten bei der Frau nämlich nicht festgestellt werden.

Doch dann rückte eine Zeugenaussage vor Gericht den scheinbar offensichtlichen Fall in ein neues Licht: Eine Krankenschwester berichtete nämlich von einem Fall, der ungefähr fünf Jahre her sein soll, als die Angeklagte auf einer anderen Station arbeitete. Eine Pflegedienstleiterin habe sich über die Unordnung in den Aufenthaltsräumen aufgeregt und aus Wut eine Ampulle des Diuretikums Lasix (Furosemid) in eine herumstehende Kaffeetasse geschüttet. Für die Pflegedienstleiterin hat die Episode nun ein Nachspiel: Sie war nämlich vor Gericht befragt worden und sagte, dass sie sich an den Vorfall nicht erinnern könne. Direkt nach der Vernehmung soll sie jedoch einen Arzt und die Krankenschwester aus dem Zeugenstand angerufen haben, um sie zu bitten, sich vor Gericht ebenfalls nicht daran zu erinnern. Die Staatsanwaltschaft will nun Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussage vor Gericht gegen sie aufnehmen – und möglicherweise auch wegen gefährlicher Körperverletzung.

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