Medizin

Nobelpreis für Neurobiologen

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Stockholm/München -

Der Medizin-Nobelpreis geht in diesem Jahr an John O'Keefe aus den USA sowie May-Britt und Edvard Moser aus Norwegen. Sie erhalten die Auszeichnung für die Entdeckung von Zellen, die ein Positionierungssystem im Gehirn bilden. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist mit umgerechnet 870.000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Die diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger hatten überhaupt nicht mit der Auszeichnung gerechnet. „Ich bin immer noch schockiert. Das ist so großartig“, sagte die norwegische Forscherin Moser laut Nobelkomitee. Sie sei vor Freude in ihrem Institut herumgetanzt.

Über ihren ebenfalls geehrten Mann sagte Göran K. Hansson, der Sekretär des Nobelkomitees: „Ich habe Edvard Moser noch nicht erreicht. Er sitzt gerade im Flugzeug, ich hoffe, ihn zu erreichen, wenn er gelandet ist.“ Den dritten Preisträger John O'Keefe habe er dagegen schon erwischt. Er sei wie May-Britt Moser „sehr sehr glücklich. Ich glaube nicht, dass sie das erwartet hatten.“

Edvard Moser wurde nach Angaben eines wissenschaftlichen Kollegen am Flughafen München von der Nachricht überrascht. „Ich habe mit ihm telefoniert, als er an der Gepäckausgabe stand. Er wusste noch gar nichts. Die Lufthansa hat ihn mit einem Blumenstrauß abgeholt und er fragte mich 'Tobias, what is this? I don't understand'“, berichtete der Neurobiologe Professor Dr. Tobias Bonhoeffer. „Dann hat er auf sein Handy geschaut und gesehen, dass der Vorsitzende des Nobelpreis-Komitees ihn angerufen hat. Da dämmerte es ihm. Aber er wusste es natürlich trotzdem noch nicht sicher.“ Bonhoeffer ist Direktor der Abteilung Synapsen, Schaltkreise, Plastizität am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried, wo Moser einen dreiwöchigen Forschungsaufenthalt antritt.

Die drei diesjährigen Preisträger haben laut Nobel-Komitee ein Problem gelöst, das Philosophen wie Immanuel Kant und Wissenschaftler über Jahrhunderte hinweg beschäftigt habe: „Wie kreiert das Gehirn Karten vom Raum um uns herum und wie können wir unseren Weg durch eine komplexe Umgebung finden?“ Hansson ergänzte: „Es ist ein Preis für eine grundlegende Entdeckung dessen, wie unser Gehirn funktioniert.“

Bereits 1971 hatte John O'Keefe, der 1939 in New York geboren wurde, laut Nobel-Komitee die ersten Komponenten des Navigationssystems entdeckt. Dieser Typ von Nervenzellen im Hippocampus wurde immer aktiviert, sobald eine Ratte an einem bestimmten Ort innerhalb eines Raumes war. Andere Nervenzellen arbeiteten, wenn das Tier woanders saß.

O'Keefe schloss daraus, dass diese Ortszellen im Hirn eine Art Karte des Raumes formen. So könne auch die Erinnerung an eine bestimmte Umgebung gespeichert werden – und zwar als eine spezifische Kombination von aktivierten Ortszellen im Hirn.

Mehr als drei Jahrzehnte später, im Jahr 2005, entdeckten May-Britt und Edvard Moser neben dem Hippocampus weitere Schlüsselkomponenten zur Orientierung. Diese sogenannten Rasterzellen dienen dazu, einen Weg zu finden. Danach ermittelten sie, wie Ortszellen im Hippcampus und Rasterzellen bei der Orientierung zusammenarbeiten.

Jüngste Studien mit bildgebenden Verfahren haben gezeigt, dass diese Elemente alle auch beim Menschen existieren. Bei Alzheimer-Patienten sind sie unter den ersten, die zerstört werden, weshalb den Kranken die Orientierung schwerfällt. Möglicherweise können die Erkenntnisse einmal zur Therapie beitragen, schreibt die Körber-Stiftung in Hamburg, deren renommierten Preis das Ehepaar Moser vor einem Monat verliehen bekommen hatte.

„Die Fähigkeit, zu wissen, wo wir sind und unseren Weg zu finden, sind bedeutend für unserer Existenz“, sagte Ole Kiehn vom Karolinska-Institut. Nach Auffassung des Nobel-Komitees hat die Entdeckung des Navis im Hirn zu einem „Paradigmenwechsel“ geführt. „Sie hat neue Wege geöffnet für unser Verständnis über andere kognitive Prozesse wie Erinnern, Denken und Planen.“

Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Nobelpreises benannt. Die feierliche Überreichung findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Im vergangenen Jahr hatten der gebürtigen Deutschen Thomas Südhof sowie James Rothman und Randy Schekman aus den USA die Auszeichnung erhalten. Sie hatten wesentliche Transportmechanismen in Zellen entdeckt, deren Defekte Grundlage von vielen Krankheiten sind.

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