„Fließender Übergang zu legalen Versendern“

Europol jagt Apotheken im Dark Web

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Berlin -

Doping hat Konjunktur – und zwar nicht nur im professionellen Radsport, sondern vor allem im Freizeitsport. Es ist ein schwarzer Milliardenmarkt, gegen den europäischen Polizeibehörden nun nach eigenen Angaben der größte Schlag aller Zeiten gelungen ist. Dennoch werden sich auch weiterhin Tausende von Sportlern Anabolika und illegale Arzneimittel über Fitnessstudios und illegale Online-Apotheken besorgen, der „Operation Viribus“ zum Trotz. Für den Doping-Experten Professor Dr. Fritz Sörgel ist das Teil einer größeren Entwicklung: der „Trivialisierung des Medikaments“, wie er es nennt. Auch die legalen Arzneimittelversender tragen demnach eine indirekte Mitverantwortung.

Im Kampf gegen Doping und illegale Arzneimittel wurde ein neuer Superlativ aufgestellt: Polizei- und Sicherheitsbehörden aus 33 Ländern, Europol, Interpol, die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung und die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission haben unter Führung der italienischen NAS Carabinieri und der griechischen Finanzpolizei in einer konzertierten Aktion illegale Doping- und Arzneimittelhändler ausgehoben. Und sie hatten einiges zu tun. 234 Verdächtige wurden festgenommen, 17 Banden enttarnt, neun sogenannte „Untergrundlabore“ ausgehoben und 839 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Insgesamt wurden 3,8 Millionen Einheiten Doping- und gefälschter Arzneimittel sichergestellt, allein 24 Tonnen Steroidpulver. Es war „der bislang größte Einsatz seiner Art“, so Europol. Ähnliche Dimensionen hatte zuletzt die Operation „Pangea“, bei der Interpol vergangenen Herbst in einer weltweiten Razzia 500 Tonnen illegaler Arzneimittel beschlagnahmt hat.

„In den vergangenen 20 Jahren hat der weltweite Handel von anabolischen Substanzen signifikant zugenommen“, schreibt die europäische Polizeibehörde. Die Konsumenten seien vor allem Athleten, Radsportler und Bodybuilder. „Der Handel mit Dopingsubstanzen ist dezentralisiert und hoch flexibel, offen für jeden, der gewillt ist, sie online zu bestellen oder in andere Länder zu reisen, um sie vor Ort in großen Mengen direkt von den Herstellern zu beziehen.“ Dabei hat Europol – auch unter Mithilfe des Pharmaceutical Security Instiute (PSI) – nach eigenen Angaben mehrere gefährliche Trends identifiziert.

So würden zunehmend Großhändler riesige Mengen an Steroiden importieren, um den illegalen Markt zu bedienen und kleine kriminelle Banden in illegale Labore investieren. Dabei werden in immer größeren Ausmaß soziale Medien genutzt, um für die Substanzen zu werben, Angebote zu schalten und sie letztendlich zu verkaufen. Denn es gebe ein „fortgesetztes Wachstum nicht zugelassener und unregulierter Online-Apotheken, auch im Dark Web“, so Europol.

Denn genau dort – in illegalen Online-Apotheken, die oft den Eindruck machen, vollkommen legal zu agieren – greifen die Händler ihre Kundschaft ab – die oftmals gar nicht weiß, dass sie sich strafbar macht. Für Sörgel ist das genau der Punkt, an dem der legale den illegalen Handel befördert. „Es gibt da einen fließenden Übergang“, sagt der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg. „Wenn man im Internet nach legalen Medikamenten sucht, findet man immer auch automatisch illegale.“

Der gesunde Menschenverstand verbietet natürlich, sich der Gefahr auszusetzen, hochpotente Substanzen zu kaufen, die in unbekannten Kellern oder Garagen produziert wurden. Das Problem dabei: Einem erschreckend hohen Teil der Verbraucher mangelt es an der digitalen Kompetenz, legale von illegalen Angeboten zu trennen. „Der Laie kann das oft nicht voneinander unterscheiden“, sagt Sörgel. Gefährlich werde das insbesondere in Kombination mit einem anderen Trend, den Sörgel die „Trivialisierung des Medikaments“ nennt: Durch den Onlinehandel mit Arzneimitteln entstehe der Eindruck, es handele sich um triviale Konsumware, die keinen besonderen Sicherheitsstandards gerecht werden muss. „Das hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass da eine Beliebigkeit entstanden ist und dass die Schwelle gesenkt wurde, etwas online zu bestellen, ohne es genauer zu prüfen.“ Der Gewöhnungseffekt verleitet demnach dazu, sich vermeintlich echte Arzneimittel – als solche werden viele Arzneimittel zur Leistungssteigerung dargestellt – einfach online zu bestellen.

Eigentlich wäre das nun die Domäne der großen Plattformanbieter – bei Fake News und Hatespeech werden sie schließlich auch in die Verantwortung genommen, rechtswidrige Inhalte herauszufiltern. Sollten Politik und Gesellschaft also Druck auf Google, Facebook & Co. ausüben, illegale Angebote herauszufiltern, die bei unbedarften Verbraucher einen legitimen Eindruck erzeugen? „Wünschenswert wäre das schon, aber man sollte sich da keinen Illusionen hingeben“, sagt Sörgel. Die Konzerne würden das als Probleme des „normalen Marktes“ betrachten und für die Politik habe das Thema keine Priorität. „Natürlich halten Politiker da Sonntagsreden, aber wenn dann wieder jemand aus der Bundesregierung den Unternehmen einen Besuch abstattet, wird das kein Thema sein.“

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