Nachwuchsgewinnung

Pharmaziepreis für Abiturienten

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Berlin -

Apothekermangel allerorts und die Branche sucht nach Wegen, Nachwuchs zu rekrutieren: In Schleswig-Holstein hat sich die Landesapothekerkammer nun entschieden, direkt am Scheideweg die Hand hinzuhalten. Ab nächstem Jahr sollen an 136 Schulen im hohen Norden Pharmaziepreise an Abiturienten verliehen werden, die sich in den einschlägigen Fächern durch besonders gute Leistungen hervorgetan haben.

Der Anstoß kam aber nicht nur von Kammer, sondern auch von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, an der der einzige Pharmaziestudiengang Schleswig-Holsteins angeboten wird. „Wir haben traditionell ein sehr gutes Verhältnis zum Pharmazeutischen Institut der Universität“, erzählt Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Kammer. Und während es den Inhabern des Landes an Fachkräften und Nachfolgern mangelt, hat auch die Universität ihre ganze eigenen Sorgen.

Denn mit rund 30 Prozent liege die Zahl der Abbrecher erschreckend hoch, erklärt Jaschkowski. „Das mag bei anderen Studiengängen auch so sein, aber bei der Pharmazie war das nie so signifikant, weil sich da überwiegend gute bis sehr gute Schüler beworben haben. Das bröckelt jetzt ein bisschen.“ Denn die Konkurrenz ist stark: Auch andere MINT-Studiengänge werben in den letzten Jahren massiv um die Besten des Schuljahrgangs. „Die anderen Fachgesellschaften schlafen nicht“, sagt Dr. Christian Peifer, Professor für pharmazeutische Analytik und Direktor am Pharmazeutischen Institut.

Peifer ist einer der Urheber des neuen Projekts und überzeugt, dass die Pharmazeuten jetzt nachziehen müssen. „Die benachbarten Bereiche werben auch offensiv für sich“, erklärt er. So veranstalten die Physiker in Kiel sogenannte „Saturday Morning Physics“, bei denen sie für Schüler mal Experimentalvorlesungen halten, mal für interessierte Laien verständlich die spannendsten Themen ihres Forschungsgebietes von Relativitätstheorie bis Quantenmechanik erklären. Die Biologen wiederum haben ein ähnliches Konzept mit dem „Darwin‘s Day“. „Da kommen manchmal mehr als 1000 Schüler, die füllen das ganze Audimax der Uni“, erklärt Peifer.

Besonders ins Auge gestochen sei ihm aber eine Plakat-Aktion der Medizinischen Fakultät. „Da hingen Poster an Bushaltestellen, auf denen stand ‚Wir entwickeln neue Antibiotika‘. Das ist doch eine ur-pharmazeutische Tätigkeit!“, so Peifer. Es sei deshalb an der Zeit, dass auch die Pharmazeuten Imagearbeit für ihr Fach leisteten. „Bisher herrscht bei vielen die Wahrnehmung von Apothekern als akademischen Verkäufern“, sagt er. „Die Kompetenz in den Apotheken wird oft unterschätzt. Deshalb wollen wir vor allem darauf aufmerksam machen, dass dass die Pharmazie ein spannendes Gebiet ist, mit dem sehr viel mehr verknüpft ist als der weiße Kittel.“

Dass er nicht jetzt schon viel für das Image seines Fachs tun würde, kann man Peifer dabei wahrlich nicht vorwerfen: Seit 2010 beteiligt er sich an dem Projekt „Uni kommt zur Schule“ der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft. Dabei besuchen Professoren aus naturwissenschaftlichen Fachgebieten Schulen und halten Vorträge über ihre Forschungsarbeit. Rund 50 solcher Vorträge vor Pennälern hat Peifer in den letzten acht Jahren schon gehalten, meist über die Arzneimittelherstellung und über psychoaktive Pflanzen. „Das ist für Jugendliche natürlich besonders interessant“, sagt er verschmitzt. Ähnliches machen die Apotheker beispielsweise in Berlin, wo die Kammer mit „Phascha“ – „Pharmazie schafft Arbeitsplätze“ – junge Menschen für das Pharmaziestudium zu begeistern versucht.

Da die Nachwuchsgewinnung eigentlich eine „ursächliche Aufgabe der Kammern ist“, wie Peifer sagt, sollte es dieses mal aber ein gemeinsames Projekt sein. Die Idee zu einem Pharmaziepreis für Abiturienten haben sich Peifer und Jaschkowski ebenfalls bei den benachbarten Disziplinen geholt, denn Physiker und Chemiker führen ähnliche Projekte bereits durch. Das Konzept hinter dem Apotheker-Award: Schüler, die sich im Abitur durch besonders gute Leistungen in den Fächern Biologie, Chemie, Mathematik und Physik hervortun, sind besonders vielversprechende Kandidaten für das Pharmaziestudium. Sie sollen bei der Vergabe der Abiturzeugnisse mit einer Urkunde geehrt und motiviert werden.

Mit einer Urkunde allein ist es dabei aber nicht getan. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) unterstützt das Projekt auch: Die Geehrten erhalten ein kostenloses Jahresabo der Fachzeitschrift Pharmakon. „Die DPhG kommt uns da sehr entgegen“, lobt sie Jaschkowski. Denn der Preis soll an insgesamt 136 Gymnasien und weiterführenden Schulen verliehen werden. Die 136 Jahresabos überlässt die DPhG der Kammer für den guten Zweck zu einem Freundschaftspreis. Wie hoch genau der ist, sagt Jaschkowski nicht. Aber insgesamt steuert die Kammer im ersten Schritt einen Betrag von 5000 Euro bei. Ein ähnliches Projekt außerhalb von Schleswig-Holstein sei ihnen nicht bekannt, sagen Jaschkowski und Peifer. Auch von der DPhG habe es gehießen, das sei wohl der erste Anlauf für eine solche Auszeichnung.

Aber auch über Preisverleihung und Zeitschriftenabo hinaus überlege man, die Schüler einzubinden, um sie ans Pharmazeutische Institut zu locken. „Das kann ein Türöffner sein, aber man muss auch in die Tür hinein schauen können“, sagt Jaschkowski. Die Planungsphase ist noch nicht abgeschlossen, weitere Maßnahmen werden noch erwägt. Denkbar wäre beispielsweise, Exkursionen für die Preisträger zu organisieren, bei denen ihnen die Arbeit und das Studium am Institut gezeigt werden. Auch wie genau die Auswahl der Preisträger erfolgen soll, steht noch nicht abschließend fest. Notwendig wäre aber mit Sicherheit, die Lehrer vor Ort stark einzubinden. Sie sind schließlich diejenigen, die die Schüler am besten kennen und einschätzen können, ob ein Kandidat nicht nur fähig genug ist, sondern sich auch für das Fach begeistert – oder begeistern lässt.

Glücklicherweise erhalte die Kammer bisher durchweg positives Feedback von den Schulen, die sie für das Projekt kontaktiert hat. „Das Interesse der Schulen ist offensichtlich vorhanden. Man erlebt ja zunehmend, dass Schulabgänger orientierungslos sind und so eine Auszeichnung könnte eine gute Orientierungshilfe sein“, sagt Jaschkowski. „Außerdem haben die Schulen ja auch ein Interesse daran, dass ihre Schüler ein vernünftiges Studium ergreifen und nicht in brotlose Fächer abdriften.“

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