Pharmahersteller

Generika werden weiblich

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Berlin -

2012 ist für die Generikahersteller nicht nur das Jahr der Patentabläufe, sondern auch – das Jahr der Frau. In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Anbieter Kontrazeptiva auf den Markt gebracht. Jetzt geht es für die Firmen darum, Patientinnen, Gynäkologen und Apotheker auf die neue Marke einzuschwören und attraktive Produktpakete zu schnüren. Bei den großen Herstellern laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Aliud/Stada und Ratiopharm/Teva machen den Anfang.

Seit mit den Rabattverträgen die Margen im Generikabereich endgültig unter Druck geraten sind, wird in den Chefetagen der Hersteller fieberhaft nach neuen Ertragsquellen gesucht. Der Bereich Frauengesundheit ist dabei attraktiv: Einerseits kommen vor allem Frauen regelmäßig in die Apotheke, andererseits werden Produkte wie die Pille, aber auch Schwangerschaftstests und -vitamine aus der eigenen Tasche bezahlt und sind damit wenig anfällig für Sparmaßnahmen oder einen Preisverfall. Laut Insight Health liegt bei den Kontrazeptiva der GKV-Umsatzanteil bei gerade einmal 16 Prozent.

„Die Herausforderungen ist in diesem Segment nicht so sehr der Preis“, sagt Actavis-Chef Dr. Claudio Albrecht. Selbst der zeitliche Vorsprung sei nicht so wichtig. „Es geht vielmehr darum eine Marke aufzubauen, der die Frauen ihr Vertrauen schenken. Das ist ein völlig anderer Ansatz der Vermarktung, der bislang vernachlässigt wurde: Wir müssen wieder lernen, wie Produkte an Endverbraucher verkauft werden.“

Für die Firmen geht es darum, nicht nur als Generikum zu Valette, Yasmin & Co. wahrgenommen zu werden: Einerseits ist nicht einmal ausgemacht, dass bei Verhütungsmitteln alleine über den Preis entschieden wird. Andererseits will jeder Hersteller erreichen, dass seine Kundinnen dem Produkt so lange wie möglich treu sind. Großes Vorbild ist daher die Bayer-Tochter Jenapharm, die es über die Jahre geschafft hat, über die Fachkreise hinaus als Verhütungsspezialistin wahrgenommen zu werden.

 

In der Branche hält man sich zu konkreten Portfolio- und Marketingstrategien sehr bedeckt. Eine Geschäftsidee sind Dachmarken, in die neben Kontrazeptiva sukzessive weitere Rx-Präparate wie generische Onkologika und Hormonpräparate, aber auch frei verkäufliche Produkte gepackt werden sollen. Entsprechend müssen die Angebote nicht nur bei den verordnenen Ärzten, sondern auch bei den Patientinnen und in der Apotheke beworben werden.

Manche Konzerne planen dem Vernehmen nach bereits entsprechend spezialisierte Außendienste, die Präsenz vor allem bei Gynäkologen und Dermatologen aufbauen sollen. Die Apotheken sollen mit Konditionen und Abverkaufshilfen gewonnen werden. Für die Patientinnen gibt es Informations- und Werbematerialien: Zum Standardrepertoire gehören neben Broschüren spezielle Websites und Apps für das Handy.

Bei Actavis soll Ende des Jahres oder Anfang kommenden Jahres ein größeres Paket mit Produkten speziell für die Frauengesundheit auf den Markt gebracht werden, flankiert von umfangreichen PR-Maßnahmen. Ob es eine Dachmarke geben wird und wie diese heißen wird, will Albrecht noch nicht verraten. Die Entscheidung sei auch noch gar nicht gefallen, zumal der neue Eigentümer Watson auf dem Heimatmarkt bereits sehr stark an der Markenbildung arbeite.

 

 

Bei Aliud startete Ende September die Kampagne „Frau sein“. „Wir haben in diesem Jahr einige neue Produkte zur Frauengesundheit eingeführt und in Gesprächen mit unseren Kundinnen erfahren, dass sie sich neben den Produkten auch weitere Informationen zum Thema Frauengesundheit wünschen. Diesen Interessen möchten wir entgegenkommen“, sagt Geschäftsführerin Ingrid Blumenthal.

Bereits im August hat die Stada-Tochter die Apotheken mit geheimnisvollem Material versorgt: „Es hilft Frauen, ihren Körper besser zu verstehen“, stand auf einem Werbeflyer, der einen Felsen in der Kontur einer Frau darstellte. Allerdings sind Informationsangebote nur ein Teil des Services, mit dem Aliud die Produkte mit neuem Design in die Apotheken bringen will: „Wir unterstützen die Apotheken beispielsweise beim Abverkauf durch Endkunden-Aktionen am POS und besondere Konditionen für passende OTC-Frauenprodukte und Kontrazeptiva.

Ratiopharm/Teva will sich – wie Hexal/Sandoz – zur Strategie nicht äußern, zumal diese vom Mutterkonzern vorgegeben wird: In den USA hat Teva mit der Sparte „Women's Health“ jedenfalls bereits Erfahrungen mit entsprechenden Markenkonzepten. In Berlin betreut eine spezielle Business Unit den Indikationsbereich und sorgt derzeit unter anderem mit dem Angriff auf Cerazette vor Patentablauf für Schlagzeilen. In der vergangenen Woche hat der Konzern außerdem mit LaYanina/LaYaisa Generika zu Yasmin/Petibelle eingeführt. Noch vor ein paar Jahren hatte Ratiopharm selbst mit Jenapharm angebändelt, bevor das Unternehmen an Schering und dann an Bayer ging.

 

 

Andere Anbieter wollen zunächst mit einzelnen Produkten die Akzeptanz testen – und sich nicht vorab zu den eigenen Plänen für ein mögliches Gesamtportfolio äußern. Dass der Bereich Frauengesundheit für alle Hersteller ein Thema ist, sieht man aber bei den in diesem Jahr neu einführten Kontrazeptiva: Von Aristo über Betapharm, Dermapharm/Mibe, Dr. Kade, Madaus und Mylan bis hin zu Pfizer und Zentiva/Winthrop spielen alle Generikafirmen mit. Regelrecht spezialisiert auf den Indikationsbereich haben sich Gedeon Richter mit dem Portfolio, das bis vor einigen Jahren Grünenthal gehörte, und Velvian.

Wie viel Musik in dem Marktsegment ist, zeigen Zahlen von IMS Health: Demnach wurden 2011 18,6 Millionen Kontrazeptiva-Packungen im Wert von 413 Millionen Euro zu Herstellerabgabepreisen verkauft.

Nur jede vierte Packung war ein Generikum; der Markt wird angeführt von den Jenapharm/Bayer-Präparaten Valette/Maxim, Aida, Minisiston und Yasminelle sowie den MSD-Produkten Nuvaring und Cerazette. Als Generikahersteller sind unter den Top 10, die immerhin rund 90 Prozent nach Umsatz ausmachen, nur Hexal mit Lamuna und Leona sowie Rottapharm/Madaus mit Bellissima vertreten. Bislang.

 

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