Arzneimittelsicherheit

NDR checkt Medikationscheck

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Berlin -

Die Apotheker in Niedersachsen bieten seit Ende 2013 Medikationschecks an. Nun hat sich das NDR-Magazin „Visite“ das Projekt „Athina“ (Arzneimittelsicherheit in Apotheken) vorgenommen. Die Redakteure präsentieren das Modell als Mittel gegen Interaktionen – verweisen aber auch auf die Kritik der Hausärzte und die Kosten für die Patienten.

„Jedes Medikament für sich soll helfen – doch der Cocktail der Wirkstoffe zusammen kann lebensgefährlich sein“, heißt es zum Beginn des Beitrags. Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und Inhaberin der Leibniz-Apotheke in Hannover, verdeutlicht: „Ich hatte einen Patienten, der hatte 19 Arzneimittel und da gab es über 50 verschiedene Wechselwirkungen.“ Ihr Kollege Dr. Alexander Zörner, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Munster, ergänzt: „Die ganz schlimmen Fälle bekommt man dann meistens gar nicht mehr mit, weil sie so schlimm sind, dass sie irgendwann im Krankenhaus enden.“

Damit es dazu gar nicht erst komme, böten die Apotheker eine spezielle Beratung an: Athina. Linz zeigt an einem Patienten die Vorteile auf. Er nahm zahlreiche Medikamente – das Antirheumatikum Arcoxia (Etoricoxib) verringerte die Wirkung seiner Blutdrucksenker, ein anderes Medikament war zu hoch dosiert. Der Hausarzt korrigierte das. Ein anderer Patient nutzte einen Kasten aus dem Baumarkt, in dem üblicherweise Schrauben und Muttern sortiert werden, um den Überblick über seine 15 verschiedenen Arzneimittel zu behalten. Apotheker Zörner empfahl stattdessen Wochen-Dosetten, da viele Arzneimittel empfindlich auf Licht und Feuchtigkeit reagierten.

Doch das war nicht das einzige Problem, denn die Medikamente raubten dem Patienten den Schlaf. „Wenn ich abends noch mal das Lungenspray genommen habe, dann habe ich keine Ruhe gefunden – ich konnte gar nicht einschlafen“, erzählt er. Zörner konnte im Gespräch mit dem Hausarzt Abhilfe schaffen: Der Patient nimmt das Spray nun früher, auch wenn das nicht der Leitlinie entspricht. „Dafür kann er aber besser schlafen“, erklärt Zörner. „Und dann ist in der Summe die erhöhte Lebensqualität sicherlich vorrangig vor der nicht ganz leitliniengerechten Art und Weise, es einzunehmen.“

In solchen Fällen können Patienten von der Beratung der Apotheker profitieren, erklären die Visite-Redakteure. Die Medikationsanalyse mit Vor- und Nachgespräch, wie sie mittlerweile in vielen niedersächsischen Apotheken angeboten werde, koste allerdings 69 Euro. „Derzeit muss der Kunde das aus der eigenen Tasche bezahlen. Aber einige Krankenkassen überlegen, ob sie die Kosten in Zukunft übernehmen“, heißt es.

Derzeit gibt es allerdings noch Gegner: Die Hausärzte sähen das Engagement der Apotheker kritisch und betonten, dass Medikamentenberatung mehr sei als das Abprüfen von Wechselwirkungen. „Man trifft als Arzt manchmal auch Entscheidungen, die auf den ersten Anblick nicht plausibel sind“, erklärt Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des niedersächsischen Hausärzteverbands. „Und wenn dann von außen her eine Aussage kommt, ‚Mensch, was ist denn das hier?‘, werden Patienten verunsichert.“ Dadurch würden viele Patienten ihre Medikamente nicht mehr einnehmen. „Deshalb bin ich für klare Kommunikationswege: dass einer mit dem Patienten die Medikamente abstimmt“, sagt Berndt und meint damit den Hausarzt.

Klinikärzte seien hingegen offener, so die Visite-Redakteure. Dr. Alexander Blau, Oberarzt der Abteilung Pneumologie des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin, erklärt, im Zweifelsfall das Gespräch mit dem Pharmakologen zu suchen: Es sei nur das Eine, die Probleme zu kennen – dabei hilft ihm die Software. „Aber wie genau das Risiko weiter zu bewerten ist und welche Alternativen möglich sind – da ist das Gespräch mit dem Apotheker oder dem Pharmakologen für mich als Kliniker sehr wertvoll.“

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