Konnektoren: Red will Platzhirschen das Wasser abgraben Tobias Lau, 14.07.2020 15:08 Uhr
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Viele Kabel, ein Ziel: Die TI. Red Medical wühlt den Markt der Apothekensoftwarehäuser auf. Foto: shutterstock.com/ Olena Yakobchuk
Berlin - Das Rennen um Marktanteile beim Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) ist in vollem Gange und immer mehr Apotheken setzen nicht auf ein etabliertes Softwarehaus, sondern auf den Neueinsteiger Red Medical mit seiner alternativen Konnektoren-Lösung. Der hat bereits einige dicke Fische an Land gezogen: Red hat einen Kooperationsvertrag mit Elac Elysée unterschrieben und kann sich nun Hoffnung machen, die Mehrzahl der 480 Guten-Tag-Apotheken bald auf der Kundenliste zu haben. Auch Easy hat er schon am Haken. Wie genau die Kooperationen gestaltet sind, darüber schweigen sich die Beteiligten aus, doch die teilnehmenden Apotheken seien weiter frei in ihrer Anbieterwahl, erhalten aber in jedem Fall Sonderkonditionen für den Anschluss. Nur eine Kooperation hat sich bisher entschieden, geschlossen zu Red zu gehen.
Ohne Konnektor kein Zugang zur TI, so viel ist klar. Doch Red Medical kann immer mehr Kooperationen, Verbände und Unternehmen überzeugen, dass ihre Apotheken den Konnektor nicht unbedingt in der Offizin stehen haben müssen, sondern zentral im Rechenzentrum unterbringen und sich per IP-Schnittstelle mit ihm verbinden können. Dabei spielt Red ausgerechnet ein Versagen der Gematik in die Hände: Seit über anderthalb Monaten hat die nämlich mit einem flächendeckenden Konnektoren-Ausfall zu kämpfen.
Ein Update wurde falsch durchgeführt und hat deshalb die Konnektoren mehrerer großer Anbieter ausgeknockt. Zehntausende Praxen konnten sich nicht mit der TI verbinden, die Folge: Sie können keine elektronischen Gesundheitskarten auslesen und daher kein Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchführen. Um die TI-Boxen wieder zum Laufen zu bringen, muss vor Ort händisch ein weiteres Update aufgespielt werden. Auf Kosten und Aufwand bleiben die Praxen sitzen. In der Ärzteschaft hat das in den vergangenen Wochen einiges an Aufruhr verursacht. Die Wut kriegt nicht nur die Gematik ab, sondern auch die eigenen Standesvertreter: In Baden-Württemberg fordert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wegen der Affäre bereits den Rücktritt des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
So weit soll es bei den Apothekern erst gar nicht kommen, wirbt Red-Medical-Geschäftsführer Jochen Brüggemann für sein Unternehmen. Denn würde die Konnektorenstörung heute in einem Jahr auftreten, wären die Folgen für die Apotheken weitaus größer als Probleme der Praxen mit dem VSDM: Dann könnten eRezepte weder empfangen noch bearbeitet oder bedient werden. Es müsste auf den Notfallplan des Gesetzgebers ausgewichen werden, der für eine solche Situation eine temporäre Rückkehr zum Muster-16-Rezept vorsieht. Dass das in so einer Situation bei gleichzeitigem Ausfall anderer TI-Anwendungen ohne größere Probleme über die Bühne gehen würde, glaubt allerdings kaum ein Apotheker – ganz zu schweigen vom Aufwand, wenn 19.000 Apotheken zeitgleich einen TI-Techniker ihres jeweiligen Anbieters brauchen.
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