Porträt

Medizin-Nobelpreisträger Blobel wird 80

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New York -

Neu gebildete Proteine haben eine Art Adressanhänger, der sie an den richtigen Platz in der Zelle dirigiert. Für diese Entdeckung wurde Dr. Günter Blobel 1999 mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet. Jetzt wird der Wissenschaftler und Dresden-Fan 80 Jahre alt.

Gerade einmal acht Jahre alt war Günter Blobel, als sein Leben komplett auf den Kopf gestellt wurde. Seine Familie lebte im schlesischen Waltersdorf und musste Anfang 1945 vor der anrückenden russischen Armee fliehen. „Bis dahin war meine Kindheit eine Idylle aus dem 19. Jahrhundert“, schrieb Blobel einmal über sein Leben. Am Samstag, den 21. Mai, wird der Mediziner 80 Jahre alt. Auf dem Weg nach Westen kommt die Familie durch Dresden. „Die vielen Türme und die wundervolle Kuppel der Frauenkirche waren sogar für die untrainierten Augen eines Kindes ein unglaublicher Anblick.“

Wenige Tage später wird Blobel Zeuge, wie Bomben die ganze Stadt in Brand setzen. „Das Feuer war so hell, dass man nachts Zeitung hätte lesen können, dabei waren wir viele Kilometer entfernt“, erzählte Blobel später einmal der New York Times. „Nach dem Krieg sind wir zweimal durch Dresden gefahren und ich habe die unglaubliche Zerstörung gesehen. Damals habe ich mir geschworen: 'Wenn es jemals die Chance gibt, dass ich helfen kann, das wiederaufzubauen, werde ich es machen'.“

Rund ein halbes Jahrhundert später erhält Blobel den Medizinnobelpreis – und stiftet den größten Teil des Preisgeldes dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Zudem setzt er sich seit Jahrzehnten für den Bau einer Synagoge, die originalgetreue Rekonstruktion des zerstörten Neumarktes und ein Friedensmuseum ein. Am Neumarkt hat der hochgewachsene Mann mit den schneeweißen Haaren ein Grundstück gekauft, auf dem ein Gebäude wiedererstehen soll. Auf Blobels Initiative hin leitete die Unesco eine Untersuchung ein, ob das Weltkulturerbe Dresdner Elbtal durch den Bau der umstrittenen Waldschlößchenbrücke gefährdet sei – und erkannte den Titel 2009 schließlich ab.

Das alles macht Blobel neben seiner Arbeit als Wissenschaftler und Biochemie-Professor, die ihn nach einem Studium in Frankfurt, München, Kiel und Freiburg an die Rockefeller Universität in New York geführt hat. Dort lebt der Forscher, der inzwischen die US-Staatsbürgerschaft besitzt, gemeinsam mit seiner Ehefrau Laura Maioglio, einer Kunsthistorikerin und Restaurantbetreiberin. Das Paar hat keine Kinder.

Den Medizinnobelpreis 1999 erhielt Blobel für die Entdeckung, dass neu gebildete Proteine mit einer Signalsequenz an den richtigen Platz in der Zelle kommen. Auch das Bundesverdienstkreuz bekam er verliehen. „Ich sage meinen Studenten immer, dass wenn sie das, was sie forschen, nicht ihrer Oma erklären können, dass sie es dann auch selbst wahrscheinlich nicht verstehen“, sagte Blobel der New York Times. Und erklärte seine Entdeckung so: „Es geht darum, wie Proteine in einer Zelle von dem Ort, an dem sie gemacht werden, zu dem Ort kommen, an dem sie ihre Funktion erfüllen. Wir haben herausgefunden, dass Proteine eine Art eingebaute Postleitzahl haben, die ihnen hilft, an ihre Zieladresse zu kommen.“

Seine Signalpeptid-Theorie helfe, Erbkrankheiten und andere Leiden besser zu verstehen, bei denen Proteine fehlplatziert sind, hieß es in der Laudatio auf den Nobelpreisträger. Die Pharmaindustrie produziere heute Medikamente „nach dem Verfahren, das ich entdeckt habe“, sagt Blobel. Und bedauert: „Hätte ich mir das damals patentieren lassen, ich könnte ganz Dresden wieder aufbauen.“

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