Seit der Schließung ihrer ersten Apotheke, konzentriert sich das Ehepaar Christiane und Dr. Axel Karge auf ihren neuen Standort, die Apotheke am Wildenkuhlen. Doch Personalmangel und gleich mehrere Sprerrungen wegen Brückenschäden setzen der Apotheke zu. Bereits Anfang des Jahres musste das Ehepaar reagieren: Freitags macht die Apotheke bereits um 15 Uhr zu, am Samstag bleibt sie komplett geschlossen – analog zu den Ärzten im Umkreis. Personalmangel, die Kosten und die Tatsache, dass die Inhaberin die einzige Approbierte im Team ist, ließen keine anderen Möglichkeiten mehr zu.
2010 übernahm seine Frau Christiane Karge ihre erste Apotheke, die Adler-Apotheke im sauerländischen Kierspe. „Sie brauchte Unterstützung, seitdem manage ich hinter den Kulissen“, erklärt Dr. Axel Karge. Er kümmert sich als Nicht-Pharmazeut um die Finanzen, Werbung, Verträge – kurz alles, was nichts mit dem Endkunden zu tun hat. Ende 2013 gründete Christiane Karge die Apotheke am Wildenkuhlen neu.
„Juni 2018 mussten wir dann bei der Adler-Apotheke die Reißleine ziehen – wegen Fachkräftemangels, obwohl die Apotheke gut lief“, erklärt er. Aber ohne Pharmazeuten, der sie leiten könne, war eine Weiterführung schlicht nicht möglich. Seitdem konzentriert sich das Ehepaar auf den neuen Standort, der im Ort eine von nur noch drei Apotheken ist.
Eines der gravierendsten Probleme der Branche sei der Fachkräftemangel. „Es gibt zwar nicht wenige Apotheker, aber viele wollen nicht mehr in die Selbstständigkeit“, so Karge. Es sei eben kein 9-to-5-Job, man sei schnell bei 60 Wochenstunden, und gehe finanziell ins Risiko. Dabei sei der Arbeitsplatz Apotheke keinesfalls einzigartig: Auch bei Ärzten sehe man, dass die Nachfolgesuche schwieriger werde.
Das sei kein neues Phänomen: „Das war schon zu Beginn ein Problem“, erinnert sich Karge. Schon im Jahr 2010 hätten sie immer wieder nach Apothekern gesucht. Ein Einzelfall seien sie nicht, es sei bundesweit schwierig, Personal zu bekommen – besonders im ländlichen Raum, weit weg von Universitätsstädten. Der Ansatz, Studiengänge zu forcieren, sei zwar naheliegend, aber wenn die Attraktivität nicht da ist – „dann hilft das auch nichts“.
Es gebe auch andere Arbeitsmöglichkeiten für das pharmazeutische Personal – in der Regel mit attraktiveren Arbeitszeiten und oft besserem Gehalt in der Industrie, bei den Kassen, in Krankenhäusern oder Vertretungsdienste zu machen.
Auch PTA seien schwer zu finden. Aktuell sei die Apotheke am Wildenkuhlen hier aber ganz gut aufgestellt, weil sie kürzlich von einer anderen Schließung in der Region profitierte. Der Apotheker sei in Rente gegangen und habe keinen Nachfolger gefunden.
Aktuell sei seine Frau die einzige Approbierte. Sie müsse folglich immer in der Apotheke sein. Für Urlaube brauche sie einen Vertretungsapotheker. Auch alle Notdienste lägen bei seiner Frau, berichtet Axel Karge. Und mit weniger Apotheken müssten die Übriggebliebenen häufiger Dienste leisten. In den anderen beiden Apotheken im Ort sei es genauso. Daher habe man sich in diesem Jahr mit den geänderten Öffnungszeiten beholfen. Für die Kund:innen, die außerhalb der Zeiten ihre Arzneimittel abholen wollen, hat das Paar Abholfächer einbauen lassen.
