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Der leidende Minister

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Berlin -

Wenn Männer krank sind, das lernt jede Tochter von ihrer Mutter, leiden sie. Dann stehen sie mindestens an der Schwelle zum Tod und müssen entsprechend gepflegt und umsorgt werden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) war diese Woche so krank, dass er nicht einmal die erste Lesung seines ersten großes Reformgesetzes, des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG), live im Bundestag begleiten konnte. Und auch die Freigabe der „Pille danach“ im Bundesrat konnte er nur vom Krankenbett aus verfolgen.

Es ist aber auch bitter, wenn einem alle in den Rücken fallen. Die FDP, in der vergangenen Legislatur noch treuer Partner in Sachen „Pille danach“, ist weg, und die SPD – dank EU-Entscheid endlich nicht mehr an den Koalitionspartner gebunden – feiert die Freigabe als ihren großen Sieg. Da kann man sich fast nur zurückziehen, die Wunden lecken und warten, bis das Gröbste vorbei ist.

Unterstützung kommt zumindest aus dem Bundestag. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) wünschte aus dem Plenum heraus gute Besserung und baldige Genesung, die Kollegen applaudierten artig und kümmerten sich anschließend um das GKV-VSG. Widmann-Mauz verteidigte den Gesetzentwurf gegen die Kritik der Ärzte.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte sich im Vorfeld nicht sehr kooperationsfreudig gegeben. Der Kampagnen-Slogan „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“ wurde ergänzt um „Solange die Politik uns noch lässt“, das GKV-VSG als „trojanisches Pferd“ und die geplante Termingarantie als „populistisches Placebo“ beschimpft. Auch die im Gesetzentwurf geforderte Koordinierung zwischen ärztlichen Bereitschafts- und Apothekennotdienst lehnten die Mediziner ab. Wenn überhaupt, müssten die Apotheker auf die Ärzte zukommen, bittesehr, denn deren Pläne seien lange im Voraus geplant und einsehbar.

Lange geplant waren die Kinospots der ABDA, und heraus kamen vier flache Clips mit Bernhard Hoëcker, einem Hund, einem Kater und einem fast nackten Rocco. „Sex sells“, „Kinder und Tiere gehen immer“ – die ABDA hat die Weisheiten der Werbebranche umgesetzt, nur das ach so niedliche Kleinkind fehlt. Stattdessen gibt es den vermeintlichen Internetjunkie Hoëcker zusammen mit einer echten Apothekerin.

Die beschäftigt im wirklichen Leben derzeit sicher anderes, etwa die Grippewelle. 12.000 Neuinfektionen gab es in der vergangenen Woche, ganz zu schweigen von den zahlreichen grippalen Infekten. Die Krankheitswelle ist schon jetzt stärker als im Rekordwinter vor zwei Jahren. Die Hersteller von Erkältungsprodukten jubilieren und schalten fleißig Fernsehwerbung. Ganz anders war es 2014: Bionorica konnte im vergangenen Jahr erstmals seit Jahren kein Wachstum verbuchen und hakte das Jahr schlichtweg ab.

Wer es krank bis in die Apotheke schafft und der richtigen Betriebskrankenkasse angehört, kann dort künftig nicht nur seinen Arzneimittelgroßeinkauf tätigen, sondern auch die Krankmeldung an seinen Arbeitgeber schicken. Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz zumindest hält das Gesundheitsterminal für eine gute Idee und hat ihre Apotheke schon einmal auf die Warteliste gesetzt.

Warten müssen die Apotheker derzeit noch auf einiges: L-Thyroxin von Hexal, Notfallkontrazeptiva mit Levonorgestrel in der Software und MCP-Tropfen mit der von der EU erlaubten niedrigeren Dosierung. Immerhin: Nach fast einem Jahr liegen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sechs Zulassungsanträge. Der Rückruf im vergangenen Jahr kam aber auch überraschend – nach ersten Zweifeln im Dezember 2011 und der EMA-Empfehlung im Oktober 2013 nahm das BfArM die Arzneimittel schon im April 2014 zurück.

Wann genau dieser Rückruf rechtsverbindlich war und den Apothekern bekannt hätte sein müssen, ist im Fall von Retaxationen entscheidend – aber noch ungeklärt. Auch auf eine klare Aussage aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) warten die Apotheker – wieder einmal – vergeblich.

Nicht warten wollte der japanische Hersteller und nahm sein atypisches Neuroleptikum Latuda (Lurasidon) vom Markt, nachdem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) keinen Zusatznutzen erkannt hatte. Damit ist der Hersteller dem Urteil des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zuvor gekommen. Latuda reiht sich dennoch ein in die länger werdende Liste neuer Medikamente, die an der frühen Nutzenbewertung scheitern und wieder vom Markt verschwinden.

Die rezeptfreie „Pille danach“ hingegen kommt gerade erst auf den Markt – und bringt viele Diskussionen und Ausnahmeregelungen mit sich. Bislang wurde entschieden, Werbung und Versand zu verbieten, die Erstattung an ein Rezept zu koppeln und die Preisbildung ansonsten den Apothekern zu überlassen. Um eine verbindliche Beratungspflicht, womöglich sogar anhand eines vorgegebenen Dokumentationsbogens, sind die Apotheker zwar herum gekommen, dafür aber auch um eine zusätzliche Beratungspauschale. Die Kosten für das Gespräch können sie aber auf den Verkaufspreis draufschlagen.

Die Wettbewerbszentrale macht derweil mit ihrer Drohung gegen die AEP-Skonti Ernst und kündigte an, in den nächsten zwei bis drei Wochen Klage beim Landgericht Aschaffenburg einzureichen. So soll die offene Rechtsfrage geklärt werden, ob Skonto und Rabatt zusammen mehr als 3,15 Prozent betragen dürfen. Die Frage könnte bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) gehen.

Dort ist die Wettbewerbszentrale zuletzt gescheitert: Der BGH hat in dieser Woche Rabatte auf Fertigarzneimittel für die Verblisterung für zulässig erklärt und damit Ratiopharm Recht gegeben. Die Urteilsgründe stehen zwar noch aus, Ratiopharm hatte aber im Vorfeld argumentiert, dass die Preisbindung nicht für „aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen“ gilt.

Außerdem in dieser Woche: Apotheker Günter Kraus streitet weiter mit Wala darum, die Kosmetikserie Dr. Hauschka auch über seine Versandapotheken vertreiben zu dürfen. Der Hersteller verteidigt die Ausgrenzung im Internetvertrieb kündigt an, weitere Versandapotheken wie beispielsweise Medpex auszulisten.

Die Retaxation quasi an der Wurzel packen will CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Roy Kühne: Aus seiner Sicht soll die Arzt-Software retaxsicher gemacht werden, sodass nur noch geprüfte und korrekte Rezepte die Praxis verlassen.

GlaxoSmithKline (GSK) und Novartis haben ihr Tauschgeschäft abgeschlossen und loben sich zu diesem Anlass gegenseitig für die Transaktion – einer rechnerische Glanzleistung, bei der jede Seite Milliardengewinne verbucht. Und vor dem Bundesfinanzhof kämpft der Hersteller Dr. Loges um den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für ergänzende bilanzierte Diäten.

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