Nachtdienstgedanken

Gute Doku, schlechte Doku

, Uhr
Berlin -

Die Nächte sind oft kurz und die Notdienste lang. Deshalb will Sarah Sonntag die Zeit zwischen den hilfesuchenden Kunden sinnvoll nutzen: Sie schaut sich eine Dokumentation im Internet an. Dass ihr Wissensdurst sie in eine unfassbar peinliche Situation bringt, ahnt sie noch nicht.

„Was machst du da?“, fragt Fantaschale Max neugierig, während er versucht, aus Sarahs Kabelsalat schlau zu werden. Doch Sarah verschwindet unter dem Schreibtisch und winkt ab. Als sie wieder auftaucht, grinst sie breit. „Geschafft!“, ruft sie freudig. Max schaut ahnungslos drein. „Wir werden die Zeit heute sinnvoll nutzen“, verkündet Sarah stolz. „Oh nein, bitte sag mir nicht, dass noch Rezepturen anstehen“, klagt Max.

„Nein, Max, heute entspannen wir mal und schauen uns einen Film an.“ Max‘ Augen werden immer größer. „Einen Film?“, fragt er und hüpft aufgeregt auf dem Schreibtisch hin und her. „Naja, eine Dokumentation“, entgegnet Sarah. „Ohh.“ Max‘ Augen werden wieder kleiner. Er ist sichtlich enttäuscht. „Ach komm, das wird lustig“, meint Sarah und stellt Kekse bereit.

Als die Notdienst-Klingel läutet, geht Sarah zur Klappe. Ein junger Mann holt Medikamente für seine schwangere Frau. Alles verläuft unproblematisch. Als sie wieder am Computer sitzt, beginnt die Doku-Auswahl. „Ich wäre ja für etwas aus der Rezeptur, da kannst du vielleicht noch was über mich lernen“, sagt Max und grinst. Doch Sarah hat schon entschieden: Eine Doku zu Haut und Haar soll es sein. „Da kann ich ja gar nicht mitreden“, meckert Max. Ehe er weitere Einwände vorbringen kann, drückt Sarah auf Play.

Der Abend verläuft ziemlich ruhig: Einige erkältete Kunden und Notfälle aus der naheliegenden Ambulanz kommen. Gut, dass man solche Dokus dann einfach pausieren und später weiterschauen kann. Als Sarah tief versunken mit Kaffee und Keksen vor dem Monitor hockt, hört sie plötzlich das Schloss der Hintertür. Sie zuckt kurz zusammen. Dann realisiert sie, dass es der Großhandels-Mitarbeiter mit der Ware für den kommenden Tag sein muss. Sarah pausiert also schnell und begrüßt ihn freundlich. „Oh hallo, ich wusste gar nicht, dass sie Notdienst haben“, sagt er. Der Fahrer stellt die Wannen ab und packt das Leergut auf seine Sackkarre.

Sarah steht währenddessen im Türrahmen ihres Büros, der Monitor hinter ihr. Als der gutaussehende Fahrer sich verabschieden will, entgleisen plötzlich seine Gesichtszüge. Sarah wundert sich kurz. Dann wird ihr klar, worum es grade in der Doku ging, als er sie aus ihrem Sekundenschlaf gerissen hat: Enthaarungsmethoden. Hinter Sarah prangert im Vollbildmodus das pausierte Bild einer Körperregion, die nicht jeder sofort mit einer Doku in Verbindung bringen würde.

„Oh nein!“, denkt sie. Sarah versucht sich irgendwie im Rahmen breit zu machen, um die Peinlichkeit zu verstecken. Knallrot und unsicher stottert sie: „Ähm, achso… Ich schaue mir grade eine sehr interessante Doku an.“ Doch Erklärungen sind zwecklos. Der Mann ist sichtlich belustigt und wünscht Sarah breit grinsend eine „Gute Nacht“. Als er aus der Tür ist, prustet Max los. „Läuft bei dir!“, lacht er. „Wie peinlich war das denn? Mir glaubt doch niemand, was gerade passiert ist“, seufzt Sarah. „Tja, hättest du mal was aus der Rezeptur angeschaut und auf mich gehört“, grinst Max zufrieden.

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