Pharmaskandal

Lunapharm: Razzia bei Großhändler

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Berlin -

Im Pharmaskandal um gestohlene Krebsmedikamente hat die Staatsanwaltschaft Potsdam elf Wohn- und Geschäftsräume in Hessen durchsuchen lassen. Dabei seien Unterlagen und elektronische Daten sichergestellt worden, teilte ein Behördensprecher am Donnerstag mit und bestätigte damit Informationen des ARD-Magazins „Kontraste“ und des „Spiegels“. Die Zahl der Beschuldigten habe sich zudem von zwei auf sieben erhöht.

Lunapharm soll gestohlene Krebsmedikamente von einer griechischen Apotheke bezogen und in mehrere Bundesländer geliefert
haben. In Brandenburg steht deshalb Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) unter Druck, weil die Medikamentenaufsicht trotz Hinweisen zunächst nicht durchgegriffen haben soll. Es ist weiter unklar, ob die teuren Medikamente womöglich wegen falscher Lagerung nicht mehr richtig wirkten. Allein in Berlin und Brandenburg sind mindestens 220 Patienten betroffen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen die neuen Beschuldigten im Alter von 29 bis 67 Jahre aktive oder ehemalige Geschäftspartner von Lunapharm sein. Ihnen wird wie den bisherigen Beschuldigten gewerbsmäßigen Hehlerei und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen. Die Fahnder durchsuchten die elf hessischen Objekte bereits am Mittwoch in Frankfurt/Main, Dreieich, Offenbach, Schlangenbad, Bad Homburg und Wiesbaden.

Laut „Kontraste“ wurde unter anderem eine Firma in Wiesbaden durchsucht, die wie Lunapharm von einer griechischen Apotheke illegal beschaffte Krebsmedikamente bezogen haben soll. Aus griechischen Ermittlungsakten gehe hervor, dass die Firma allein 2016 für mehr als 1,4 Millionen Euro dort Medikamente orderte. Die Firma habe aber keine Berechtigung zum Großhandel gehabt. An Lunapharm sollen nach Kontraste-Angaben Medikamente im Wert von mehr als 20 Millionen Euro gegangen sein.

Nach gemeinsamen Recherchen von Kontraste und Schweizer Medien durchsuchte die Schweizer Arzneimittelaufsicht Swissmedic am Donnerstag auch im Schweizer Kanton Zug Geschäftsräume eines Pharmagroßhändlers. Er soll ebenfalls Geschäftskontakte zu der griechischen Apotheke gehabt haben. Weitere Spuren führen dem Bericht zufolge in die Niederlande und nach Italien.

Nach Recherchen von Kontraste wurde Lunapharm bereits von 2013 an von einer griechischen Apotheke beliefert, die auch gestohlenen Krebsmedikamente vertrieben haben soll. Bis mindestens März 2018 sei der Handel zwischen den Unternehmen fortgesetzt worden, berichtet das Magazin in seinem Beitrag, der am heutigen Donnerstag (21.45 Uhr) gesendet werden soll. Allein in den Jahren 2013 bis 2016 seien Medikamente für mehr als 20 Millionen Euro an Lunapharm geliefert worden. Brandenburgs Gesundheitsministerium geht bislang davon aus, dass die Geschäftsbeziehungen von Lunapharm und der Apotheke von 2015 bis 2017 bestanden.

Nach Informationen der Berliner BZ hat eine Apothekerin der Charité für Lunapharm seit 2014 im Nebenjob als „sachkundige Person“ gearbeitet und dadurch den Betrieb ermöglicht. Nach Bekanntwerden musste die Apothekerin ihren Nebenjob sofort aufgeben. Auch eine weitere Charité-Kollegin arbeitete für Lunapharm. Unklar ist, ob die beiden Mitarbeiterinnen etwas von den Lunapharm vorgeworfen Vorgängen mitbekommen haben oder diese sogar vertuscht haben.

 

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