Streit mit Phoenix

Krankenkassen sollen EU-Versandapotheke retten

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Berlin -

Im Streit mit Phoenix droht die EU-Versandapotheke auszubluten. Denn der Großhändler will alle Zahlungen der Krankenkassen zu sich umleiten – solange, bis die Außenstände beglichen sind. Vor dem Landgericht Cottbus konnte Apothekerin Dr. Bettina Kira Habicht einen Teilsieg erringen. Gegenüber den Krankenkassen darf der Konzern keine Ansprüche mehr geltend machen.

In dem Streit geht es um rund 5,4 Millionen Euro. Für diesen Betrag soll Phoenix im Januar und Februar Ware an die Apotheke geliefert haben. Dann verließen Habicht und ihr Team die angemieteten Räume beim Großhändler in der Gubenerstraße mehr oder weniger fluchtartig. Hier waren jahrelang die Sendungen der Versandapotheke konfektioniert und verschickt worden.

Nachdem eine Lastschrift für die Sammelrechnungen der ersten Dekade über 2,1 Millionen Euro zurückgegeben worden war, forderte Phoenix das Rechenzentrum ALG auf, kein Geld mehr an die Apotheke auszuzahlen. Der Großhändler hatte sich alle aus dem Weiterverkauf der gelieferten Ware resultierenden Ansprüche abtreten lassen.

Habicht widersprach – und wechselte nicht nur den Großhändler, sondern sicherheitshalber auch das Rechenzentrum. Zwar wollte der Konzern die Apothekerin gerichtlich verpflichten lassen, weiterhin alle Rezepte bei ALG einzureichen. Doch die Klage scheiterte im Eilverfahren an einer fehlenden Prozessvollmacht.

Parallel informierte der Konzern ab 10. März auch die anderen Rechenzentren über die Situation und setzte ab 3. April sogar zahlreiche Krankenkassen in Kenntnis. Unter Vorlage des Abtretungsvertrags und der Lieferbedingungen wurden die Adressaten aufgefordert, sämtliche Zahlungen an Phoenix und nicht an die Apotheke zu leisten.

Das brachte Habicht nun endgültig in eine unangenehme Lage, denn faktisch drohte der Geldhahn nun zugedreht zu werden. So zog wiederum die Apothekerin vor Gericht mit dem Ziel, Phoenix untersagen zu lassen, gegenüber den Krankenkassen solche Ansprüche zu behaupten. Vielmehr sollte der Konzern eine Richtigstellung im Sinne der Apotheke abgeben.

Vor Gericht wurde die Apothekerin deutlich: Weil die Abrechnungsgelder ausblieben, könne sie ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den drei Großhändlern nicht nachkommen, bei denen sie seit der Trennung von Phoenix ihre Ware beziehe. Wegen der offenen Forderungen würden weitere Lieferungen nicht mehr ausgeführt. Außerdem könne sie ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, Sozialkassen sowie dem Finanzamt nicht mehr erfüllen. Schon in naher Zukunft werde sie über keine Liquidität mehr verfügen, um neue Ware einzukaufen und ihre Arbeitnehmer zu bezahlen.

Davon wollte Phoenix freilich nichts wissen: Habicht habe sich aus den bislang unbezahlten Lieferungen der ersten zwei Monate Liquidität von knapp sechs Millionen Euro verschafft. Es sei auch nicht so, dass die neuen Lieferanten nunmehr zuerst bedient werden müssten. Allenfalls wenn die Umsätze den konkret gelieferten Packungen zugeordnet werden könnten, wären entsprechende Ansprüche denkbar.

Genauso argumentierte auch das Gericht – allerdings gegen Phoenix: Für Abrechnungen aus den Monaten Januar und Februar sei die Sache noch klar, da es damals keinen anderen Lieferanten gegeben habe. Bei allen danach abgerechneten Rezepten hätten der Großhändler aber abklären müssen, ob noch zur Abrechnung offene Rezepte vorliegen, die mit bei ihm bezogenen Waren beliefert wurden.

Was die Abtretung angeht, muss Phoenix sich nach Meinung der Richter hinten anstellen: Denn als langjähriger Partner hatte sich der Konzern alle künftigen Forderungen im Rahmen einer Globalzession abtreten lassen. Da der verlängerte Eigentumsvorbehalt den Richtern zufolge Vorrang hat, kann Phoenix nur Ansprüche auf Forderungen geltend machen, die nicht mehr anderweitig blockiert sind.

Laut Gericht kann ausgeschlossen werden, dass die Konkurrenten in vier Monaten nur OTC-Medikamente geliefert haben oder Ware, die auf Privatrezept abgegeben wurde. Insofern seien Ansprüche der drei neuen Großhändler gegenüber den Kassen wahrscheinlich. Auch sei davon auszugehen, dass die Ansprüche der Konkurrenten nicht durch Zahlung erloschen seien: Immerhin habe Habicht eidesstattlich versichert, dass sie Stundungsvereinbarungen treffen musste.

Für die Richter überwiegt die Not der Apothekerin, da sie bei ausbleibenden Zahlungen auf kurz oder lang die Forderungen ihrer Lieferanten gar nicht mehr bedienen werden könne. Die Liquidität, die sich die Apotheke auf Kosten von Phoenix verschafft habe, sei kein Argument, da sie bei den typischen Lieferumfang innerhalb von zwei Monaten aufgebraucht sei.

So gab das Landgericht dem Antrag statt und untersagte Phoenix die weitere Ansprache von Krankenkassen. Der Konzern wurde sogar verpflichtet, gegenüber den angeschriebenen Kassen und Rechenzentren klarzustellen, dass keine Ansprüche bestehen. Zumindest diese Auflage kassierte das Oberlandesgericht nach dem Widerspruch des Großhändlers.

Allerdings verschafft die Entscheidung der Apotheke nur Luft auf Zeit. Denn nach summarischer Prüfung sei auch weiter davon auszugehen, dass der Phoenix die geforderten 5,4 Millionen Euro zustünden, heißt es im Urteil. Der Großhändler hat aus Sicht der Richter nicht nur hinreichend dargelegt, mit welcher Zugangskennung die Apotheke bestellen konnte und bestellt hat, sondern auch, an welchen Tagen welche Ware geliefert wurde.

Die Apothekerin habe dagegen nicht dargelegt, welche Ware sie wie behauptet nicht erhalten habe. Damit sei von einem Kaufvertrag unter Einbeziehung der Lieferbedingungen auszugehen.

Offen bleiben könne, ob die Gegenforderungen in Höhe von circa 4,6 Millionen Euro berechtigt seien. Denn das in den Verkaufs- und Lieferbedingungen vorgesehene Aufrechnungsverbot dürfte wirksam sein, so die Richter. Im November wird in Cottbus über die Außenstände verhandelt.

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