Depressionen durch Hormonspirale

Glaeske: „Das müsste Medizinern klar sein“

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Berlin -

Unbeschwerte Verhütung? Auch Hormonspiralen können Depressionen und Suizidgedanken auslösen. Ob der Aspekt von der Pharmaindustrie und Ärzten unterschätzt wird, diskutieren heute Abend Steffen Hallaschka und Professor Dr. Gerd Glaeske in Stern TV.

Erzählt wird das Schicksal einer jungen Frau, die kaum fröhlicher sein könnte. Sie ist glücklich verheiratet, hat zwei Kinder – eine perfekte Familie. Vor acht Jahren hat sie die Familienplanung abgeschlossen und sich für eine vermeintlich nebenwirkungsarme Verhütungsmethode entschieden. Im Zuge dessen hat sie sich eine gering dosierte Hormonspirale einsetzen lassen. Doch die scheinbar perfekte Alternative zur oralen hormonellen Kontrazeption wurde zum Albtraum und führte zu einer langen Odyssee, bis sie sich schließlich vor drei Monaten die Spirale entfernen ließ.

Panikattacken, Ängste und Antriebslosigkeit bestimmten den Alltag. Die heute 29-Jährige zog sich immer mehr zurück und erkannte sich selbst nicht wieder. Sie begab sich in ärztliche Behandlung und wurde mit einem Antidepressivum behandelt. Auf einer Kur brachten andere Frauen die depressiven Verstimmungen mit der Hormonspirale in Verbindung. Diesen Zusammenhang schloss der Arzt jedoch aus. „Hormone können nicht nur lokal wirken: Das müsste Medizinern klar sein“, sagt Glaeske. „Ich bin darüber immer wieder überrascht. Die Gebärmutter ist ein gut durchblutetes Organ, so dass Hormone natürlich nicht nur lokal wirken, wie lange behauptet wurde, sondern auch in den Blutkreislauf gelangen.“

Im Beipackzettel sind Depressionen als häufige Nebenwirkung gelistet. Das Problem: Die meisten Patientinnen bekämen diesen gar nicht zu Gesicht oder würden von ihrem Arzt nicht auf entsprechende unerwünschte Arzneimittelwirkungen aufmerksam gemacht. „Gynäkologen schätzen diesen möglichen Zusammenhang noch immer falsch ein und schieben die Gefühlslage der betroffenen Frauen auf andere Lebensumstände“, schreibt Stern TV.

In der Sendung wird auf eine dänische Studie verwiesen. Ausgewertet wurden Daten von etwa einer halben Million Frauen. Das Ergebnis zeigt: Frauen, die hormonell verhüten, zeigen Anzeichen für Depressionen und Suizidgedanken und bekommen 70 Prozent häufiger Antidepressiva verordnet als Frauen, die nicht hormonell verhüten. „Frauen mit einer Hormonspirale sogar fast doppelt so häufig (90 Prozent häufiger)“, schreibt Stern TV.

Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft in einem Signalüberprüfungsverfahren einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Hormonspiralen und psychiatrischen Nebenwirkungen wie Angst, Panikattacken, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Unruhe. Betroffen sind Intrauterinpessare (IUP) mit Levonorgestrel (LNG).

Eine Studie des Erasmus University Medical Center Rotterdam konnte bei Trägerinnen von IUP in Stresssituationen feststellen, dass diese übermäßig Cortisol ausschütten und zudem die Herzfrequenz ansteigt. Die Ergebnisse zeigen: Levonorgestrel-haltige Spiralen können nicht nur lokal in der Gebärmutter wirken. Chronischer Stress gilt als wesentlicher Risikofaktor für die psychischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Hormonspiralen. Die Ergebnisse wurden in „Psychneuroendocrinology“ veröffentlicht.

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