Zusätzlich steht die Apotheke vor lokalen Problemen wegen der Verkehrssituation. Zwischen Lüdenscheid-Nord und Lüdenscheid-Süd ist die A45 vollständig gesperrt. „Da fehlt eine Brücke – das ist für potenzielle Bewerber natürlich noch einmal abschreckend“, erklärt er. Der Neubau der Brücke soll im Frühjahr 2026 abgeschlossen sein. Auch andere Betriebe in der Region leiden darunter, wie das Klinikum in Lüdenscheid.
Noch ärgerlicher: Auch eine der Hauptverkehrsstraßen in den Ort ist brückenbedingt gesperrt. „Wir haben Stammkunden, die auf der anderen Seite des Flusses leben. Die Umleitung führt sie durch die Nachbarstadt, in denen es natürlich auch Apotheken gibt“, erzählt er. Vermutlich wird die Strecke noch ein halbes Jahr gesperrt sein.
Nicht nur wegen der eingeschränkten Erreichbarkeit für die Kunden ist die Sperrung ein Ärgernis, auch der Botendienst der Apotheke braucht dadurch länger – und verbraucht mehr Sprit, ergo steigen die Kosten enorm.
Auch den Versandhandel sieht der Apothekenmanager kritisch. „Das sind keine Apotheken“, erklärt Karge. „Apotheken machen Notdienste, machen Rezepturen und beraten.“ Die ausländischen Versender dagegen picken sich gezielt nur die lukrativen Bereiche raus, kritisiert er. Wie viel Umsatz die Apotheken dadurch verlieren, sei schwer zu fassen, aber natürlich würden sie Umsatz verlieren.
Mit dem Randsortiment aber finanzierten die Apotheken viele ihrer Leistungen quer, gibt er zu bedenken. Neben den Versendern versuchten auch die Drogerieketten wie dm und Rossmann mit einem ähnlichen Geschäftsmodell in den Markt einzusteigen.
Die Großkonzerne hätten im freiverkäuflichen Markt einen klaren Handelsvorteil: „Die Preise sind teilweise niedriger als bei uns im Einkauf, weil die Großkonzerne ganz andere Preise verhandeln können als eine kleine Apotheke.“
Auch beim Honorar sieht Karge dringend Handlungsbedarf: „Vielen ist gar nicht bewusst, dass das Apothekenhonorar seit über 20 Jahren nicht gestiegen ist.“ Das sei bei vergleichbaren Berufen wie Ärzten und Rechtsanwälten gar nicht denkbar. Etwa ein Drittel der Apotheken arbeite nicht kostendeckend – und sei damit auch nicht verkäuflich. Eine angemessene Honorarerhöhung könnte nicht nur für Erleichterung sorgen und vielleicht auch die Attraktivität für junge Menschen erhöhen.
Auch die überbordende Bürokratie müsse angegangen werden. „Man studiert ja nicht Pharmazie, um dann die Hälfte der Zeit mit Bürokratie zu verbringen“, sagt Karge. Allerdings gibt der Apothekenmanager auch zu bedenken, dass die heutige Situation das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung sei und nicht schnell und einfach rückgängig gemacht werden könne.
Auch die Inhaberin sieht beim Honorar dringenden Handlungsbedarf: „Es passiert einfach nichts, keine Erhöhung, kein Inflationsausgleich.“ Im Gegenteil: Die Kassen würden sogar noch an den Apotheken sparen, wenn es eng wird. An die eigenen Kosten gehen sie aber nicht ran. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung von 9,50 Euro sei nach so vielen Jahren der Unterfinanzierung deutlich zu wenig. „Das ist lächerlich, damit kann ich keine großen Sprünge machen. Es ist zwar nett, wenn überhaupt mal was passiert – aber das kann nur symbolisch sein.“
Dabei hängen die meisten Probleme, die die Apotheken haben, vom Honorar ab – so auch der Fachkräftemangel: „Wenn Mitarbeiter bei den Krankenkassen mehr verdienen als in der Apotheke, dann braucht man sich über den Fachkräftemangel nicht zu wundern.“
Da die Inhaberin die einzige Approbierte in ihrem Betrieb ist, bleibe die Arbeit vor Ort maßgeblich an ihr hängen. Sie würde gerne noch lange in der Apotheke arbeiten, aber die Selbstständigkeit wird sie nicht mehr lange stemmen.